"Wiener Zeitung": Herr Fröhlich, wann haben Sie das erste Mal in Ihrem Leben einen Comic gelesen?

Walter Fröhlich: Den ersten Comic bekam ich von meinem Vater. Als Landmaschinenvertreter war er die ganze Woche unterwegs. Wenn er am Wochenende nach Hause kam, brachte er mir und meiner Schwester immer etwas mit. Und irgendwann hielt ich das Heft "Hit Comic 248 - Die Spinne" in Händen. Der kostümierte Held, der für Gerechtigkeit kämpft, hat mich als Siebenjährigen zutiefst beeindruckt, aber mehr noch sein Gegner Gibbon, der ja eine unglaublich tragische Figur war. Ich habe nach der Lektüre sofort angefangen, Comics zu zeichnen. Und natürlich wollte ich wie Spiderman die Städte von Gangstern und Monstern befreien.

Cover von Walter Fröhlich.
Cover von Walter Fröhlich.

Haben Sie seit Ihrer ersten Begegnung mit Spiderman kontinuierlich Comicgeschichten gezeichnet?

Nicht durchgängig. Mit 14 Jahren bin ich draufgekommen, dass es auch noch etwas anderes gibt: Mädchen und Kellerpartys, das hat mich dann eine Zeit lang ganz vom Zeichnen abgehalten, aber mit 19 Jahren habe ich während der Wachdienste beim Bundesheer das Zeichnen erneut entdeckt.

Was haben Sie denn während der Wachen gezeichnet?

Meistens waren es tagebuchartige Aufzeichnungen. Ich wollte in jeder freien Minute aus der Langeweile ausbrechen und das Leben auskosten. Die Werke von Heinrich Böll und die Gedichte von Erich Kästner waren damals sehr wichtig. Eigentlich hat mich alles Wehleidige inspiriert, solange etwas Hoffnung durchschimmerte. Besonders beeindruckt hat mich Charles Bukowski. 2011 versuchte ich, vom Rechteinhaber die Lizenz für einige Bukowski-Gedichte zu erhalten, um sie als Comic umzusetzen, aber abgesehen von den hohen Lizenzgebühren wurden mir zu viele künstlerische Auflagen gemacht. Daran ist das Projekt letztlich gescheitert.

Eine der Illustrationen Walter Fröhlichs zu Gedichten von H.C. Artmann. Foto und allesamt W. Fröhlich
Eine der Illustrationen Walter Fröhlichs zu Gedichten von H.C. Artmann. Foto und allesamt W. Fröhlich

Warum hat es nach dem Bundesheer noch mehr als zehn Jahre gedauert, bis Sie in die Comicszene professionell eingestiegen sind?

Nach dem Wehrdienst habe ich erst meine Ausbildung zum Tischler abgeschlossen, aber mir war klar, dass ich diesen Beruf nicht lange ausüben wollte. Mein Leben war immer schon sehr von glücklichen Zufällen bestimmt, und so machte mich eines Tages der Bürgermeister von Seibersdorf darauf aufmerksam, dass am Finanzamt Baden eine Stelle als Haustechniker frei sei. Ich habe mich dort beworben und bin in der Steuerinformations- und -einlaufstelle gelandet.

Einlaufstelle? Was haben Sie denn dort gemacht?

Post verteilen, Briefe zupicken und Glühbirnen auswechseln. Ich habe mir gedacht: Immer noch besser, als seine Finger an einer Kreissäge zu verlieren. Später habe ich den Steuerpflichtigen beim Ausfüllen der Formulare geholfen. Ich habe dort wirklich gerne gearbeitet, ich hatte nette Kollegen und einen sehr kollegialen Vorgesetzten, der überhaupt nicht verstand, dass ich dort nach sieben Jahren kündigte, um als Comiczeichner zu arbeiten. Als ich ihm mitteilte, dass ich Künstler werden wollte, sagte er nur: "So a Bledsinn!"

