- © Karikatur: Rachel Gold
© Karikatur: Rachel Gold

Aus Protest gegen die Angelobung der neuen grün-blau-pink-schwarzen Stadtregierung haben die Sozialdemokraten den Wiener Gemeinderat verlassen. Wir schreiben das Jahr 2020. Dass draußen ein nasskalter, grauer Herbsttag heraufdräut, hat die SPÖ-Redner zuvor noch veranlasst, von einem "schwarzen Tag für unser Wien" zu sprechen, der scheidende Rathauschef Michael Ludwig, der das Amt im Frühjahr 2017 vom legendären Wiener Langzeit-Bürgermeister Michael Häupl übernommen hatte, hat sich nach der Wahl seines Nachfolgers Christoph Chorherr von seinen engsten Mitarbeitern mit den denkwürdigen Worten verabschiedet: "Und passt mir auf unser Wien auf." Der damals nicht zum Zug gekommene ehemalige Sozialminister Rudolf Hundstorfer sagte, er habe die traurige Entwicklung für seine Partei lange kommen sehen.

Möglich geworden ist diese historische Zäsur in der Geschichte der Republik indes nur, weil die alte SPÖ-Riege das Angebot der Freiheitlichen ausschlug, eine formale rot-blaue Rathauskoalition zu schließen. Mit dem Ruf "Niemals wieder" und "Wehret den Anfängen" setzten sich die Gegner eines solchen Bündnisses knapp, aber doch, gegen die Befürworter, die vor allem aus dem Lager der jungen Pragmatiker stammen, durch. Im Gegenzug machte die FPÖ ihre Drohung war und schloss sich der bunten Regenbogenkoalition aus Grünen, ÖVP und Neos an.

Der Bürgermeisterposten war zuvor schon für die Grünen reserviert, da deren Kandidat für das Stadtoberhaupt, der 60-jährige Chorherr, die meisten Direktstimmen auf sich vereinen konnte. Auf diese Vorgehensweise hatten sich die vier Parteien vor der Wahl per Notariatsakt verständigt, obwohl insbesondere bei den Grünen selbst die Skepsis gegen ein solches Wahlmodell groß war. Und Chorherr war noch nie ein Liebling der grünen Basis.

Die Proteste gegen die neue Stadtregierung hielten sich übrigens im Rahmen des Erwartbaren. Nach fünf aufeinanderfolgenden Donnerstagsdemonstrationen zerbrach das fragile Bündnis von Studenten und roten Gewerkschaftern. Überraschenderweise beteiligten sich Künstler und kritische Wissenschafter überhaupt nicht.

Wenige Monate früher hatte die SPÖ nicht gezögert, diesmal auf die Gewinnerseite der Geschichte zu wechseln. Im Frühling 2020, bei den Landtagswahlen in Oberösterreich, schafften die neu erstarkten Sozialdemokraten die Rückeroberung des 2015 verloren gegangenen zweiten Platzes hinter der Volkspartei.

In einem mit unerbittlicher Härte geführten Lagerwahlkampf Schwarz-Grün gegen Rot-Blau setzte sich das oppositionelle Parteienbündnis um Haaresbreite gegen die regierende Koalition durch. Kurzzeit-Landeshauptmann Franz Hiesl, der 2016 auf Josef Pühringer folgte, scheiterte damit bereits bei seinem ersten Antreten. Der damals nicht zum Zug gekommene ehemalige Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner sagte, er habe die traurige Entwicklung für seine Partei lange kommen sehen.

Die Neos spielten in diesem Wahlkampf keine Rolle, da sich die Spitzenkandidatin, entnervt von den erbitterten Flügelkämpfen zwischen ehemaligen LIF- und früheren ÖVP-Funktionären, auf dem Höhepunkt der Wahlauseinandersetzung zurückzog. Die noch verhältnismäßig junge Partei hatte 2015 nur mit knapper Not den Einzug in den Linzer Landtag erreicht und es seitdem nicht geschafft, ein eigenständiges, für Wechselwähler attraktives Image zu entwickeln.

Absehbar war im Unterschied zu den doch überraschenden Farbwechseln in der Bundeshauptstadt und in Oberösterreich der Lauf der politischen Dinge in der Steiermark. Bereits bei den Nationalratswahlen 2013 war es hier der traditionell stark verankerten FPÖ gelungen, zur Nummer eins hinter dem Semmering zu werden. Während sich die beiden früheren Langzeit-Regierungsparteien SPÖ und ÖVP bei den Landtagswahlen 2015 gerade noch einmal über die Runden retten konnten, schlug dann bei den Wahlen im September 2015 die erwartete Stunde der Blauen.

Anders als in Oberösterreich, wo sich SPÖ und FPÖ zu einem Bündnis auf Zeit zusammenschlossen, gab in der Grünen Mark die Volkspartei den Steigbügelhalter für eine gemeinsame blau-schwarze Mehrheit. Nach dem erstmaligen Verlust des Landeshauptmannsessels 2005 haben sich die Schwarzen in ihrer ehemaligen Hochburg nie wieder erholt. Mit dazu beigetragen hat eine zwar ehrgeizige und durchaus mutige Reformpolitik in den Jahren 2010 bis 2015, doch die Ernte dafür konnte vor fünf Jahren die damalige Landeshauptmannpartei SPÖ einfahren. Zum kontinuierlichen Niedergang der einst stolzen Schwarzen in der Steiermark trug jedoch auch der Verlust der Bodenhaftung bei, der sich in einem "Drüberfahren" bei den zahlreichen Reformen äußerte. Man vergaß schlicht, die eigenen Leute "mitzunehmen", wie es so schön im Politikjargon heißt.

Damit hat die FPÖ erstmals seit dem Verlust Kärntens 2013 wieder die Position als stärkste Kraft in einem Bundesland errungen. Glänzen war dabei gar nicht notwendig: SPÖ und ÖVP hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten ausreichend aneinander abgearbeitet und versäumten es aus diesem Grund, für die Wahl überzeugende Spitzenkandidaten zu präsentieren, die für einen Neuanfang stehen könnten. Stattdessen machten mit den ehemaligen Landesrätin Christina Vollath (SPÖ) und Christian Buchmann (ÖVP) relativ farblose Persönlichkeiten das Rennen, die schon lange im politischen Geschäft sind. Der FPÖ schadete es auch nicht, dass sie mit einem völlig unbekannten Kandidaten in den Wahlkampf zog. FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache, mittlerweile auch schon 51 Jahre alt und mit grauen Strähnen im Haar, lächelte selbst von allen Plakaten.