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Zu viel und zu wenig Wasser

Von Petra Tempfer

Klimawandel

Durch den Klimawandel ist der Niederschlag übers Jahr ungleich verteilt. Dürre und Hochwasser sind die Folge - eine Herausforderung für Landwirtschaft, Trinkwasserversorger und Stromerzeuger.


Wien. Über das Jahr verteilt, merkt man an der Menge des Niederschlags den Klimawandel eigentlich nicht. Diese bleibt laut Michael Staudinger, Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, relativ gleich. Was zugenommen habe, sei aber die Anzahl der Wetterextreme wie Dürre und Überschwemmungen. Und das sei ein Riesenproblem - für die Landwirtschaft und den Wald, aber auch für die Trinkwasserversorger und die Stromerzeuger.

Die Landwirte leiden je nach Region unterschiedlich unter den Wetterextremen, sagt Josef Siffert von der Landwirtschaftskammer Österreich. Gibt es in Nieder- und Oberösterreich immer länger andauernde Trockenperioden, haben die südliche Steiermark, Kärnten und das südliche Burgenland mit nicht enden wollenden Überschwemmungen zu kämpfen. "Die Wetterperioden verlängern sich", sagt Siffert zur "Wiener Zeitung".

Ernteausfälle bei Erdäpfeln

Vor allem in Zeiten der Dürre sei nicht allein das fehlende Wasser selbst das Problem. Bei der vergangenen Ernte habe es zum Beispiel bei den Erdäpfeln massive Ernteausfälle gegeben, weil der Drahtwurm diese durchlöchert habe, so Siffert. Der Drahtwurm ist eigentlich eine Larve, und zwar von Käfern aus der Familie der Schnellkäfer. Auf der Suche nach einer Feuchtigkeitsquelle im ausgetrockneten Boden bohrt er sich in die Erdäpfel: Im Vorjahr mussten die Landwirte laut Siffert dadurch Erdäpfel für 2,4 Millionen Menschen wegwerfen. Den Rest konnte man freilich auch nicht teurer verkaufen. "Wir leben in einem offenen Markt", sagt Siffert. Der Anteil der Erdäpfel aus Österreich am europäischen Markt liege bei zwei Prozent. "Das ist weniger als die Schwankungsbreite."

Was der Drahtwurm für die Landwirte ist, ist für die Forstwirte der hitze- und trockenheitsliebende Borkenkäfer. Er durchbohrt das Fichtenholz und vernichtete im Vorjahr laut Umweltministerium 3,5 Millionen Tonnen. Eschen wiederum werden aufgrund des Trockenstresses anfälliger für das falsche weiße Stengelbecherchen, ein Pilz.

Der Gesamtschaden für die Landwirtschaft steige und sei in fünf der vergangenen sechs Jahre jenseits der 200 Millionen Euro gelegen, sagt Mario Winkler von der Hagelversicherung. Im Vorjahr waren es 270 Millionen Euro - 230 Millionen davon allein durch die Trockenheit bedingt.

Für die Hagelversicherung bedeuten die wachsenden Schäden gleichzeitig eine "wachsende Bereitschaft, eine Versicherung abzuschließen", sagt Winkler. Die Durchversicherung im Hagelbereich liege bereits bei 85 Prozent, in den restlichen Sparten wie Frost, Dürre, Sturm und Überschwemmungen bei 65 bis 70 Prozent.

Mit 1. Jänner ist die Prämienförderung durch die öffentliche Hand (Public-Private-Partnership-Modell) von 50 auf 55 Prozent erhöht worden. Je 27,5 Prozent kommen dabei von Bund und Bundesländern. Dafür fließt aus dem Katastrophenfonds für Schäden, die versicherbar sind, nun kein Geld mehr - nur noch für nicht versicherbare.

Parallel dazu hat das Umweltministerium auch mit den in Österreich tätigen Pflanzenzüchtern ein Projekt mit dem Ziel der Selektion und Züchtung trockenheits- und hitzetoleranter Kulturpflanzen wie Getreide, Leguminosen und Ölpflanzen abgeschlossen - ohne Gentechnik. Die Pflanzenproduktion stehe dabei im Fokus und mit ihr die Erarbeitung von Strategien, heißt es. Diese reichten vom vermehrten Übergang auf Winterkulturen (vor dem Winter eingesät), die die Winterfeuchte besser nutzen, bis hin zur Sortenwahl.

Donau-Bewässerungsprojekt

Der Ausbau der Bewässerung wäre freilich auch eine Option - diese ist aber teuer und kompliziert. Daher müsse man das Geld dafür dort investieren, wo es wirtschaftlich sinnvoll sei, sagt Siffert -zum Beispiel im Weinviertel und südlichen Wiener Becken, wo es wertschöpfungsintensive Kulturen wie Karotten, Grünerbsen und Sojabohnen gibt. Dort sollen die Felder im Zuge eines langfristigen, von der Landwirtschaftskammer Niederösterreich initiierten Vorhabens mit Donauwasser bewässert werden. Aktuell sei man jedoch noch immer im Anfangsstadium und beim Erstellen der Machbarkeitsstudien, sagt Jürgen Maier, Sprecher von Landeshauptmann-Stellvertreter Stephan Pernkopf, auf Nachfrage.

Die Sorge, dass es zu wenig Wasser gibt, braucht man beim Trinkwasser grundsätzlich nicht zu haben. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern wie Deutschland oder Norwegen, wo Oberflächenwasser aus Flüssen und Seen für die Trinkwasserversorgung aufbereitet werden muss, wird der Bedarf in Österreich aus Grund- und Quellwasser gedeckt. Weniger als ein Prozent der theoretisch verfügbaren Menge von jährlich 76,4 Milliarden Kubikmeter wird laut Österreichischer Vereinigung für das Gas- und Wasserfach (ÖVGW) von den Haushalten verwendet.

Das Problem bei der Trinkwasserversorgung sind laut ÖVGW allerdings die Verbrauchsspitzen. Diese werden durch die zunehmende Anzahl an Trockenheitsperioden immer dramatischer und können sehr wohl zu Ressourcenknappheit führen. Konkret geht es um Speicherkapazitäten, die limitierende Faktoren in der Wasserversorgung sind. Werden die Speicher in der Nacht nicht aufgefüllt, weil das Wasser zum Beispiel in die Bewässerungsanlagen der Gärten fließt, fehlen tagsüber die Reserven.

Die Infrastruktur müsse auf den steigenden Spitzenverbrauch ausgerichtet werden, so die ÖVGW. Investitionen in diese Richtung werden allerdings "letztendlich auf den Wasserpreis durchschlagen". Das Umweltministerium will sich jedenfalls für eine Weiterführung der Förderungen der Siedlungswasserwirtschaft einsetzen, heißt es dazu.

Und auch bei der Stromerzeugung merkt man das länger anhaltende Niedrigwasser. 2018 erzeugte der börsennotierte Verbund-Stromkonzern 29.518 Gigawattstunden (GWh) aus Erneuerbaren Energien, trockenheitsbedingt etwas weniger als 2017 (30.639 GWh), hieß es am Mittwoch. Der Erzeugungskoeffizient der Laufkraftwerke sank demnach von 0,99 auf 0,94. Die schlechte Wasserführung im zweiten Halbjahr habe zu "massiven Einbußen in der Stromerzeugung" geführt, so Generaldirektor Wolfgang Anzengruber. Zu viel Wasser in den Flüssen durch anhaltende, starke Regenfälle kann wiederum zur Folge haben, dass die Kraftwerke ausgeschaltet werden - was ebenfalls Verluste bedeutet.