Bunt und einigermaßen grantig: ein Kommentar zum Umweltschutz à la Mordillo. - © Oli Verlag N.V.
Bunt und einigermaßen grantig: ein Kommentar zum Umweltschutz à la Mordillo. - © Oli Verlag N.V.

Krems. Seit mehr als 50 Jahren gilt der gebürtige Argentinier Mordillo als Meister des Humors ohne Worte. Zeitlos, aktuell und ohne den humoristischen Vorschlaghammer hat sich der 82-Jährige in die Herzen seines Publikums gezeichnet. Das Karikaturmuseum Krems widmet dem unermüdlichen Humor-Arbeiter und passioniertem Golfer (Handicap 19) nun eine große Ausstellung. Die "Wiener Zeitung" traf ihn vor der Eröffnung zum Gespräch.

"Wiener Zeitung": Ihre Cartoons sind in Europa seit Jahrzehnten sehr bekannt und werden meist sofort als Ihre erkannt. Wie würden Sie Ihren Humor beschreiben?

Guillermo Mordillo: Manche schreiben, manche malen, ich sehe mich eher als Designer. Ich mache das, seitdem ich fünf Jahre alt bin - und kann nicht damit aufhören. Das ist mit mir gekommen und wird auch mit mir gehen, ich kann es weder erklären noch beschreiben. Aber es ist ein großes Privileg, für das ich mich bei meinem Vater und meiner Mutter bedanke. (lacht) Eigentlich ist das Zeichnen es eine sehr gute Art zu kommunizieren.

Ich habe gelesen, dass Sie sich auch eher als Journalist und nicht als Künstler sehen.

Am Anfang meiner Arbeit in den 60er Jahren war das definitiv so. Jahrzehnte lang wurden meine Cartoons in Zeitschriften wie etwa dem "Stern" publiziert. Ich habe sie ja nicht für die Galerie, sondern für Zeitschriften gemacht. Ich verkaufe die Cartoons auch nicht, ich verkaufe nur die Möglichkeit zum Abdruck - außer ganz selten für Charitys. Aber in der Regel behalte ich die Originale.

Aber Journalisten schaffen es kaum mit ihrer Arbeit ins Museum so wie Sie hier in Krems. Das würde dafür sprechen, dass Sie viele Menschen sehr wohl als Künstler sehen.

Das ist ein guter Punkt. Mag sein, dass mich einige als Künstler wahrnehmen. Aber Cartoons als Gattung sind nicht in den echten Museen - sie hängen nicht im Louvre, nicht im Prado, nicht im Metropolitan Museum, sie werden nicht als Kunst wahrgenommen. Es gibt eigentlich nur ein einziges humoristisches Bild im Louvre, die Mona Lisa - schauen Sie sich dieses Lächeln doch an! Erst an dem Tag, an dem Cartoons in diesen Museen hängen, bin ich bereit, von Kunst zu sprechen. Deswegen habe ich auch mitgeholfen, in meiner Heimatstadt Buenos Aires ein Museum des Humors einzurichten. Es ist aber leider kleiner als dieses hier in Krems. Ich hoffe ja, dass es eines Tages in jeder Stadt der Welt ein Karikaturmuseum geben wird, denn die Menschen brauchen das genauso wie klassische Kunst.

In Interviews werden Sie normalerweise auf die charakteristischen runden Nasen Ihrer Figuren angesprochen. Ich hoffe, das nervt Sie nicht schon, denn hier kommt auch meine Nasen-Frage ...

Manche Menschen finden einen Diamanten auf der Straße. Manche finden Geld oder etwas anderes - ich finde Nasen! Das ist aber wie ein Diamant für mich, denn meine Figuren werden an der Nase erkannt. Das habe ich entwickelt, als ich in Paris als Einwanderer in den Sechzigern damit begonnen habe, Grußkarten zu designen - noch bevor ich Cartoons gemacht habe. Jede meiner Figuren hat diese Nase, egal ob Giraffe oder Frau. Es ist meine Signatur.

Wieso sprechen Ihre Figuren nicht?

Sie tun das ganz selten und wenn, dann ist es ein Klischee. In Krems ist ein Cartoon ausgestellt, in dem eine Nonne und ein Pater sich in der Kirche heimlich küssen und dann kommt von oben plötzlich ein Lichtstrahl und die Nonne sagt: "Oje, mein Mann!" - das ist das Klischee, das ich meine. Aber die Wahrheit ist, dass ich in meinen ersten Jahren als Argentinier in Paris nur schlecht französisch gesprochen habe, daher habe ich Cartoons gezeichnet, die auch ohne Text verstanden werden. Der Vorteil dabei ist, dass sie international verstanden werden. Von mir sind 19 Bücher in China erschienen - ohne ein einziges Wort Mandarin!

Ihre Figuren kommen sehr liebenswürdig daher, aber das heißt nicht, dass es keinen kritischen Inhalt gibt. Wie wichtig ist Ihnen dieser Aspekt?

Sehr wichtig, denn das ist letztlich das, was ich denke und einbringe - ein Stück von mir, wenn Sie so wollen. Ich bin ein Journalist, der nicht schreibt. Meine Kommentare sind gezeichnet.

Sie haben 17 Jahre in Paris gelebt. Wir allen haben die schrecklichen Bilder des Terroranschlags auf "Charlie Hebdo" gesehen. Wie haben Sie das empfunden?

Wissen Sie, die Essenz von Humor war für mich lange Zeit Zärtlichkeit und Angst. Jetzt ist davon nur noch die Angst geblieben. Für mich muss man in der Geschichte des Humors eine neue Einteilung finden: vor und nach "Charlie Hebdo". Es wird nie wieder so sein wie davor. Ich selbst habe an dem Tag einen traurigen Clown gezeichnet - mit einem Bleistift in der Hand. Ich habe aber davon abgesehen, "Je sui Charlie" dazuzuschreiben. Denn die Solidarität mit den Kollegen, von denen ich einige persönlich kannte, kam zu spät. Sie wurden schon jahrelang vor dem Anschlag bedroht - aber niemand hat reagiert. Man hat erst reagiert, als es zu spät war. Sie waren alle sehr mutig, viel mutiger, als ich an ihrer Stelle gewesen wäre.