Was den Deutschen ihr Erich Ohse alias e.o.plauen (1903-1944) ist den Österreichern ihr Ladislaus Kmoch alias Ludwig Kmoch (1897-1971). Während ersterer ab 1934 seine lustigen, unpolitischen Bildergeschichten ohne Text namens "Vater und Sohn" in der "Berliner Illustrierten Zeitung" veröffentlichte (bis 1937), zeichnete Kmoch für "Das Kleine Blatt" ab Oktober 1930 Comicstrips von Tobias Seicherl und seinem Hund Struppi. Der dümmliche Spießbürger Tobias Seicherl war von Kmoch politisch als Mitläufer angelegt, der Sympathien für die Heimwehr, später für Hitler hegte. Der Widerpart zu Seicherl war sein sprechender und mit einer guten Portion Hausverstand ausgestatteter Hund Struppi. Hund wie Herrl sprachen breites Wienerisch. Den Text zeichnete Kmoch in Sprechblasen, was für die damalige Zeit in deutschsprachigen Comicstrips eher selten war. War der Comicstrip anfangs durchaus politisch orientiert, entpolitisierte Kmoch die Geschichten mit dem veränderten politischen Klima nach dem Bürgerkrieg 1934, zumal "Das Kleine Blatt" als Sprachrohr der Regierung fungierte. Jetzt gingen Seicherl und Struppi oft auf Reisen, wodurch Kmoch politische Stellungnahmen vermeiden konnte.

Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich gingen die beiden noch mehr auf Reisen, schließlich wurde der Strip im Juli 1939 eingestellt, nicht zuletzt da Kmoch zur Wehrmacht musste, wo er als Kartenzeichner arbeitete. Nach der Rückkehr aus der englischen Kriegsgefangenschaft zeichnet er den Seicherl von 1958 bis 1961 wieder für einige Wiener Zeitungen, konnte aber an der Erfolg, den die Serie in den 30er Jahren hatte, nicht mehr anschließen.
In die Tradition des Zeitungscomicstrips fallen auch die Comicstrips des Obdachlosen Gustl, die regelmäßig in der Wiener Straßen- beziehungsweise Obdachlosenzeitung "Der Augustin" erscheinen. Gezeichnet werden sie von dem Wiener Cartoonisten und Comic-Zeichner Thomas Kriebaum (Jahrgang 1968). Zum zwanzigjährigen Jubiläum der Zeitung erscheint übrigens der dritte Sammelband mit allen Geschichten von Gustl, dem Obdachlosen, aus den letzten fünf Jahren. Die Geschichten betonen Hausverstand und Menschlichkeit und machen sich über Situationen lustig, in denen diese beiden fehlen. In diesem Sinn ist Gustl durchaus ein sehr politisches Comic. Neben Gustl hat Kriebaum noch andere im Luftschacht-Verlag erschienene Comics gezeichnet, etwa "Leben – Ein Leitfaden" (2010) oder "Kleiner Tod" (2011). Kriebaum wurde vom Bundesministerium mit dem Outstanding Artist Award 2010 im Bereich "Karikatur und Comic" ausgezeichnet.
Wenn in Österreich von Comics die Rede ist, werden fast immer zuerst Karikaturisten wie der Wiener Rudi Klein (Jahrgang 1951) oder der in Leonding geborene Gerhard Haderer (Jahrgang 1951) genannt. Einerseits weil Cartoonisten in Österreich viel bekannter sind als Comic-Zeichner, andererseits weil viele Menschen nicht zwischen Cartoon und Comic unterscheiden. Hier gibt der amerikanische Comic-Zeichner und Theoretiker Scott McCloud eine klare Anleitung. In seinen beiden vor fünfzehn Jahren erschienen Comic-Theoriebänden "Comics richtig lesen" und "Comics neu erfinden", die stimmigerweise selbst als Comic gestaltet sind, schreibt McCloud, dass erst die Abfolge von mindestens zwei Bildern eine erzählerische Sequenz ergibt und folglich ein Comic ist. Ein Bild allein, mit oder ohne Sprechblase, ist kein Comic, sondern ein Cartoon.
Tatsächlich haben viele Cartoonisten auch Comics gezeichnet. Zu nennen ist hier "MOFF. Haderers feines Schundheftl", das Gerhard Haderer 1997 entwickelte und sporadisch veröffentlichte. Seit April 2008 erscheint das kleine Heft am 18. jeden Monats in der "Scherz & Schund Fabrik". In satirischer Weise und mit äußerst spitzer Feder werden aktuelle Themen aus Politik, Religion oder Sport genauso aufs Korn genommen wie ganz normale Alltagssituationen. Das Projekt wird nicht alleine von Haderer bestritten. Mit im Team sind der Zeichner und Karikaturist Oliver Ottitsch (Jahrgang 1983), die Journalistin und Moderatorin Eva Deutsch und der Journalist, Radiomoderator und Musiker David Pfister.
