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Ein kurzes Glück

Von Simon Rosner

Ein türkis-blauer Postenschacher ist für U-Ausschuss-Verfahrensrichter Pöschl "sehr wahrscheinlich". Über Indizien und Motive eines "Hintergrunddeals".


Am Anfang war ein legerer Satz: "Die Novomatic zahlt alle." Heinz-Christian Strache, damals FPÖ-Chef mit Ambitionen auf ein Regierungsamt, tätigte ihn in fideler Stimmung auf Ibiza und wurde dabei heimlich gefilmt. Es ist aber nicht der einzige Grund, weshalb sich der Ibiza-Untersuchungsausschuss des Themas Glücksspiel annahm. Eineinhalb Jahre nach Straches Reise und während der Regierungsbeteiligung der FPÖ wurde der ehemalige blaue Bezirksrat Peter Sidlo in den Vorstand der Casinos Austria bestellt. Und zwar auf Vorschlag der Novomatic.

Der Glücksspielkonzern aus Gumpoldskirchen ist zwar Konkurrent der Casinos, kaufte sich aber 2015 in das teilstaatliche Unternehmen ein. Und zwar durch Akquise des Anteils der Uniqa-Versicherung. Deren Chef damals: Hartwig Löger. Zwischen 2017 und 2019 war Löger dann Finanzminister und in dieser Funktion in die Vorstandsbestellung der Casinos involviert. Bei Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner fanden Ermittler eine Aktennotiz, gemäß der Löger mit Novomatic-Eigentümer Johann Graf konferiert habe und dieser "irgendeinen Hintergrunddeal mit den Blauen" hätte. Rothensteiners Conclusio: "Daher ist Sidlo ein Muss."

Es ist naheliegend, dass sich für die Vorgänge bei den Casinos nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch das Parlament interessierte. Schon vor neun Jahren hatte sich der Korruptions-U-Ausschuss, aber eher am Rande, mit dem innigen Verhältnis der Politik mit dem Glücksspiel beschäftigt. Diesmal stand das Thema im Zentrum der Aufarbeitung. Die Beweiswürdigung erwies sich allerdings als schwierig, wie Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl feststellte, da sich etliche Auskunftspersonen aufgrund laufender Ermittlungen oft entschlugen.

Dank umfangreicher Chat-Nachrichten und Protokollen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zeichnete sich bei einigen Verdachtsmomenten trotzdem ein recht klares Bild ab, allen voran beim Aspekt der Vorstandsbestellung. Hier fällt Pöschls Wertung auch eindeutig aus. Er fand eine "unabänderliche Willensdurchsetzung auf Regierungsebene", Sidlo in den Vorstand zu hieven, obwohl dieser vom Personalberater eine negative Beurteilung erhalten hatte und auch der tschechische Casag-Miteigentümer Sazka den Blauen Sidlo partout nicht wollte. Für Sazka-Chef Robert Chvátal sei klar gewesen, dass "die Politik zurück in der Casag war", wie er den Ermittlern schilderte.

Umtriebiger Strache legte sich für Sidlo ins Zeug

Die Frage ist: Warum musste es Sidlo sein? Hier ist die Antwort nicht mehr so eindeutig, aber Pöschl kommt zum Schluss: "Es gab sehr wahrscheinlich einen ,Hintergrunddeal‘." Wie dieser aussah, lässt sich aus Sicht des Verfahrensrichters nicht genau feststellen, er nähert sich aber in dem Bericht einer Antwort.

Strache sei jedenfalls ein wesentlicher Faktor gewesen, so Pöschl, obwohl der Vizekanzler und FPÖ-Chef formal gar keine Zuständigkeit hatte. In Straches Handy fanden sich zahlreiche Nachrichten an diverse Entscheidungsträger mit Interventionen für Sidlo. So schrieb Strache an Novomatic-Manager Harald Neumann, nachdem er vom Widerstand Sazkas unterrichtet wurde: "Bezüglich Sidlo kann ich mich auf dein Wort verlassen und ist alles auf Schiene?"

Wie aus dem Bericht hervorgeht, war eine erhebliche Kraftanstrengung nötig, den in Sachen Glücksspiel völlig unerfahrenen Sidlo zum Vorstand zu machen. So ließ etwa Aufsichtsratschef Rothensteiner, der anfangs Sidlo noch selbst verhindern wollte, wenngleich er darin nicht sehr wehrhaft war, extra ein Gutachten anfertigen, um nicht die komplette (und negative) Einschätzung des Personalberaters über Sidlo dem gesamten Aufsichtsrat vorlegen zu müssen.

Auch Löger sowie der spätere Öbag-Vorstand Thomas Schmid, zu jener Zeit Generalsekretär im Finanzministerium, nahmen massiv Einfluss, wobei dieser Einfluss "sachfremd" und nur "politischer Natur" gewesen sei, folgert Pöschl. Löger verteidigte im U-Ausschuss sein Engagement damit, dass es ihm darum gegangen war, die Konflikte der Casag-Aktionäre zu moderieren. Dieses Argument sieht Pöschl aber als "nicht hilfreich", da "gerade die Person Sidlo von Sazka abgelehnt wurde und nachweislich zu Differenzen führte", heißt es.

