Obwohl der Topolino, das Auto, über den Zweiten Weltkrieg hinaus Bestand hatte, war Goebbels letztlich doch stärker. Er schaffte es, die Topolino-Comics und -Filme in Italien abzuschaffen, und auch in Deutschland wurde der Mäuserich schließlich verboten. In Amerika war die Popularität des pfiffigen kleinen Mickey in den Dreißigern ebenfalls abgeebbt, und der Chef versuchte den ganz großen Wurf, um sein Firmen-Logo wieder ganz oben zu etablieren. Er produzierte den pompösen Musik-Trickfilm "Fantasia" (1940). Hier muss man nun wissen, dass der Chef aus Mis-souri stammte, einem der US-Teilstaaten mit der höchsten Rate an Zuwanderern aus Deutschland.

In Missouri hatte deutsche Kultur noch einen guten Namen. "Der Zauberlehrling" war und ist die vielleicht populärste Goethe-Ballade, jedenfalls die einzige, die man auch in Amerika kennt und kannte. Nicht zuletzt dank der Vertonung durch den französischen Komponisten Paul Dukas, dessen bekannteste Komposition gerade dieses Orchesterstück ist. Hört man es ohne den Film, erinnert es ein wenig an Ravels "Bolero". Für einen Film hätte sich allerdings - spätestens in der Neuauflage von "Fantasia" im Jahr 2000 - wirklich "Bolero" besser geeignet, vielleicht in einer Moog-Fassung von Wendy Carlos?

Jedenfalls blieb Mickey damals wieder mal der ganz große Durchbruch versagt, und "Fantasia" lebt heute nur noch wegen seines umwerfenden Tanzes der Nilpferde. Da tanzte der Mäuserich aber nicht mit. Mickey spielte in der Folge in Amerika eine Nebenrolle, in einem Zeitungs-Strip. Fünfundvierig Jahre lang, von seinem 25. Geburtstag am 5. Mai 1930, bis 1975, als er krankheitsbedingt aufhören musste, zeichnete ein gewisser Floyd Gottfredson die langen, komplizierten, involvierten Abenteuer des Mäuserichs, jeweils in täglichen Bilderstreifen, sogenannten Comic-Strips. Die Leser mussten die einzelnen Teile über Wochen hinweg mitverfolgen und die Geschichten im Kopf behalten.

Als das Fernsehen kam, war Schluss mit solchen Gedächtnisleistungen, und die Strips schrumpften zu Eintags-Gags zusammen. Übrigens plagte der arme Floyd sich nicht gerade wenig bei der Arbeit. Als Jugendlicher hatte er sich den rechten Arm verletzt. Beim Zeichnen konnte er zeitlebens keine kleinen Handbewegungen mehr machen, er musste stets den ganzen Arm bewegen. So war Floyd zwar hausintern der Chef der Mickey Mouse-Geschichten, aber was die Öffentlichkeit betraf, erging es ihm ähnlich wie dem bedeutendsten "Duck Man", Carl Barks, der viele der besten Donald-Duck-Abenteuer schrieb und zeichnete. Sein Name wurde nie genannt. Das Publikum dachte, der Künstler hieße "Walt Disney".

Ohne die Italiener hätte Mickey vielleicht immer weiter nur ein Schattendasein geführt, aber in Italien erschien schon 1949 gleich wieder das erste Topolino-Heft, 100 Seiten dick, und regelmäßig jeden Monat. Und in Italien gab es nicht nur die großen Maler der Renaissance, es gab auch eine talentierte junge Generation von Comic-Zeichnern, allen voran einen Mann namens Romano Scarpa. Der konnte nicht nur alle Tricks, die Gottfredson drauf hatte, er verpasste Mickey und Minnie auch noch ein ganz eigenes italienisches Flair. Wenn die beiden abends ausgingen, stand sicher noch mehr als nur ein Theaterbesuch auf dem Programm. . .