Der gegenwärtig mit Abstand bekannteste Comic-Zeichner Österreichs ist mit seinem reduzierten Stil, der sehr an Cartoons erinnert, vielleicht das Bindeglied zwischen Cartoons und Comics, wobei seine Werke ganz klar der Comic-Seite zuzurechnen sind. Die Rede ist von Nicolas Mahler (Jahrgang 1969). Der Wiener hat bereits zahlreiche Preise gewonnen, darunter drei Mal hintereinander den begehrten deutschen Max-und-Moritz-Preis: 2006 mit "Das Unbehagen" für den besten deutschsprachigen Comic, 2008 mit "Flaschko – Der Mann in der Heizdecke" für den besten Comic-Strip und 2010 in der Kategorie bester deutschsprachiger Comic-Künstler. Der Max-und-Moritz-Preis wird alle zwei Jahre im Rahmen des Comic-Salons in Erlangen verliehen. Mahler hat auch mehrere Werke der Literatur als Comic adaptiert, wie Thomas Bernhards Roman "Alte Meister" und Robert Musils Werk "Der Mann ohne Eigenschaften". Zudem veröffentlichte er "Alice in Sussex", das auf Lewis Carrolls Buch "Alice im Wunderland" fußt. Andere Arbeiten sind absurde, witzige Geschichten, bei denen schon die Titel aufhorchen lassen und neugierig machen: "Kunsttheorie versus Frau Goldgruber", "Die Zumutungen der Moderne", "Pornographie und Selbstmord" sowie "Franz Kafkas Nonstop Lachmaschine".
Neben dem satirischen und witzigen Element gibt es zahlreiche Comiczeichner, die sich – mit mehr oder weniger Humor versehen – auf das Erzählen von Geschichten verlegt haben. Ein "Urgestein" der österreichischen Comic-Szene ist der in Innsbruck geborene und in Wien lebende Ronnie Putzker (Jahrgang 1962), der schon mit zehn Jahren seine ersten Comics zeichnete. Sein erster Comic-Band war der in Schwarzweiß gehaltene "Inspektor Burnadz", der 1985 erschien und mit dem er den Durchbruch schaffte. Ein zweiter Burnadz-Band folgte 1987. Im deutschen Verlag comicplus+ veröffentlichte er die zwischen 1986 und 1989 entstandene und farbig produzierte Trilogie "Aglaya". Der Text stammte aus der Feder von Erich L. Nussbaumer, mit dem Putzker zusammenarbeitete. Die "Aglaya"-Alben erschienen zudem in Frankreich, Holland und Dänemark. Erwähnenswert ist auch der Politthriller "Anna Stein", der in den 1990er Jahren ebenfalls in drei Bänden veröffentlicht und auch in Italien publiziert wurde. Der Text dazu stammt von Kurt-Ostbahn-Texter Günter Brödl. Weitere Werke sind die im SM-Umfeld angesiedelte Comicserie "Dämonia" sowie sein bisher letztes Werk "Cyberdise" aus dem Jahr 2008. Heute arbeitet Putzker wieder verstärkt als Fotograf, einerseits im Bereich Werbung andererseits hat er einige Bildbände zum Thema Fetisch und BDSM veröffentlicht.
Eines fällt in der österreichischen Comic-Szene auf: Es sind vor allem Männer, die sich hier entweder als Texter oder Zeichner hervortun. Frauen sind in diesem Metier selten anzutreffen. Eine Ausnahme ist Ulli Lust (Jahrgang 1967). Die Wienerin lebt und arbeitet heute in Berlin, wo sie mit Anfang 30 an der Kunsthochschule Berlin Grafikdesign studierte und ihre Karriere als Comic-Zeichnerin startete. In den 1990er Jahren arbeitete sie jedoch schon als Kinderbuchillustratorin. Seit 2013 unterrichtet sie Illustrative Gestaltung und Comic an der Hochschule Hannover. Ulli Lust ist äußerst vielseitig und hat ein sehr großes Oeuvre an Comic-Werken geschaffen. Zu erwähnen ist die Comic-Reportage "Fashionvictims, Trendverächter" (avant-verlag) und die erotisch-mythologischen Comics "Airpussy" und "L employé du moi". 2010 erhielt sie für die 460 Seiten (!) starke Comic-Erzählung "Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens" (avant-verlag) den Max-und-Moritz-Publikumspreis. Dieses Werk wurde auch ins Französische und Englische übersetzt und 2011 mit dem Prix révélation des Festival International de la Bande Dessinée dAngoulême und 2013 mit dem Ignatz Award (USA) und 2014 mit dem Los Angeles Times Book Award ausgezeichnet. 2014 wurde sie mit dem Max-und-Moritz-Preis als beste deutschsprachige Comic-Künstlerin ausgezeichnet. 2013 erschien der ebenfalls vielbeachtete Band "Flughunde", eine Comic-Adaption des gleichnamigen Romans von Marcel Beyer.
