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Plus zwei Grad: Das Weinviertel wird zum Safaripark

Von Eva Stanzl

Wald

Der Klimawandel setzt heimischen Wäldern zu.


Wien. Fast frühsommerlich warmes Wetter zu Ostern. Was Kinder freut, bereitet Waldbesitzern Kopfzerbrechen, denn den Bäumen tut die frühe Trockenheit nicht gut. Sie bekommen zu wenig Nahrung und können Schädlingen kaum die Stirn bieten.

"Wegen der Schäden sind die Kollegen in der Beratung zur Wiederaufforstung im Dauereinsatz. Die Geräte zum Abtransport von Schadholz sind ausgebucht", sagt Karl Schuster, Experte für Waldbau und Forstschutz der Niederösterreichischen Landwirtschaftskammer. Er erklärt: "Im Winter muss es schneien, damit das Schmelzwasser den Boden befeuchtet und die Bäume im Frühjahr austreiben können. In den Wäldern des östlichen Waldviertels und westlichen Weinviertels funktioniert dieser Kreislauf seit zwei bis drei Jahren nicht."

Um im Frühling zu sprießen, müssen die Bäume Wasser aus unterirdischen Reserven ziehen. Wenn im Winter zu wenig Schnee fällt und keine Schneeschmelze in den Boden sickert, sind die Speicher leer. "Dann können selbst tief wurzelnde Bäume verdursten", erklärt Norbert Putzgruber, Leiter der Abteilung Waldbau der Österreichischen Bundesforste. Insbesondere Gebiete nördlich der Alpen, das niederösterreichische Wald- und das oberösterreichische Mühlviertel seien von Niederschlagsdefiziten betroffen.

Die Erderwärmung schwächt die Bäume und nützt den Schädlingen. Etwa werden Borkenkäferlarven schneller erwachsen. Pro Jahr malträtieren drei Generationen die Bäume. Bei großflächigem Borkenkäferbefall fallen auch die Holzpreise - so wie jetzt. Fortexperte Schuster nennt Zahlen: 2018 verzeichnete Österreich eine Schadholzmenge von zehn Millionen Festmeter. "Bei einer Gesamt-Nutzmenge von 19 Millionen Festmeter waren wir damit erstmals bei Schadholz von über 50 Prozent der Gesamtmenge. Das ist sehr viel", sagt er. Hochgerechnet auf die Wertverluste ergebe das bei einem niedrig angesetzten Preis von 30 Euro pro Festmeter 270 Millionen Euro, " das ist die untere Grenze".

Jungpflanzen vertrocknen

Wie die "Wiener Zeitung" berichtete, nagt der Borkenkäfer insbesondere an der Vorherrschaft der Fichten in heimischen Nutzwäldern. Eschen wiederum werden von einem Pilz namens Weißes Stengelbecherchen befallen. Der Pilz Diplodia sapinea killt die Triebe von Kiefern. Noch in den 1980er Jahren wurden Luftschadstoffe durch die Verbrennung von schwefelhaltigen fossilen Brennstoffen als Hauptursache für das Waldsterben in Mittel- und Osteuropa ausgemacht. Heute werden sterbende Bäume auch auf steigende Temperaturen, Trockenheit und Stürme zurückgeführt.

Satellitendaten von 24.000 Orten in Österreich, Deutschland, Polen, Tschechien, der Slowakei und der Schweiz zeigen, "dass aktuell Wald auf einer Fläche von jährlich 3000 Quadratkilometern stirbt, das ist die Fläche Vorarlbergs und Wiens zusammen", berichtet Rupert Seidl vom Institut für Waldbau der Universität für Bodenkultur in Wien. War 1985 im Schnitt noch 0,5 Prozent der Waldfläche vom Baumsterben betroffen, war es 2015 ein Prozent pro Jahr. "Das heißt, dass sich die Mortalität in Mitteleuropas Wäldern in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt hat", betont Seidl. Er und sein Team haben auf 720.000 Satellitenbildern untersucht, wie viele Hektar Baumkronen verschwinden. Allerdings räumen die Forscher ein, dass heute ältere Bäume sterben, deren Kronen naturgemäß eine größere Fläche einnehmen. Warum dem so ist, wollen sie als Nächstes analysieren.

Bleibt das Problem der Verjüngung bei zunehmender Trockenheit. Während sich Jungbäume im Alpenraum gut entwickeln, sieht es im östlichen Waldviertel auch in dieser Messgröße schlecht aus. Im Vorjahr hätte die Landwirtschaftskammer hier Ausfälle von bis zu 80 Prozent verzeichnet, berichtet Schuster. Im Frühjahr werden die Bäume gesetzt. "Ob die Jungpflanzen in dem trockenen Boden überhaupt überleben, wird sich weisen", sagt er. "Waldbesitzer wissen schon gar nicht mehr, wann sie die Pflanzen setzen sollen. In manchen Gebieten, etwa im Horner Becken, staubt die Erde, wenn Sie mit einem Spaten hineinstechen." Wenn es nicht unmittelbar nach dem Setzen regnet, sterben sie ab.

"Kiefern sehen rot"

Im benachbarten Weinviertel wurde auf Eichen umgesattelt, die die trockeneren Bedingungen der Region verkraften. Zwei oder drei Grad mehr würden laut Experten aber auch der Eiche zusetzen. "Dann wäre das Weinviertel ein riesengroßer Safaripark", erklärt Schuster. "Für die Region muss man Bedenken haben."

"Kiefern sehen rot" titelte die "Forstzeitung" zur Lage der Schwarzkiefernbestände im niederösterreichischen Steinfeld. Die Schwarzföhren-Monokultur bei Wiener Neustadt wurde im 15. Jahrhundert im Auftrag von Kaiser Maximilian angelegt. Die Böden sind nur 20 bis 40 cm tief, darunter befindet sich Schotter. Der erste künstlich angelegte Wald Österreichs vermeidet Bodenerosion.

Doch auch die Schwarzkiefern werden von einem Pilz gefressen: Kaum eine Baumkrone, deren Nadeln nicht rostbraun verfärbt sind. Besonders wenn ein Baum unter Stress steht, hat Diplodia sapinea ein leichtes Spiel. In der Region fallen wenige Niederschläge und die Erderwärmung trägt ihren Teil dazu bei, dass es noch trockener wird, wodurch Pilzinfektionen zunehmend von den Trieben auf das Holz übergreifen. Behörden empfehlen bereits, bei Aufforstungen Kiefernpflanzen weit auseinander und dazwischen andere Baumarten zu setzen.

"Wenn wir 100 Jahre in die Zukunft blicken, werden im Steinfeld nicht mehr so viele Kiefern stehen. Sondern es wird ein Mischwald mit wärmetoleranten Baumarten, wie Eichen, Kirschen und Linden sein", sagt Schuster.