Walter Fröhlich geboren 1967, ist Comiczeichner, Illustrator und Verleger, erlebte den Comicboom Ende des letzten Jahrhunderts als Mitarbeiter bei IPP, Deutschlands erfolgreichstem Comicstudio. Zu Ende der Goldgräberzeiten konzentrierte er sich auf Illustrationen für Magazine wie "Playboy", "Stern" oder "SFT" und zeichnete für Werbekunden wie Universal Music, McDonald’s oder Chupa Chups. Drei Jahre lang produzierte er die TV-Sendung "KA-PUFF!-Das Comicmagazin" für den Sender Okto, die noch immer wiederholt wird.
Walter Fröhlich geboren 1967, ist Comiczeichner, Illustrator und Verleger, erlebte den Comicboom Ende des letzten Jahrhunderts als Mitarbeiter bei IPP, Deutschlands erfolgreichstem Comicstudio. Zu Ende der Goldgräberzeiten konzentrierte er sich auf Illustrationen für Magazine wie "Playboy", "Stern" oder "SFT" und zeichnete für Werbekunden wie Universal Music, McDonald’s oder Chupa Chups. Drei Jahre lang produzierte er die TV-Sendung "KA-PUFF!-Das Comicmagazin" für den Sender Okto, die noch immer wiederholt wird.

Der Wunsch muss aber sehr stark gewesen sein, sonst hätten Sie doch eine sichere Stelle nicht so einfach aufgegeben.

Ich war 27 Jahre alt und dachte mir, jetzt oder nie. Während meiner Zeit beim Finanzamt hatte ich nebenbei eine Ausbildung zum Grafikdesigner gemacht. Aber ich gab damals nicht nur die sichere Stelle auf, sondern habe gleich mein ganzes Leben umgekrempelt. Ich hatte damals ein Haus, in dem ich gemeinsam mit meiner Freundin lebte, und eigentlich eine gemütliche und vor allem sichere Zukunft vor mir. Aber ich wusste, wenn ich nicht alles für mein Ziel gebe, dann wird es nichts. Und meine Mutter fragte sich: "Was hab’ ich nur falsch gemacht mit dem Bua?" Mittlerweile ist sie mein größter Fan.

Ihr richtiger Einstieg begann, als die sehr bekannte deutsche Ideenschmiede Paul und Paul Sie entdeckte.

Ein weiterer Zufall in meinem Leben. Es klingt ja heute absurd, aber ich hatte monatelang überlegt, ob es sich lohnen würde, meinen PC ans Internet anschließen zu lassen. Kaum hatte ich den Anschluss, habe ich das Internet mit meinen Arbeiten überflutet und an alle mir bekannten Comicstudios in Deutschland meine Zeichnungen gemailt, darunter auch die Ideenschmiede Paul und Paul. Keine zehn Minuten später kam der Anruf von Ricarda Thiel, die sagte: "Walter, dich hat der Himmel geschickt. Uns ist ein Kolorist ausgefallen, kannst du innerhalb einer Stunde eine Probekoloration für den Comic ,Die Siedler von Katan‘ übernehmen?" Ich war sehr aufgeregt, meine Koloration gefiel ihnen, und in den nächsten Jahren arbeitete ich in einem Team hochprofessioneller Illustratoren und Texter, mit denen ich nach dem Vorbild von US-Studios Comics produzierte.

In Deutschland sind Ihre Illus-trationen für den "Playboy" nach wie vor legendär.

Ein weiterer Zufall, dem Internet sei Dank. Mir hatte ein Kollege gesagt, wer im "Playboy" veröffentlicht, hat ausgesorgt. Na ja, ich dachte, dann werde ich das auf jeden Fall versuchen. Dem damaligen Art-Director Achim Matschinger gefielen meine Illustra-tionen, die dann auch viele Jahre im "Playboy" zu sehen waren. Darunter Illustrationen zum Balzverhalten der Menschen, zu lustigen Sexunfällen und der letzten Herausforderung des Mannes, der sich dem Aufbau eines Ikearegals stellen muss.