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Klimastrategie unter Beschuss

Von Simon Rosner

Klimawandel

Umweltorganisationen geht die Klimastrategie nicht weit genug, der Wirtschaftskammer indessen viel zu weit.


Mit dem Energie- und Klimaplan muss sich noch die amtierende Bundesregierung beschäftigen. So schnell können ÖVP und Grüne gar nicht mit dem Verhandeln fertig sein. Am 18. Dezember soll die Klimastrategie im Ministerrat abgesegnet werden, danach wird sie der EU-Kommission gemeldet.

Am Montag ist nun die mehrwöchige Begutachtungsfrist abgelaufen, rund 50 Stellungnahmen sind eingegangen, darunter auch zahlreiche von Bürgerinnen und Bürgern. Bis zum Redaktionsschluss waren zwar nur wenige Rückmeldungen verfügbar, doch ein Bild zeichnet sich ab: Umweltschutzorganisationen üben Kritik, teilweise scharfe. Aber auch andere Stellen wie die Industriellenvereinigung oder die Umweltanwaltschaft des Landes Oberösterreich fordern weitere Nachbesserungen. Der Wirtschaftskammer dagegen gehen die Maßnahmen im Klimaplan viel zu weit.

Für ein klimaneutrales Österreich ab 2050 müssen die Treibhausgasemissionen pro Dekade halbiert werden. Die nun ausgearbeitete Klimastrategie soll die Republik bis 2030 auf diesen Pfad bringen. Für die Experten bei Greenpeace geht sich das jedoch mit den beschriebenen Maßnahmen nicht aus. Die Regierung sei "so gut wie alles schuldig geblieben", schreibt Greenpeace. Positiv strich die Umweltorganisation hervor, dass es bei den Sektoren Verkehr und Gebäude nun klare Ziele gebe, diese seien aber zu niedrig. Bei anderen für Treibhausgase relevante Sektoren wie der Abfallwirtschaft und der Landwirtschaft gebe es dagegen gar keine sektoralen Ziele.

Die oberösterreichische Umweltanwaltschaft lieferte eine umfassende Stellungnahme ab, die deutlich schärfere Maßnahmen vorsieht. Statt einer (thermischen) Sanierungsrate bei Gebäuden von zwei Prozent wird eine fünfprozentige Rate gefordert. "Damit verbunden wäre eine Reduktion des Raumwärmeverbrauches bis zum Jahr 2030 um 80 Prozent", heißt es. Den Autoverkehr in der Stadt gelte es massiv zu reduzieren, die Geschwindigkeit müsse gedrosselt, und Parkplätze müssten gestrichen werden. Zudem müsse es bei Parkgebühren zu einer "empfindlichen Erhöhung" kommen. Neuzulassungen von Verbrennungsmotoren müssten ab 2025 verboten werden. Auch die Industriellenvereinigung (IV) widmet sich in ihrer Stellungnahme dem Autoverkehr. Sie regt an, eine "fahrleistungsabhängige Bemautung des Pkw-Verkehrs" einzuführen. Der Verkehrssektor ist für ein Drittel der Emissionen verantwortlich, doch gerade dieser Bereich ist besonders umstritten, der Lebensstil in den Industrienationen längst untrennbar mit dem Automobil verknüpft.

Wirtschaftskammer will weiter auf fossiles Gas setzen

Das ist auch ein Grund, weshalb der Klimaplan bei größeren Stellschrauben zur CO2-Reduktion vage blieb. Es wurden sogenannte "Optionen" in den Klimaplan geschrieben, man kann sie aber auch Vorschläge nennen. Sie laufen auf eine Bepreisung von CO2 hinaus. Da dies aber eine komplexe und politisch eben heikle Angelegenheit darstellt, wird sich erst die kommende Regierung darum kümmern. Es ist anzunehmen, dass ÖVP und Grüne unter anderem auch darüber verhandeln.

Doch schon die Experten des Umweltministeriums, die das Strategiepapier mit den anderen Ministerien koordiniert hatten, erklärten bei der Präsentation vor Wochen, dass man ohne einer dieser "Optionen", also ohne größere Stellschrauben, die Ziele nicht erreichen werde. Eine Ausweitung des Emissionshandels will die Industriellenvereinigung - logischerweise - vermeiden, sie spricht sich gegen eine "Doppelbelastung für die produzierende Industrie" aus, da diese bereits im internationalen Emissionshandel eingebunden sei.

Vorstellen kann sich die IV aber "mittelfristig" die Einführung von CO2-Zöllen. Sie ist damit auf Linie der ÖVP, die dies im Wahlkampf vertreten hatte. Unter diesem Aspekt ist auch das Feedback der Wirtschaftskammer (WKO) relevant, Präsident Harald Mahrer ist enger Vertrauter von Sebastian Kurz und Mitglied des Koalitionsverhandlungsteams. Die Stellungnahme fällt überaus kritisch aus, aber anders als bei Umweltorganisationen. Der Wirtschaftskammer geht der Klimaplan zu weit. Und zwar viel zu weit.

Die WKO fordert Ausnahmen beim 100-Prozent-Ökostromziel, eine nationale Bepreisung von CO2 wird zudem ebenso abgelehnt wie der Ausstieg aus dem Gas als Wärmelieferant. "Eine generelle Abkehr von sogenannten fossilen Heizungssystemen - auch in nach 2020 errichteten Gebäuden - ist äußerst kritisch zu sehen", schreibt die Wirtschaftskammer. Auch der Abbau umweltschädlicher Subventionen stößt auf Skepsis. "In diesem Zusammenhang von Subventionen zu sprechen und alles nur unter dem Klimaaspekt zu sehen, ist problematisch", heißt es. Und selbst die Taxi-Innung hat Bedenken angemeldet. Das geplante Verbot fossiler Antriebssysteme bei neu angeschafften Taxis und Mitwagen sei "aus Gründen der Versorgungssicherheit nicht zielführend". Sollten diese Forderungen auch auf dem Koalitionsverhandlungstisch liegen, dann ist der Weg zu Türkis-Grün wohl wirklich noch sehr, sehr weit.