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Lockdown war kein Klimaretter

Von Alexandra Grass

Klimawandel
© Wolfgang - stock.adobe.com

Die Luftqualität verbesserte sich geringer als erwartet. Die Meere blieben von den Maßnahmen unbeeindruckt.


Die frühen Lockdowns, wie sie im Zuge der Covid-19-Pandemie notwendig geworden waren, hatten offenbar weniger Einfluss auf die Umwelt als bisher angenommen beziehungsweise gehofft. So hätten die Maßnahmen zwar in den Städten für bessere Luft gesorgt, allerdings geringer als erwartet, wie eine Studie von Forschern der Universität Birmingham zeigt. Die Meerestemperatur scheint von den erfolgten Veränderungen der vergangenen Monate gar ziemlich unbeeindruckt geblieben zu sein. Trotz des Absinkens globaler Emissionen aufgrund reduzierter Reise- und Pendlertätigkeit haben die Ozeantemperaturen im Jahr 2020 einen neuen Rekord erreicht, wie ein weiteres internationales Forscherteam berichtet.

Elf Weltstädte gemessen

Die Wissenschafter nahmen insgesamt elf Weltstädte genauer unter die Lupe: Peking, Wuhan, Mailand, Rom, Madrid, London, Paris, Berlin, New York, Los Angeles und Delhi. Dabei stellten sie fest, dass die vorteilhaften Reduzierungen von Stickoxiden, wie sie durch Autoabgase in die Umwelt geraten, aufgrund der Lockdowns geringer waren als erwartet. Ihre Statistik hatten sie um die normalen Auswirkungen des Wetters beziehungsweise der Jahreszeiten bereinigt, denn Wetteränderungen können Veränderungen der Emissionen auf die Luftqualität rein rechnerisch maskieren. Parallel dazu hatten die Maßnahmen zu einem Anstieg der Ozonkonzentrationen in den Städten geführt, so die Forscher im Fachblatt "Science Advances".

Stickoxide sind ein Luftschadstoff, der aus Verkehrsemissionen stammt und mit Atemproblemen in Verbindung gebracht wird. Ozon ist ebenso gesundheitsschädlich und schädigt zudem die Ernte. Die Studie zeigt, dass die Konzentration von gesundheitsschädlichem Feinstaub in allen untersuchten Städten mit Ausnahme von London und Paris abnahm. "Die rasche, beispiellose Verringerung der Wirtschaftstätigkeit bot die einzigartige Gelegenheit, die Auswirkungen von Eingriffen auf die Luftqualität zu untersuchen. Emissionsveränderungen im Zusammenhang mit den frühen Lockdowns führten zwar zu raschen Veränderungen der Luftschadstoffwerte, ihre Auswirkungen auf die Luftqualität insgesamt waren aber komplexer als gedacht und geringer als erwartet", schreibt Studienautor Zongbo Shi, Professor für Atmosphärische Biogeochemie an der Universität Birmingham.

Luftverschmutzung ist das weltweit größte Umweltrisiko für die menschliche Gesundheit und führt jährlich zu rund 6,7 Millionen Todesfällen.

Rekordtemperatur im Meer

Die Meerestemperaturen brachen 2020 alle Rekorde, wie eine zweite Studie zeigt. Das internationale Forscherteam um Lijing Cheng vom Institute of Atmospheric Physics der Chinesischen Akademie der Wissenschaften berichtet im Fachblatt "Advances in Atmospheric Sciences" von den höchsten Temperaturen seit 1955 - gemessen von der Oberfläche bis zu einer Tiefe von 2.000 Metern.

Mehr als 90 Prozent der durch die globale Erwärmung verursachten überschüssigen Wärme werde von den Ozeanen absorbiert. Die Aufheizung der Meere sei daher ein direkter Indikator für die globale Erwärmung an sich. "Aufgrund einer verzögerten Reaktion der Ozeane auf die globale Erwärmung werden die Trends des Ozeanwandels jedoch mindestens mehrere Jahrzehnte anhalten", erklärt Cheng. Die Gesellschaft müsste sich jetzt an die unvermeidbaren Folgen anpassen und die Treibhausgasemissionen dringend reduzieren, fordern die Forscher.

Sie berichten auch über weitere Effekte aufgrund der Erwärmung. Einerseits verstärke sich der Salzgehalt im Wasser, andererseits komme es zu einer stärkeren Schichtung, da sich die obere Wasserschicht schneller erwärmt als die tieferen Abschnitte. Beide Veränderungen könnten die Ökosysteme der Ozeane langfristig schädigen. Sie "stellen aber auch ein ernstes Risiko für menschliche und andere natürliche Systeme dar", so Cheng. Er verweist etwa auf die Waldbrände im Jahr 2020, die Australien, Teile des Amazonasgebiets und die Westküste der Vereinigten Staaten verwüstet hatten. Zudem fördern wärmere Ozeane und eine wärmere Atmosphäre Regenfälle bei allen Arten von Stürmen, was zu mehr Hochwassern führe. Dem Ozean sollte daher bei weiteren Maßnahmen große Aufmerksamkeit geboten werden.