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Das ignorierte Klimaproblem

Von Ronald Schönhuber

Klimawandel

In der Corona-Krise ist der Klimawandel auf der globalen Agenda weit nach unten gerutscht. Die Häufung von Waldbränden und Hurrikans sowie das Abschmelzen des arktischen Eises zeigen aber, dass die Erderwärmung ungebremst voranschreitet.


Vor einem Jahr hätte es die Nachricht aus dem Death Valley wohl noch ganz nach oben geschafft. Doch jetzt, da die Massendemonstrationen der Fridays-for-Future-Bewegung im vorigen Sommer plötzlich ganz weit weg erscheinen, haben selbst prinzipiell aufsehenerregende Temperaturrekorde größte Mühe, die globale Aufmerksamkeitsschwelle zu durchbrechen: Die am 17. August im Death Valley verzeichneten 54,4 Grad - laut Klimaforschern womöglich die höchste Temperatur der vergangenen hundert Jahre - fanden sich auf kaum einer Titelseite, selbst die Fotos mit den schwitzenden Touristen vor dem Thermometer in Furnace Creek wurden so gut wie nicht verbreitet.

Dass die Wucht, mit der die Corona-Pandemie den Planeten erfasst hat, die Klimakrise dermaßen zur Seite drängt, ändert aber freilich wenig daran, dass die globale Erwärmung nahezu ungebremst voranschreitet. Die großflächigen Lockdowns und das massive Zurückfahren der Wirtschaftsaktivität haben zwar zu einer kurzfristigen Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Höhe von 10 bis 30 Prozent geführt, doch auf lange Sicht hat die globale Vollbremsung des Frühjahrs kaum Auswirkungen. So geht ein internationales Forscherteam in seiner im Fachblatt "Nature Climate Change" veröffentlichten Analyse davon aus, dass der Rückgang des C02-Ausstoßes im heurigen Jahr den Temperaturanstieg bis 2030 maximal um 0,01 Grad dämpfen wird.

Kalifornien in Flammen

Die Auswirkungen des Temperaturanstiegs sind laut Klimaforschern auch jetzt schon überall zu beobachten. So hat die Rekordhitze in Verbindung mit der einhergehenden Trockenheit in Kalifornien nahezu ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Waldbränden geschaffen. Seit Jahresbeginn sind im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat mehr als 7000 Feuer ausgebrochen, die bereits mehr als 5600 Quadratkilometer Land - eine Fläche rund 14 Mal so groß wie Wien- verwüstet haben. Laut dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom haben die Brände damit "historische Ausmaße" erreicht. Im vergangenen Jahr hatte es im selben Zeitraum lediglich 4300 Feuer gegeben, die auf 226 Quadratkilometern wüteten.

Massiv zugenommen hat aber nicht nur die Anzahl der Brände. Mit dem SCU Lightning Complex bei San Jose und dem LNU Lightning Complex im Napa Valley lodern derzeit auch zwei Feuer, die sich möglicherweise zu den größten in der Geschichte Kaliforniens auswachsen können. "Wenn Sie nicht an den Klimawandel glauben, dann kommen Sie nach Kalifornien", schrieb Newsom am Samstag auf der Kurznachrichtenplattform Twitter.

Ähnlich verheerende Waldbrände hatte es zum Jahreswechsel auch in Australien gegeben. Allein im am schwersten betroffenen Bundesstaat New South Wales brannten damals 55.000 Quadratkilometer nieder. Was für das monatelange Inferno verantwortlich war, ist für die damals noch während der Brände eingesetzte Untersuchungskommission heute ebenso klar wie für Gavin Newsom in Kalifornien. Die durch den Klimawandel verstärkte Trockenheit habe die Ausbreitung der überwiegend durch Blitze ausgelösten Feuer begünstigt, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Abschlussbericht der australischen Experten.

Mehr Hurrikans erwartet

Großflächige Waldbrände sind derzeit aber nicht die einzige Naturkatastrophe, die die USA bedrohen. Im Atlantik ist der Tropensturm "Laura", der bereits für schwere Schäden in Haiti und der Dominikanischen Republik gesorgt hatte, am Dienstagmorgen zu einem Hurrikan der Stufe 1 herangewachsen und nimmt nun Kurs auf die südlichen US-Bundesstaaten Louisiana und Texas. Wenn "Laura" vermutlich in der Nacht auf Donnerstag dort auf Land trifft, dürfte der Sturm sogar noch einmal an Kraft gewonnen haben. Das Nationale Hurrikanzentrum rechnet mit einem Sturm der Kategorie 3 und Windgeschwindigkeiten von bis zu 185 Stundenkilometern.

Am Montagabend war bereits Tropensturm "Marco", der kurz zuvor noch Hurrikanstärke erreicht hatte, auf die südliche US-Küste getroffen und hatte für massive Regenfälle gesorgt. Dass zwei große Wirbelstürme so knapp hintereinander die selbe Region heimsuchen, ist in der Vergangenheit selten zu beobachten gewesen, könnte laut Klimaforschern aber ebenso wie die massive Zunahme an Waldbränden schon bald das neue Normal darstellen. So hat die heurige Hurrikansaison mit Sturm "Hanna", der am 25. Juli Texas erreicht hat, nicht nur ungewöhnlich früh begonnen. Die Wissenschaftler der Colorado State University prognostizieren auf Grund der relativ hohen Wassertemperaturen im Atlantik und im Karibischen Meer für dieses Jahr auch eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Sturmereignissen. Von den 16 erwarteten Wirbelstürmen könnten sich dabei bis zu vier zu ganz großen und extrem gefährlichen Hurrikans auswachsen.

Eisschmelze unumkehrbar

Wie weit der Klimawandel mittlerweile vorangeschritten ist, lässt sich aber nicht nur an der Häufung von Waldbränden und Wirbelstürmen beobachten. So hat der Grönländische Eisschild, seit Beginn eines der großen Symbole der Klimawandel-Debatte, laut den jüngsten Daten des deutschen Alfred-Wegener-Instituts im vergangenen Jahr einen Rekordverlust verzeichnet. Mit 532 Milliarden Tonnen gingen fast 20 Prozent mehr Masse verloren als im bisherigen Rekordjahr 2012. Und das Abschmelzen der grönländischen Eisdecke, das über die Jahrzehnte einen Meeresspiegelanstieg von mehreren Metern bewirken dürfte, wird aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht mehr aufzuhalten sein. So hat der Schneefall laut einer Studie der Ohio State University bereits in den vergangenen 34 Jahren nicht mehr ausgereicht, um die jährlichen Massenverluste im Sommer auszugleichen.

In Haiti hat Hurrikan "Laura" bereits schwere Schäden verursacht.
© reuters