Doch in Syrien hielt es Mohammed nicht mehr aus. "Das Leben wurde immer schlimmer, Scharfschützen und Entführungen dominierten unseren Alltag." Inzwischen hat der Bürgerkrieg dort, der vor fast acht Jahren begann, Hunderttausende das Leben gekostet und Millionen aus ihrem Zuhause vertrieben. Die Musik von Fayruz, der berühmten libanesischen Sängerin, erinnere ihn an Damaskus, sagt Mohammed wehmütig. "In Syrien hörten wir ihre Songs am Morgen überall: im Bus, im Kaffeehaus, sogar in den Schulen." Der Name seines Cafés impliziert also nicht nur, dass hier Frauen anwesend sind. Er ist auch ein Stück Heimat für Mohammed Abdul Ameer.

Das seit drei Monaten existierende Fayruz-Café hat zu einer Zeit eröffnet, da sich der Irak im Umbruch befindet. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt, knapp über die Hälfte sind Frauen. Die vielen Kriege haben die Männer dezimiert. Als nun auch noch die Dschihadisten über das Land herfielen und wieder einmal die Männer in den Krieg zogen, blieben die Frauen zurück und machten die Arbeit zuhause.

Vor allem Basra und der Süden Iraks hat die meisten Kämpfer für die sogenannte Volksmobilisierungsfront - ein Zusammenschluss von Schiitenmilizen - in den Kampf gegen die sunnitische Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Nordirak geschickt. Und viele sind in Särgen zurückgekommen. Diejenigen, die jetzt lebend von der Front zurückkehren, finden ein verändertes Gesellschaftsbild vor. Zum einen haben die Jugendlichen es satt, von religiösen Motiven dominiert zu werden, während ihre Väter in den Dschihad zogen, um die religiösen Stätten zu verteidigen, so die offizielle Lesart.

Neues Selbstbewusstsein

Der islamische Fundamentalismus, sowohl sunnitisch als auch schiitisch, verfängt bei den jungen Leuten nicht mehr. Die Konfrontation zwischen den beiden Religionen ist für sie passé. Zum anderen sind die Frauen durch die Abwesenheit der Männer selbstbewusster geworden und lassen sich ungern die Butter vom Brot nehmen, sprich aus den Positionen drängen, die sie in den letzten Jahren des Kalifats und davor unter Al Kaida eingenommen haben. Sichtbare Folge: Im Straßenbild von Basra findet man immer mehr bunt gekleidete Frauen, obwohl die Mehrheit noch immer Schleier oder Kopftuch trägt. In Bagdad dagegen legen immer mehr Hauptstädterinnen ihren Schleier ab. Ganz bewusst und aus voller Überzeugung.

Im Internet war die 22-jährige Irakerin ein Star und wurde zu einer bedeutenden Influencerin, einer Trendsetterin. Auf Instagram und YouTube präsentierte die frühere Schönheitskönigin Tara Fares gewagte Outfits - und oft nicht minder mutige Meinungen. Sie provozierte mit Tattoos auf den Armen ebenso wie mit ihrem Einsatz für eine offene Gesellschaft. "Anders als so viele andere mache ich nichts im Verborgenen", schrieb sie in einem Post. Rückblickend wirkt das fast wie eine unheilvolle Verheißung: Ende September 2018 wurde die junge Frau am Steuer ihres weißen Porsches in Bagdad erschossen. Die Tat wurde sogar von einer Überwachungskamera eingefangen: Ein Mann lehnte sich kurz zu ihr in das Auto, schoss und entkam dann gemeinsam mit einem Komplizen auf einem Motorrad. Nur wenige Tage zuvor wurde in Basra eine bekannte Aktivistin, Suad al-Ali, getötet, die bei den Jugendprotesten im Sommer ihre Stimme erhob und korrupte Politiker religiöser Parteien anklagte. Wenige Wochen zuvor waren zwei Frauen, die sich in Bagdad als Beauty-Expertinnen einen Namen gemacht hatten, unter dubiosen Umständen ums Leben gekommen.