Wien. Als Bernd Vogl in Katowice steht und einatmet, fühlt er sich wie auf einer Zeitreise. Die Luftqualität in diesem Kohlegebiet ist schlecht. "So schlecht, dass sie nicht gemessen werden muss. Man merkt das." Vogl denkt an die Vertreter der Nationalstaaten, die hier auf der Klimakonferenz über die Umsetzung der Pariser Klimaziele verhandeln. Und an die Umstellung von Kohlekraft auf erneuerbare Energien.

Bernd Vogl ist Leiter der MA20 (Energieplanung). Sein Job ist es, nachhaltige Lösungen für die Energieerzeugung und -nutzung in der Hauptstadt zu finden. Dafür ist er viel unterwegs, in den USA, Kanada, der Schweiz, aber auch in Österreich. Auf der Suche nach innovativen Projekten, die in Wien umsetzbar sind, ist er auf das Kraftwerk Krieau gestoßen - mitten in Wien. An einem Vormittag sitzt Vogl mit dem privaten Projektentwickler und dem Geschäftsführer des neuen Kraftwerks in einem lichtdurchfluteten Raum im Viertel Zwei neben der Wirtschaftsuniversität. Seit einem Jahr ist das Experiment "Anergienetz" nun in Betrieb. Ein erster Erfolg: 60 Prozent eingesparte CO2 Emissionen.

Bernd Vogl erklärt, wie Wärmepumpen funktionieren. - © Maren_Haeussermann
Bernd Vogl erklärt, wie Wärmepumpen funktionieren. - © Maren_Haeussermann

In einem Anergienetz geht es um Austausch. Tagsüber, wenn die Bewohner des Viertels unterwegs sind, brauchen vor allem die Bürogebäude Strom und Klimaregulierung. Über das Anergienetz wird deren Wärme abtransportiert und steht für andere Anwendungen zur Verfügung. Zum Beispiel für die Menschen, die am Abend in ihren Wohnungen kochen, fernsehen oder duschen wollen. Mit der Abwärme aus einem Bürogebäude wird beispielsweise das Badewasser in einer Wohnung erwärmt. Das Kraftwerk steuert die Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung zentral.

Abwärmequellen nutzen

Anergienetze machen dort Sinn, wo neben Wohngebäuden auch größere Abwärmequellen sind. In reinen Wohnbaugebieten können dezentrale Wärmepumpensysteme über Grundwasser oder Erdsonden Wärme und Kälte zur Verfügung stellen. Für Neubaugebiete prognostiziert Vogl, dass sich solche Systeme zur Klimaregulierung schon in den nächsten fünf Jahren durchsetzen.

Die Energieversorgung der alten Gebäude wird vermehrt über Nah- und Fernwärmesysteme bereitgestellt. Energie kommt dabei in Wien zum Beispiel aus sogenannten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen und der Müllverbrennung. Dabei wird im Heizbetrieb nicht benötigte Abwärme aus der Stromproduktion abgefangen und weiterverwendet. Die etablierten Energieversorger könnten die alten Gebäude durch bestehende Fernwärmenetze versorgen. Neben Abwärme und -wasser, von denen es in einer Stadt wie Wien genug gibt, kommen zum Beispiel auch Geothermie und größere Oberflächengewässer, wie die Donau, als Energiequellen in Frage.