Berlin/Wien. In Deutschland kann eine Frau Kanzlerin werden, aber nicht Vorstandsvorsitzende. Zu diesem Fazit gelangte die deutsch-schwedische Allbright Stiftung im Mai des Vorjahres. Und auch wenn die Zahl der Frauen in den deutschen Chefetagen der börsennotierten Firmen insgesamt steigt, auch wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel für Geschlechterparität in Politik und Wirtschaft plädiert, auch wenn ein Bundesland Parteien dazu verpflichtet, auf ihren Listen Männer und Frauen abwechselnd aufzustellen - der Wandel hin zu mehr weiblicher Teilhabe vollzieht sich nur langsam.
Für Deutschland zieht die Allbright Stiftung in einem Vergleich mit fünf anderen Industrieländern eine ernüchternde Bilanz. Der Frauenanteil in den Vorständen der großen Börsenunternehmen sei in den USA doppelt so hoch wie in Deutschland, wo er bei 12,1 Prozent liege. Auch in Polen gebe es mehr weibliche Vorstandsmitglieder. Und nur in Deutschland erreiche kein einziges Großunternehmen in diesen Gremien einen Frauenanteil von 30 Prozent. In Schweden hingegen ist es jedes dritte, in Polen jedes fünfte und in Frankreich jedes zehnte.
Mehr Peters als Frauen
In manchen Ländern scheinen damit Frauen in Spitzenpositionen noch immer eine Herausforderung für die Firmen zu sein. "Unterschiedliche Studien zeigen, dass in Unternehmen sehr klare Vorstellungen herrschen, was Mann oder Frau tun muss, um als gute Führungskraft durchzugehen. Wenn Frauen so gut sind wie Männer, gelten sie oft als unweiblich. Wenn sie die Dinge anders machen, gelten sie oft als unprofessionell", erklärte Edeltraud Hanappi-Egger, Rektorin an der Wirtschaftsuniversität Wien, in einem Interview mit der "Wiener Zeitung". Sie kommentierte damit die Diskrepanz zwischen der steigenden Zahl von Studienabschlüssen durch Frauen und dem weiblichen Anteil bei Vorstandsposten, der in Österreich gerade einmal fünf Prozent ausmacht.
In den Vorstandsetagen der ATX-Unternehmen gebe es im Übrigen mehr Männer, die Peter heißen, als Frauen. Darauf wies vor kurzem die Arbeiterkammer hin. Demnach sei das Verhältnis sieben zu vier.
Ob und wie Frauenquoten für mehr Geschlechtergerechtigkeit sorgen können, ist quer durch Europa Gegenstand der Debatten nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik. Doch trotz der Versuche, EU-weit mehr Ausgewogenheit zu schaffen, dreht sich die politische Diskussion nicht um das EU-Parlament, sondern um die jeweiligen nationalen Abgeordnetenkammern.
Freiwillig mit Tradition
In zehn der 28 Unionsländer bestehen gesetzliche Regelungen zur Geschlechterparität: in Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Kroatien, Polen, Portugal, Slowenien und Spanien. Was jedoch nicht bedeutet, dass Frauen dort die Hälfte der Abgeordneten stellen. So sind es in Kroatien lediglich ein Fünftel, obwohl ein bereits 2008 verabschiedetes Gesetz besagt, dass "ein Geschlecht wesentlich unterrepräsentiert ist, wenn es weniger als 40 Prozent der Vertreter in politischen und öffentlichen Entscheidungsgremien ausmacht". Auf der anderen Seite gibt es in keinem EU-Land so viele Parlamentarierinnen wie in Schweden, nämlich 46 Prozent - und das ohne Gesetzesregelung, sondern basierend auf freiwilligen Quoten. Diese haben dort freilich seit langem Tradition.