Sie sind ein vielbemühtes Klischee, die Waffen der Frauen: Augenaufschlag, Hüftschwung, üppiges Dekolleté, sagen die, nun ja, Altmodischen. Einfühlungsvermögen, soziale Kompetenz und Kommunikationsgeschick nennen es die Management-Jargonauten. Dabei kann es so einfach sein. Das weiß zumindest Daisy Duck. Die verwendet nur eine einzige Waffe der Frau. Und zwar ihre Handtasche. Sie nutzt sie ausgiebig als Schlag- und Wurfwaffe. Meistens trifft sie damit, wen sonst, Donald Duck.

Dieser Tage jährte sich der erste Auftritt der aufbrausenden Entin zum 80. Mal. Also, fast. Sie sah damals noch anders aus und hatte einen anderen Namen. War also eventuell überhaupt eine ganz andere Ente. Als Donna mochte Daisy auch Donalds Auto noch, eine Beziehung, die sich bei späteren Gelegenheiten ("Sprotz") noch gewaltig verschlechtern sollte. In ihrer heute bekannten Form mit der knautschigen Masche im Haar und mit ihrem lieblichen Namen Daisy ist sie erstmals in einem nie verwirklichten Filmscript von Carl Barks aus 1938 anzutreffen. Der Öffentlichkeit tatsächlich vorgestellt wurde sie erst in einem Kurzfilm von 1940.

Pech nimmt sie persönlich
Nun ist Daisy Duck aber ohnehin keine Frau, die man auf ihren 80. Geburtstag ansprechen will. Weil: Handtasche. Allerdings hat man kaum je einer Entendame das Greisenalter weniger angesehen. Das findet auch Donald, der die Bemaschte auch nach 80 Jahren unvermindert anhimmelt. Der glücklose Erpel ist mit der Entendame seit Jahrzehnten in eine rätselhafte Liebschaft verstrickt. Denn dass dieser Verbindung auch ein gerüttelt Maß an Masochismus innewohnt, ist mehr als augenscheinlich. Es ist praktisch noch niemals vorgekommen, dass Donald seiner Angeschmachteten etwas recht gemacht hat. Er ist nun einmal eher ungeschickt, dazu auch ein wenig faul und hat zu allem Überfluss das ganze Pech der Welt. Frauen schätzen so etwas nicht. Sie tendieren sogar dazu, das persönlich zu nehmen. Und dann: Handtasche.
Dabei ist Donald Duck mit all seinen Defiziten doch wenigstens ein Romantiker, wie ihn sich schwärmerische Backfische ersehnen. Es wird ihm zum Beispiel im Frühling ganz gefühlsduselig ums Herz, und dann fließt es ihm aus der Feder: "Komm, holder Lenz, und gieße das Füllhorn deiner Lust auf diese Blumenwiese dem Dichter in die Brust!" Im Stabreim schwärmt er dann schwelgerisch von seiner Daisy: "Gazellengleich gleitest du durch grünende Gefilde." Weil aber Daisy in den meisten Geschichten eben genau so ein überwuzelter schwärmerischer Backfisch ist, kann sie so etwas gar nicht nachhaltig ästimieren. Und schaut schon ganz ungehalten beim An-der-Rose-Schnüffeln, wenn es vor der Leerung des Picknickkorbs aus geschwellter Dichterbrust heißt: "Bevor wir speisen, ein Gedicht, wenn du gestattest."
Denn Daisy ist ein ewiges, hormonell noch eher instabiles Jungmädchen mit einem Launenspektrum von Scheibbs bis Nebraska. In einem Moment flötet sie flirtend mit eingerolltem Schnabel und klimpert mit den Wimpern. Im nächsten Augenblick schwingt sie rachedürstend das Nudelholz. Dazwischen liegt meist eine - zugegeben zuverlässig zu erwartende - Fehlleistung von Donald.
Nie mit Zunge
Picknicken auf der Entenhausener Heide ist übrigens so ziemlich das Intimste, was sich dieses Paar seit Jahrzehnten leistet. Ja, es wird diskret geschnäbelt, aber immer ohne Zunge. Ernst ist es noch nie geworden, und das, obwohl bei beiden Wasservögeln keinerlei störendes Beinkleid die Anbahnung erschweren würde. Es gibt in der Sekundärliteratur (bei Grobian Gans: "Die Ducks - Psychogramm einer Sippe") die verwegene Theorie, dass diese erotische Zurückhaltung anatomische Gründe haben könnte. Also, um eine flapsige Metapher zu bemühen, dass Donald an einem schlaffen Bürzel laboriere.
Das ist schon sehr gewagt. Zumal man sich in Entenhausen in einer Welt befindet, in der Geschlechtsmerkmale auf dem Kopf zu suchen sind: Dass ausgerechnet eine kunstvoll drapierte Masche die Frauen von Ente bis Maus kennzeichnet, mag schon als Hinweis auf ihre komplexeren Wesenszüge gelten.
Carl Barks selbst hat dazu einmal gesagt: "Die Enten haben sich für andere Dinge interessiert." Es könnte auch, rein pragmatisch gesehen, daran liegen, dass Daisy schlicht viel zu anstrengend für eine dauerhafte Beziehung ist. Donald ist ohnehin schon mit einem anspruchsvollen Verwandten-Arsenal vom übellaunigen Fantastilliardär-Onkel bis zu den fieselschweifigen Schlaumeier-Neffen bestückt, kein Wunder, dass er die rosaschleifige Xanthippe auf Abstand hält. Und so ein Erpelkopf ist ja auch nicht aus Beton, da muss man sich die Schläge schon einteilen.
Bevorzugt Muskelschmalz
Man muss es schon ganz ehrlich sagen: Daisy Duck ist nun wirklich keine sehr spannende Figur. Auf einer Skala von 1 (megaöd wie Minnie Maus) bis 10 (superfabulös wie Gundel Gaukeley) erreicht Daisy wohl eine solide 6. Sie wird am interessantesten, wenn ein weiterer Protagonist die Bühne der Buhlerei betritt: Gustav Gans. Der pomadeglänzende Vetter von Donald, der immer jenen siegreichen Lottoschein auf der Straße findet, den Donald so dringend brauchen würde, der seinerseits aber nur einen Amboss auf der Straße findet. Und zwar von oben.