Zu sehen ist ein Waldweg. Darauf ein Wandererin - so weit, so normal. Doch die Freizeitsportlerin wird flott überholt von einem Hasen, der in einem kleinen blauen VW Cabrio angebraust kommt. Gerhard Glück nennt sein Gemälde "Irene M. neigt dazu, in allem einen tieferen Sinn zu sehen". Es ist wie 50 andere Bilder auch Teil der neuen Ausstellung des Karikaturmuseums Krems, die am Wochenende eröffnet wurde. Nach dem Thema Fernsehen ist es die zweite Schau, die Kurator und Direktor Gottfried Gusenbauer einem Kultobjekt der Österreicher widmet, dem Auto. Und doch, der eigene fahrbare Untersatz hat ein bisschen gelitten: als Statussymbol jedenfalls und auch insgesamt. Das, was viele unter "Wertewandel" subsummieren, hat auch beim Kfz zugeschlagen, sei es nun ein- oder mehrspurig. Und so zeigt sich auch in dieser Schau eine gewisse Götterdämmerung. Etwa wenn Borislav Sajtinach sie als apokalyptische Reiter zeichnet, die sich über die Menschheit hermachen und allerlei Verderbnis mit sich bringen. Wolfgang Ammer wiederum lässt die Fahrzeuge paarweise, immer in gleichen Farben, in Noahs Arche einfahren.
Comic-Originale
Ja, die Glanzzeiten sind wohl vorüber, auch wenn eine ganz neue Ära des Automobils bereits am Horizont dämmert: das selbstfahrende Auto, das in seiner bis heute 130-jährigen Geschichte (seit Carl Benz) nicht nur den Chauffeur, sondern jetzt auch noch den Selbstfahrer obsolet macht. Die Maschinen übernehmen - man muss nicht gleich die postapokalyptische narrative Welt des Terminators bemühen, um zu sehen, dass die Maschinen auf dem Vormarsch sind. Doch bevor es so weit ist, darf in der doch sehr übersichtlichen Ausstellung noch einmal den Glanzzeiten des Fetisch mit dem Lenkrad gefrönt werden. Herzstück sind hier sicherlich die Comic-Originale aus der frankophonen Sammlung des Architekten Rochus Kahr. Hier darf noch dem gar nicht frommen Design gehuldigt werden - und wenn sich das Vehikel mit einem halbseitenfüllenden "Vroooooooar" aus der Seite verabschiedet, kann man die Begeisterung gut nachvollziehen. Dynamik und Geschwindigkeit, dargestellt im zweidimensionalen Schwarzweiß und doch so plastisch aufs Blatt gebannt, dass man den Sechzehnzylinder nahezu satt vor sich hinblubbern hört. Das ist zu Recht nach Francis Lacassin die "neunte Kunst" des Kanons der bildenden Künste.
Aber auch die österreichischen Größen dieser Kunst dürfen natürlich ihre Sicht des Autos darstellen. Wenn Erich Sokol dem feisten Österreicher bildlich das letzte Hemd auszieht, um ein Fläschchen Benzin zu erwerben, ist man wieder in der Realität angekommen. Auch Rudi Klein, der seine charakteristischen Figuren lieber den Motor verkaufen lässt, um die schwarz-blauen Ralleystreifen behalten zu können, reiht sich hier nahtlos ein. Und wenn Nicolas Mahler den Autofirmenboss in bester "Wall Street"-Manier auf den Klimawandel mit dem Satz "Sofort die Cabrioproduktion verdoppeln!" reagieren lässt, ist man wieder an die apokalyptischen Reiter erinnert. Auch wenn die Ausstellung mit nur einem Raum einen nur kleinen Überblick über das Thema bringt, verbergen sich in den Tiefen der Zeichnungen doch viele Schätze, die durch den Betrachter gehoben werden können. Vielleicht eine gute Gelegenheit, frei nach dem Motto der Schau, das Schätzchen in der Garage wieder einmal bei einer Ausfahrt an den Rand der Wachau zu bewegen. Vroooooooar!