Die Comic-Szene in Österreich ist lebendiger denn je zuvor. Es gibt viele interessante Comic-Künstler wie Leopold Maurer (1969), Michaela Konrad (Jahrgang 1972), Walter Fro¨hlich (Jahrgang 1967), Jo¨rg Vogeltanz (Jahrgang 1968), Thomas Aigelsreiter (Jahrgang 1972) und Andi Paar (Jahrgang 1986), um nur einen Bruchteil zu nennen. Die letzten vier genannten sind Mitarbeiter an einem neuen und erfolgreichen o¨sterreichischen Crowdfunding Comic Projekt: Austrian Superheroes oder kurz ASH.
Am zweiten Mittwoch jeden Monats traf und trifft sich die heimische Comic-Szene im Wiener Café Rüdigerhof am Tisch 14 zu einem Jour Fixe. Seit 2012 erscheint auch ein schwarzweiß gehaltenes Comic-Bändchen namens "Tisch 14", das immer einem speziellen Schwerpunkt gewidmet ist. Im Frühling 2015 war das Thema "Donau" und einer der Anwesenden war Harald Havas, Journalist, Schriftsteller, Vortragender und Comic-Texter. So entstand eine kurze Geschichte um das "Donauweibchen", eine Figur aus den Austrian Superheroes, dies wiederum eine Idee, mit der Havas seit 2014 schwanger ging. Letztlich entschloss sich ein Team um Havas, das Projekt der Austrian Superheroes per Crowdfunding umzusetzen. "Wir wollten 6000 Euro für die Druckkosten und bekamen schließlich über 12.000 Euro", erzählt Havas. ASH war von Anfang an auf vier Bände zu je 32 Seiten plus vier Seiten Umschlag angelegt. Durch den Erfolg beim Crowdfunding konnte jedoch die anfänglich angepeilte Druckauflage von 2000 Stück pro Heft stark angehoben werden. ASH wird von einer variierenden Gruppe von Comic-Künstlern gezeichnet, darunter Thomas Aigelsreiter, Andi Paar, Lenny Grosskopf, Jörg Vogeltanz und andere. Harald Havas selbst versteht sich als "Szenarist" des Comic. Umgelegt auf das Film-Business entspräche das dem Drehbuchautor und Regisseur in einer Person, erklärt der Mastermind hinter ASH. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass es pro Heft Alternativ-Cover gibt, die von namhaften Comic-Zeichnern umgesetzt wurden, wie Nicolas Mahler, Ronnie Putzker, Sarah Burrini, David Boller und sogar Marvel- und DC-Zeichner Mahmud Asra.
Die ersten drei Hefte sind bereits erschienen, das vierte erscheint diesen Oktober. Das Vorbild von ASH seien ganz klar die Comics der US-Verlage Marvel und DC. Allerdings habe man sich für hochwertige Aufmachung und hochwertigen Druck entschieden, was dem Geschmack des heimischen Publikums besser entspricht. Eine gute Entscheidung, wie der große Erfolg von ASH zeigt, der auch Havas etwas überrascht hat. Er hatte damit gerechnet, dass heute über Vierzigjährige, die früher Comics gelesen hätten, zu den Käufern zählten, sowie Leute, die an kurios-österreichischen Geschichten Gefallen fänden und auch Jugendliche "mit wenig Berührungsängsten". Diese Gruppen zählen auch alle zu den Lesern, so Havas. Hinzu käme aber auch eine Gruppe, mit denen Havas überhaupt nicht gerechnet hat, nämlich die echten Comic- und Superhelden-Fans, was Havas aber umso mehr freut. ASH verkauft sich nicht nur in Österreich, sondern ist auch in Deutschland beliebt. Wie es mit den Austrian Superheroes weitergeht, wird hier nicht verraten, sondern steht im demnächst erscheinenden Band.
Wer mehr über die Inhalte der hier vorgestellten und auch anderer österreichischer Comic-Werke wissen will, der sollte sie schon selber lesen. Es zahlt sich aus!