ÖVP und FPÖ verhandelten um Posten

Dass Schmid nur einen Tag nach Sidlo bei den Casinos als Alleinvorstand der Staatsholding Öbag bestellt wurde, wertet der Verfahrensrichter als eines von mehreren Indizien, dass die beiden Vorstandsposten verschränkt gewesen sind und zumindest Teil dieses "Hintergrunddeals" waren. Auch der zu jener Zeit scheidende Casinos-Generaldirektor Alexander Labak gab vor der WKStA an, dass ihm aus dem Umfeld der Staatsholding zu verstehen gegeben worden sei, dass die beiden Positionen verschränkt seien.

Ursprünglich hatte die FPÖ einen Vorstandsposten bei der neuen Öbag für sich reklamiert. Das ist dokumentiert. Offenkundig setzte die ÖVP aber den Alleinvorstand in der Staatsholding durch. Dass die Blauen im Gegenzug unter anderem einen Vorstand bei den Casinos erhielten, lässt sich auch aus einem dem U-Ausschuss vorliegenden Papier herauslesen, das Thomas Schmid für die ÖVP und ÖBB-Manager Arno Schiefer für die FPÖ verhandelten und das die WKStA sicherstellen konnte. Darin wurden öffentliche "Top-Jobs", wie es darin hieß, verteilt.

Hinweise auf eine "substanzielle Beteiligung" von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) konnte der U-Ausschuss aus Sicht des Verfahrensrichters nicht finden. Pöschl schreibt aber, dass "davon auszugehen" sei, "dass Kurz über alle wesentlichen Vorgänge informiert wurde und diese zumindest stillschweigend gebilligt hat". Im Bericht wird auch auf einen SMS-Chat zwischen Schmid und dem Bürochef von Kurz, Bernhard Bonelli, zum Posten-Papier verwiesen, allerdings erst nach der Bestellung Sidlos. Zu berücksichtigen ist, dass die parlamentarische Aufarbeitung auf Chats aufbaute, die sich auf sichergestellten Handys von Strache, Schmid und Löger befanden, von Kurz, gegen den in dieser Causa nicht ermittelt wird, gibt es keine derartige Kommunikation.

FPÖ war für Novomatic ein Hoffnungsträger

Während der Bericht die Motivlagen der beiden damals regierenden Parteien nachvollziehbar herausarbeitet, ist im Fall von Großaktionär Novomatic (damals 17,19 Prozent Beteiligung) nicht so klar, worin der Vorteil einer "sachfremden" Vorstandsbestellung besteht.

Hier bleibt der Bericht vage. Ein konkreter Deal "konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden", schreibt Pöschl. Strache und die FPÖ seien für die Novomatic aber Hoffnungsträger gewesen, das Glücksspielmonopol aufzubrechen. "Aus dieser Motivation der Novomatic ist nachvollziehbar, dass Neumann dem Wunsch Straches und damit der FPÖ, Sidlo als Vorstandskandidaten zu präsentieren, gerne nachkam", heißt es im Bericht. Wobei die Strategie der Novomatic nur langfristig angelegt sein konnte, da erst wieder 2027 und damit nach dem geplanten Ende der Legislaturperiode eine Neuvergabe von Glückspiellizenzen anstand.

Interessant ist die Bewertung Pöschls, dass sich ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Politik und der Novomatic entwickelte. Der Glücksspielkonzern braucht die Regierung für Gesetzesanpassungen, umgekehrt benötigte die Regierung die Novomatic, um eine mehrheitliche Übernahme der Casinos durch Sazka zu verhindern. Sie war den Tschechen mutmaßlich bereits von der Vorgänger-Regierung versprochen worden. Türkis-Blau wollte das dann nicht mehr. Das Entgegenkommen der Novomatic in Sachen Sidlo festigte das Abhängigkeitsverhältnis. Es ermöglichte der Novomatic, so Pöschl, "Mitsprachemöglichkeiten im Bereich des Glücksspiels und die Aussicht auf eine wunschgemäße Änderung des Glücksspielgesetzes".

Möglichst Einfluss auf die gesetzliche Ausgestaltung des Glücksspiels in Österreich zu erlangen, ist ein lang gehegtes und aus Sicht von Novomatic auch betriebswirtschaftlich logisches Ziel gewesen. Auf dieses geht der Verfahrensrichter in einem eigenen Kapitel ein, das die Vernetzungen und Bestrebungen des Konzerns einerseits, aber auch das schwierige Marktumfeld in Österreich für Novomatic durch das Monopol und eine teilweise sprunghafte Politik andererseits beleuchtet. Dazu kommende Woche mehr.

Im Juni 2020 verkaufte übrigens Novomatic seine Anteile an der Casag an die tschechische Sazka-Group. Die Casinos Austria sind seither mehrheitlich in ausländischem Besitz, was Türkis-Blau verhindern wollte. Sidlo wurde nach nur sechs Monaten als Vorstand vom Aufsichtsrat abberufen. Er klagt nun sämtliche Gehaltsansprüche ein. Es geht um 2,3 Millionen Euro.

Die "Wiener Zeitung" fasst den Bericht des Verfahrensrichters Wolfgang Pöschl zum Ibiza-U-Ausschuss zusammen. Bereits erschienen: die Causa Öbag, Austrian Real Estate GmbH.

wienerzeitung.at/ibiza-ausschuss