
Computerspielhelden können unglaublich viel: Sie kämpfen gegen Drachen, Zombies und übermächtige Eindringlinge. Laufen und springen können sie wie verrückt und haben noch dazu kaum schlechte Laune. Die virtuellen Avatare von Lionel Messi oder Roger Federer vollführen die unglaublichsten Tricks, ohne mit der Wimper zu zucken. Ein paar Tastenkombinationen - und ihren realen Surrogaten stehen die Tränen in den Augen. Doch eines, ja eines können die virtuellen Charaktere nicht - schwitzen. Egal, wie heiß Konsole oder PC laufen, kein Tröpfchen Schweiß ist auf der Stirn zu sehen. Ob sich das im 2014, immerhin stehen Olympische Spiele an, ändern wird?
Das Schlagwort in der Videospielebranche lautet seit geraumer Zeit - vor allem bei aufwendigen, eher filmähnlichen Epen und Sportspielen - Realismus. Und in der Realität wird geschwitzt. Also muss auch jemand bei der körperlichen Betätigung eine zutiefst menschliche Transpiration an den Tag legen. Und wenn es der virtuelle Charakter nicht macht, dann muss es wohl der menschliche Spieler auf der anderen Seite des Bildschirmes sein. Doch stimmt dies nur für den Amateur, der Profi darf auch am Computer nicht ins Schwitzen kommen.
Denn auch im Jahr 2014 findet der Wettlauf um die Gunst der Spieler und Spielerinnen mit neuen Technologien im Bereich Grafik und Realismus statt. Neue Spielkonsolen haben kurz vor Weihnachten bereits den Wettkampf eröffnet. Die großen drei der Branche - Microsoft mit seiner Xbox One, Nintendo mit der Wii U und Sony mit der PlayStation 4 - wollen noch einmal beweisen, dass ihnen billigere Android-Spielekonsolen und vor allem Smartphones nicht den Rang ablaufen können. Die Letztgenannten wiederum wollen durch eine bessere Integration von Umwelt und menschlichem Spieler die schwächere Grafikleistung vergessen machen.
Das Zauberwort heißt dabei Augmented Reality. Gemeint ist damit eine "erweiterte Realität", die die Grenze von realer Umwelt und Handy-Display verschwinden lässt. In der Praxis bedeutet dies, eine Spielerin kann mit dem Handy in der Hand durch bekannte Landschaften laufen und erlebt am Bildschirm Abenteuer, etwa eine Zombie-Invasion, und muss geschickt und schnell den nahenden Bedrohungen ausweichen. In einem anderen Spiel wird das Smartphone, ausgestattet mit Bewegungssensoren, zum Tennisschläger. Die Spieler können vor dem Fernseher ein Match austragen und dabei durch die Haltung des Mobiltelefons Vor- und Rückhandschläge ausführen. Auch wenn die Hersteller wieder einmal mit einem hohen Maß an Realismus werben, stellt sich doch eine Frage: "Schwitzt man wirklich beim virtuellen Tennismatch?" Die Antwort nach dem Testen lautet: "Nein." Kein Tropfen Schweiß beim virtuellen Tennis. Der Mensch ist doch zu faul. Nach ein paar Minuten vor dem Fernseher stehend, die Bewegungssensoren des Handys austestend und doch ein bisschen vor dem Bildschirm hin und her bewegend, wurde erkannt, dass sich der virtuelle Avatar auch bequem aus dem Sitzen steuern lässt. Wieso also im Stehen spielen? Nebenbei kann man sogar in Ruhe reden und essen. Der virtuelle Sport ist wohl eher für wenig Ambitionierte. Gleiches gilt für Fußball-, Football- oder sonstige Sportsimulationen. Auf dem Feld wird um das Leben gelaufen, auf der anderen Seite des Bildschirms herrscht hingegen bewegungstechnisch Starre. Keine kraftraubenden Bewegungen, ergo kein Schweiß.
Doch es geht auch anders. Die modernen Spielkonsolen sind mit Kameras und Sensoren ausgestattet beziehungsweise bieten diese als optionales Zubehör an und wollen so die Spieler und Spielerinnen zu mehr Interaktion und Bewegung animieren. Ob Tanzduelle, Yoga oder Simulationen unterschiedlichster Sportarten: Statt vor dem elektronischen Kasten faul herumzusitzen, soll der Schweiß über die Stirne rinnen. Die Spieler können Körperdaten eingeben - von Gewicht, über Alter, Größe und Fitnesslevel -, diese Werte werden abgespeichert und danach für die Berechnungen von Kalorienverbrauch herangezogen. Fitness, Dynamik, Spaß, Gewichtsverlust und Muskeltraining sind jene Aspekte, die die Entwickler über ihre neuesten Innovationen in das Wohnzimmer bringen wollen. Dem PC und der Spielkonsole soll das Image des trägheitsfördernden Fluchtinstruments in die Isolation genommen werden. Spieler können auch durchaus sportlich sein, heißt das Credo. Wer es nicht nach draußen schafft, soll immerhin in den eigenen vier Wänden Spaß beim Training finden.
Apropos Training: Wie sieht es eigentlich bei den Spitzensportlern aus? Können diese Computer- und Videospiele auch zum Trainieren nutzen? Hüpfen und laufen Messi und Federer auch in ihrer kargen Freizeit noch vor ihren Fernsehern umher, um noch schneller, stärker und fitter zu werden?
Die Antwort lautet: Jein. Einerseits Nein, da es viele Spitzensportler gibt, die sich in ihrer Freizeit mit Computerspielen unterhalten. Wohlgemerkt unterhalten und ablenken, nicht trainieren. Und andererseits aber auch Ja.
Ein Zukunftstrend der Spielebranche sind die "Neurogames" und diese sind speziell für Profis zugeschnitten, haben allerdings mit den Spielen für Amateure wenig zu tun. Der Sinn ist nämlich genau im Gegenteil zu suchen - nicht schwitzen, sondern mentale Stärke trainieren und Abläufe bis ins kleinste Detail simulieren lautet die Devise.