Eine von Lily Renées Comic-Kreationen.
Eine von Lily Renées Comic-Kreationen.

Eine Kunstromanze fern der alten Heimat, von nur zehn Jahren Dauer: 1943 heiratet in New York der Cartoonist Eric Peters, 44, eine halb so alte Mode- und Comic-Zeichnerin. Lilly Renée Wilheim stammte wie ihr Mann aus Wien. Beide waren am gleichen Tag geboren, einem 12. Mai. Beide waren nach dem "Anschluss" geflohen. Erich, der damals noch Gold hieß, kam über die Schweiz, nach einem Zwischenstopp im Gefängnis von Feldkirch, und entkam auf dem italienischen Luxusdampfer "Rex" nach New York.

"Kindertransport"

Lilly wurde kurz vor ihrem 19. Geburtstag mit dem von den Nazis ein Jahr lang geduldeten "Kindertransport" nach England evakuiert, und landete nach Abenteuern als Dienstmädchen in Leeds in den Armen ihrer Eltern auf einem Pier in Manhattan. An Erics Seite entfaltete Lilly ihr zeichnerisches Talent weiter. Bis 1949 arbeitete sie im berühmten Comic-Book-Verlag "Fiction House". Ihre Titel wie "The Werewolf Hunter", "Jane Martin", "Lost World" und "Señorita Rio" sind begehrt bei Sammlern und wurden nachgedruckt. Auf der weltgrößten Comic-Messe, alljährlich in San Diego, wurde "Lily Renée", so ihr Künstlername, längst in die Hall of Fame aufgenommen.

1953 ging die Künstlerehe in die Brüche. Erich/Eric heiratete eine vertriebene Österreicherin, eine Witwe, genannt "Pepi", zog mit ihr 1970 nach Wien in die Schleifmühlgasse, verkaufte sein Archiv 1974 der Nationalbibliothek und starb, noch immer US-Bürger, 1979 im Wiener Krankenhaus "Göttlicher Heiland".

Auch Lilly fand einen Partner außerhalb der Kunstszene: den - so bezeichnete ihn ein Nachruf in der "New York Times" - "in vielen Kämpfen um Shareholder-Rechte engagierten Finanzmann" Randolph G. Phillips. Der verschied 1982.

Lilly R. Phillips aber lebt, nun 96 Jahre alt, an der 72. Straße zwischen Madison und Park Avenue in New York. Nur drei Blocks vom Österreichischen Generalkonsulat entfernt. Der Doorman in Uniform steuert die Kabine von seinem Kommandopult aus in den siebenten Stock. Eine einzige Wohnungstür, wie vor einem Privatlift. Eine großgewachsene Dame mit fester Stimme und gen Himmel fliehenden Haaren empfängt. Ihre einzige Mühsal: Sie sieht schlecht.

Mila, die mollige Latina, angezogen wie am Sprung in eine Disco, wird nur gerufen, wenn Bücher, Alben, Mappen mit Zeichnungen zu suchen sind. Der Autolärm unterkriecht auch hier, in teurer Lage, die alten einfachen Fenster. Geborgenheit, Cocooning im hohen Alter? Nein, Widerstand.