"Das war die Macht, die ich suchte, und die Geschichte unserer eigenen Könige wurde für mich zur Waffe. In meiner Arbeitstheorie waren alle Schwarzen exilierte Könige, eine Nation erster Menschen, abgeschnitten von ihren ursprünglichen Namen und ihrer erhabenen nubischen Kultur. War je irgendwo ein Volk so unermesslich und so schön gewesen?"

Diese Sätze stammen aus dem vielgefeierten und vieldiskutierten Essay "Zwischen mir und der Welt" von Ta-Nehisi Coates. Die Macht, von der er hier spricht, gehört Nzinga. Sie herrschte im 17. Jahrhundert über die Königreiche Ndongo und Matamba. Nzinga ging dafür in die Geschichte ein, dass sie sich der portugiesischen Invasion und dem Sklavenhandel eine Weile erfolgreich widersetzte. Coates erzählt die für ihn beeindruckende Episode, in der der niederländische Botschafter die Königin demütigen wollte, indem er ihr einen Sitzplatz verweigerte. Nzinga ließ sich daraufhin auf einer ihrer Beraterinnen majestätisch nieder, die sich auf alle Vieren stellen musste.

Ruf nach Reparationen

Ta-Nehisi Coates. - © Nina Subin
Ta-Nehisi Coates. - © Nina Subin

Der Afroamerikaner Coates ist der US-Intellektuelle der Stunde, zumindest was die Beschäftigung mit den USA aus afroamerikanischer Perspektive betrifft. Sein Buch "Zwischen mir und der Welt", ein Memoiren-Essay, in dem Coates eine Bestandsaufnahme der weiß-schwarzen Beziehungen in seiner Heimat macht, ist im Frühjahr auf Deutsch erschienen. Das Buch enthält auch einen älteren Beitrag, in dem Coates Reparationszahlungen an die schwarze Bevölkerung der USA im Ausgleich für die Verbrechen der Sklaverei fordert. Das nur, um zu illustrieren: Der Mann meint es wirklich ernst.

Ein König als Superheld

Umso kurioser erschien die Meldung über das neueste Engagement dieses nachdenklichen und zugleich knallharten Intellektuellen. Ta-Nehisi Coates bekam nämlich vom Comicverlag Marvel den Auftrag, eine neue Serie über den Superhelden Black Panther zu schreiben. Die Figur erschien erstmals vor genau 50 Jahren, damals noch als Nebenfigur. Nichtsdestotrotz war Black Panther der erste schwarze Superheld im Massen-Comic. Das Potenzial des Helden für eigene Geschichten entdeckte man erst in den 70ern, eine so weitreichende Popularität wie Spider-Man oder Superman war ihm jedoch nicht beschieden.

Das soll nun eine Kombination, die so wohl nur in den USA möglich ist, ändern: Dass ein Philosoph einen Superhelden-Comic verfasst, mag auf den ersten Blick unpassend erscheinen, auf den zweiten sieht man freilich, dass sich Coates gar nicht so sehr von seinem jüngsten Essay und seinem Faible für nubische Nobilität entfernen muss. Der "Black Panther" geht in seinem Brotberuf nämlich nicht wie andere Superhelden profanen Tätigkeiten wie Journalismus nach. Das Alter Ego des Black Panthers heißt T’Challa und ist König des unermesslich fortschrittlichen afrikanischen Staates Wakanda. Sein Land musste der Monarch schon gegen marodierende Nachbarstämme verteidigen und vor formwandelnden Außerirdischen retten. Aber auch Kollegen aus der Supermacht-Branche wollten Wakanda schon zum Verhängnis werden: Unter anderem wollte Meerjungmann-Schuft Namor das Land fluten.

Im kommenden "Avengers"-Film "Civil War" allerdings ist Black Panther mit seinen Superhelden-Kumpels von Captain America abwärts unterwegs -dieses Weltretter-Fernweh, das man auch als mangelnde Loyalität seiner Heimat gegenüber deuten kann, liegt Ta-Nehisi Coates im Magen: "Ich bin nicht sicher, dass er wirklich gern König ist. Dieser Typ taucht doch die ganze Zeit in New York auf. Es scheint so, als hätte er immer irgendetwas Wichtigeres zu tun, als zuhause König zu sein." Folgerichtig ist T’Challa bereits in der ersten Folge der neuen Comicreihe - übrigens elegant-eiskalt und afrofuturistisch illustriert von Brian Stelfreeze -, die diese Woche in den USA erschienen ist, weniger mit übermenschlichen Katastrophen konfrontiert als mit seinen Selbstzweifeln und der Beziehung zu seinem Volk. Auch eine Parallele zu Nzinga übrigens, die mit ihrer diplomatischen Entscheidung, zum Katholizismus überzutreten, nicht wenige ihres Volkes vor den Kopf gestoßen haben dürfte.

Obwohl der Comic-Held im selben Jahr erfunden wurde, in dem die gleichnamige Black Panther Party gegründet wurde, haben beide nichts miteinander zu tun. Im Gegenteil, um sich von der mitunter umstrittenen sozialistisch-nationalistischen Schwarzenbewegung zu distanzieren, ist der Panther sogar kurz zum Leoparden mutiert - die Leserschaft goutierte das freilich nicht.

Nicht "so" ein Black Panther

Ta-Nehisi Coates’ Vater arbeitete bei der Black Panther Party in Maryland, wie er in "Zwischen der Welt und mir" erzählt. Die Bewegung wurde gegründet, um die Forderungen des Bürgerrechtlers Malcolm X - eine der Schlüsselfiguren für Coates politische Sozialisation - umzusetzen. Und um - keineswegs nur friedlich - gegen die alltägliche willkürliche Polizeigewalt gegen Afroamerikaner in jener Zeit vorzugehen. Es hat eine durchaus bedrückende Konsequenz, dass so viele Jahrzehnte danach immer noch von Polizisten "unabsichtlich" erschossene Schwarze im Zentrum der politischen Überlegungen von Coates stehen müssen.