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"Ich bin eine Quotenfrau"

Von Martyna Czarnowska und Alexander Dworzak

Frauentag

Sorgt ein verpflichtender Frauenanteil für mehr Geschlechtergerechtigkeit? Die Frage löst in Europa Debatten aus - nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik.


Berlin/Wien. In Deutschland kann eine Frau Kanzlerin werden, aber nicht Vorstandsvorsitzende. Zu diesem Fazit gelangte die deutsch-schwedische Allbright Stiftung im Mai des Vorjahres. Und auch wenn die Zahl der Frauen in den deutschen Chefetagen der börsennotierten Firmen insgesamt steigt, auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel für Geschlechterparität in Politik und Wirtschaft plädiert, auch wenn ein Bundesland Parteien dazu verpflichtet, auf ihren Listen Männer und Frauen abwechselnd aufzustellen - der Wandel hin zu mehr weiblicher Teilhabe vollzieht sich nur langsam.

Für Deutschland zieht die Allbright Stiftung in einem Vergleich mit fünf anderen Industrieländern eine ernüchternde Bilanz. Der Frauenanteil in den Vorständen der großen Börsenunternehmen sei in den USA doppelt so hoch wie in Deutschland, wo er bei 12,1 Prozent liege. Auch in Polen gebe es mehr weibliche Vorstandsmitglieder. Und nur in Deutschland erreiche kein einziges Großunternehmen in diesen Gremien einen Frauenanteil von 30 Prozent. In Schweden hingegen ist es jedes dritte, in Polen jedes fünfte und in Frankreich jedes zehnte.

Mehr Peters als Frauen

In manchen Ländern scheinen damit Frauen in Spitzenpositionen noch immer eine Herausforderung für die Firmen zu sein. "Unterschiedliche Studien zeigen, dass in Unternehmen sehr klare Vorstellungen herrschen, was Mann oder Frau tun muss, um als gute Führungskraft durchzugehen. Wenn Frauen so gut sind wie Männer, gelten sie oft als unweiblich. Wenn sie die Dinge anders machen, gelten sie oft als unprofessionell", erklärte Edeltraud Hanappi-Egger, Rektorin an der Wirtschaftsuniversität Wien, in einem Interview mit der "Wiener Zeitung". Sie kommentierte damit die Diskrepanz zwischen der steigenden Zahl von Studienabschlüssen durch Frauen und dem weiblichen Anteil bei Vorstandsposten, der in Österreich gerade einmal fünf Prozent ausmacht.

In den Vorstandsetagen der ATX-Unternehmen gebe es im Übrigen mehr Männer, die Peter heißen, als Frauen. Darauf wies vor kurzem die Arbeiterkammer hin. Demnach sei das Verhältnis sieben zu vier.

Ob und wie Frauenquoten für mehr Geschlechtergerechtigkeit sorgen können, ist quer durch Europa Gegenstand der Debatten nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik. Doch trotz der Versuche, EU-weit mehr Ausgewogenheit zu schaffen, dreht sich die politische Diskussion nicht um das EU-Parlament, sondern um die jeweiligen nationalen Abgeordnetenkammern.

Freiwillig mit Tradition

In zehn der 28 Unionsländer bestehen gesetzliche Regelungen zur Geschlechterparität: in Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Kroatien, Polen, Portugal, Slowenien und Spanien. Was jedoch nicht bedeutet, dass Frauen dort die Hälfte der Abgeordneten stellen. So sind es in Kroatien lediglich ein Fünftel, obwohl ein bereits 2008 verabschiedetes Gesetz besagt, dass "ein Geschlecht wesentlich unterrepräsentiert ist, wenn es weniger als 40 Prozent der Vertreter in politischen und öffentlichen Entscheidungsgremien ausmacht". Auf der anderen Seite gibt es in keinem EU-Land so viele Parlamentarierinnen wie in Schweden, nämlich 46 Prozent - und das ohne Gesetzesregelung, sondern basierend auf freiwilligen Quoten. Diese haben dort freilich seit langem Tradition.

In Österreich war es 1985 die SPÖ, die als erste der nun im Nationalrat vertretenen Parteien eine Frauenquote beschloss. In der vergangenen Legislaturperiode unterschritt sie mit 33 Prozent das eigene 40-Prozent-Ziel deutlich, derzeit sind es 48 Prozent. Geschlechterparität erreichen momentan einzig die Neos. Die wenigsten Frauen im Nationalrat stellen die Freiheitlichen (24 Prozent), die dadurch den Durchschnitt des Hauses auf 37 Prozent drücken.

Gesetzliche Parität

Noch weniger Frauen sind im Deutschen Bundestag vertreten, bedingt durch den Einzug der rechtspopulistischen AfD und der liberalen FDP. In Berlin gilt wie in Wien keine Quotenregelung. Gegner eines entsprechenden Gesetzes meinen, dieses kollidiere mit dem Anti-Diskriminierungsgesetz und mit dem Recht auf Gleichbehandlung, greife in die Wahl- und Parteienfreiheit ein.

Auf Ebene der Bundesländer schert jedoch Brandenburg mit dem sogenannten Paritätsgesetz aus: Ende Jänner beschloss die Regierung aus SPD und Linkspartei mit Unterstützung der oppositionellen Grünen, dass Wahllisten gleichermaßen von Frauen und Männern besetzt sein müssen. Von der Regelung unberührt bleiben die Aufstellung von Direktkandidaten in den Wahlkreisen sowie - noch zu gründende - Männer- oder Frauenparteien. Wer sich nicht mit dem Gesetz anfreunden kann, muss dies trotzdem bis 2022 tun. Dann tritt die Novelle in Kraft.

Rückenwind erhält dieses als links geltende Thema durch eine Konservative. CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer will, dass der selbst gesetzte - aber unverbindliche - Frauenanteil von 30 Prozent im Bundestag eingehalten und später auf 50 Prozent erhöht wird. Sie habe viel zu oft das Vorurteil gehört, dass wegen irgendwelcher Quoten Frauen auch ohne Qualifikation vorankämen, sagt Kramp-Karrenbauer. Dem setzt sie entgegen: "Ich bin eine Quotenfrau."