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Klimaplan: Absichtserklärung oder Anleitung?

Von Simon Rosner

Klimawandel

Der nationale Klimaplan steht auch nach Überarbeitung in der Kritik: zu wenig konkret, keine Finanzierungen. Für die Koalitionsverhandlungen muss der Plan aber Anleitung sein - und das Ergebnis muss weit darüber hinausgehen.


Wirklich substanziell hat sich der Energie- und Klimaplan der Bundesregierung seit des ersten Entwurfes im Vorjahr nicht verändert. Das Papier umfasst zwar mehr Seiten, nämlich 250, und einiges ist seither beschlossen worden, was nun ergänzt wurde. Und zudem sind einige neue Maßnahmen und Präzisierungen hinzugekommen. Insgesamt aber ist es keine Überraschung, dass der am Montag in Begutachtung geschickte Plan wie bereits im Vorjahr auf Kritik von NGOs und Parteien gestoßen ist.

Für die Grünen ist die überarbeitete Strategie eine "herbe Enttäuschung", der SPÖ ist alles "zu vage" und der FPÖ fehlt der "Gesamtüberblick", wie die Umweltsprecher der Parteien Ö1 sagten. Noch heftiger fällt die Kritik der NGOs aus, so spricht Greenpeace-Klimasprecher Adam Pawloff von einer "Bankrotterklärung" und Global 2000 von "gähnender Leere", wenn es um konkrete Maßnahme geht. Als Beispiel nennt Johannes Wahlmüller von Global 2000, dass nicht genannt wird, welche umweltschädlichen Subventionen wann abgeschafft werden sollen. "Das hätte auch eine Beamtenregierung können", sagt der Klimaexperte.

Generell ist das der Hauptkritikpunkt: die fehlenden Zeitpläne und Finanzierungen für die avisierten Maßnahmen, durch die Österreich bis zum Jahr 2030 ein Minus von 36 Prozent bei den Treibhausgasen gegenüber dem Jahr 2005 erreichen soll. Tatsächlich ist "sollen" eines der am häufigsten verwendeten Verben auf den 250 Seiten. Also alles nur eine Absichtserklärung? Das ist diese Strategie auch wieder nicht.

Klar ist, dass diese Bundesregierung keine gravierende politische Entscheidung treffen wird, dies ist die Aufgabe der kommenden Regierung. Der Plan wird Grundlage der Verhandlungen zwischen der ÖVP und dem präsumtiven Koalitionspartner in Sachen Klimaschutz sein, wie es derzeit aussieht also vermutlich der Grünen.

Keine "Option" ist keine Option

Klar ist aber auch, dass das Ziel für 2030, mindestens 36 Prozent der Emissionen gegenüber 2005 einzusparen, mit den zahlreichen Maßnahmen in dem Plan nicht erreicht werden wird. Es sind viele kleinere bis größere Punkte, von der Landwirtschaft, dem Verkehr über den Gebäudesektor bis hin zur Abfallwirtschaft, die in dem Begutachtungsentwurf zusammengefasst wurden, doch es braucht noch mehr.

Wie viel mehr, wird - zumindest in der Theorie - erst in den kommenden Wochen feststehen. Ein Expertengremium errechnet derzeit auf Basis des Plans ein Szenario, das sogenannte WAM-Szenario ("with additional measures"). Auch diese Ergebnisse werden in die Koalitionsverhandlungen einfließen.

Im Klimaplan sind vier Maßnahmen als "Optionen" gekennzeichnet. Man kann sie als Vorschlag an die kommende Bundesregierung verstehen, an größeren Schrauben zu drehen. Eine dieser Optionen ist die Bepreisung von Treibhausgasen. Das ist politisch umstritten, wie der Wahlkampf zeigte. In Deutschland wurde kürzlich ein nationaler Emissionshandel beschlossen.

Die Politik kann sich freilich weitere "Optionen" ausdenken, sie ist darin frei. Was aber nach Stand der Dinge klar ist: Keine "Option" - ist keine Option. Es wird etwas kommen müssen. Die Grünen hatten im Wahlkampf eine CO2-Steuer gefordert, die ÖVP wollte CO2-Zölle auf klimaschädliche Güter.

Liest man den Energie- und Klimaplan nicht nur als Absichtserklärung der Politik, sondern stellt die Annahme voran, dass die Maßnahmen zumindest weitgehend umgesetzt werden, wird klar, wie umfassend der Wandel sein wird. Er wird kaum einen Lebensbereich nicht betreffen: Der Radverkehr wird sich verdoppeln, Flächenwidmungen werden restriktiv werden, neue Gebäude keine fossilen Brennstoffe mehr für die Raumwärme benötigen, nur mehr erneuerbarer Strom aus den Steckdosen kommen und der Mineraldüngereinsatz in der Landwirtschaft deutlich reduziert werden.

Heimische Lebensmittel müssen teurer werden

All das (und mehr) wird auch Folgen nach sich ziehen. Ein Beispiel: Laut Plan soll etwa der Mineraldüngereinsatz um mindestens 20 Prozent verringert werden, in der Rinderhaltung mehr Weidewirtschaft betrieben werden. Nach Auskunft von Martin Längauer, dem Umweltexperten der Landwirtschaftskammer, sei dieses Ziel "sehr ambitioniert" und würde einen geringen Ernteertrag und eine aufwendigere Tierhaltung bedeuten.

Das zur Hälfte aus EU-Mitteln finanzierte Agrar-Umweltprogramm ÖPUL soll aber reduziert werden, also die Förderungen künftig geringer ausfallen. Auch die EU will künftig weniger ausschütten. Die Konsequenz, so Längauer, wären teurere landwirtschaftliche Produkte. Das sei "selbstverständlich", sagt der Landwirtschaftskammer-Funktionär. Die Angst, dass dann günstige, umweltschädlichere Produkte aus dem Ausland die heimischen Waren verdrängen, ist wohl nachvollziehbar. Unter anderem auch deshalb forderte die ÖVP Zölle - naturgemäß aber nur für Produkte von außerhalb der EU, die ja ein zollfreier Wirtschaftsraum ist. Aber das ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie schwer eine Umsetzung in Wahrheit ist.