Der Klimawandel gilt als die globale Herausforderung unserer Zeit. Eine der Kernfragen der Wissenschafter lautet dabei: Wie viel Treibhausgas darf noch in die Atmosphäre deponiert werden, um den Klimawandel einigermaßen beherrschbar zu halten? Anders formuliert: Welches Treibhausgas-Budget bleibt, um die Erderwärmung bei möglichst 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu halten, wie es der Weltklimavertrag von Paris vorsieht?

Der UN-Weltklimarat (IPCC) wird dazu am Montag seinen neuen Bericht veröffentlichen. Ein Extra-Kapitel befasst sich diesmal mit der Wirkung kurzlebiger Treibhausgase. Dies betrifft etwa Methan, dessen Treibhaus-Wirkung deutlich stärker ist als die von Kohlendioxid, das jedoch auch schneller in der Atmosphäre wieder abgebaut wird.

Zwar ist sich die Wissenschaft weitgehend einig, dass bis Mitte des Jahrhunderts der Ausstoß von Treibhausgasen auf null reduziert werden muss. Beim Tempo und den Zwischenstufen gibt es jedoch Unsicherheiten. Daher wird der Abschnitt des IPCC-Berichts über Entwicklung des Anteils von Treibhausgaben in der Atmosphäre und deren Wirkung sowie zu Szenarien für das künftige Fortschreiten der Erderwärmung mit Spannung erwartet.

EU-Kommission prescht vor

Dies auch, weil der Bericht als wissenschaftliche Leitlinie für politische Verhandlungen dient. Im November findet im britischen Glasgow die Weltklimakonferenz statt. Dort sollen neue Zusagen der Staatengemeinschaft eingeholt werden - so wie es der bahnbrechende Pariser Klimavertrag alle fünf Jahre vorsieht.


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Die EU-Kommission hat bereits Mitte Juli ihren Plan vorgestellt. Unter dem Motto "Fit for 55" sollen bis 2030 die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent sinken beziehungsweise um 40 Prozent im Vergleich zu 2005. Im Jahr 2050 soll die Union klimaneutral sein.

Zentral für das Gelingen sind strengere Kohlendioxid-Grenzwerte für Autos. Der Verkehr ist der einzige wichtige Sektor in der EU, in dem in den vergangenen Jahrzehnten kein signifikanter Rückgang der Treibhausgasemissionen verzeichnet wurde. Geht es nach der Kommission, soll der CO2-Ausstoß bei Neuwagen 2030 im Schnitt um 55 Prozent niedriger sein als 2021. Zudem sollen alle Neuwagen ab 2035 emissionsfrei sein. Der Auto-Herstellerverband Acea warnt naturgemäß vor einseitigen Vorgaben. Er hält eine Verschärfung der Grenzwerte nur für möglich, wenn es gleichzeitig verbindliche Vorgaben für mehr Infrastruktur für Elektrofahrzeuge gibt.

Auch andere Industriezweige fürchten schärfere Maßnahmen, wenn das Emissionshandelssystem für mehr als 10.000 Anlagen im Stromsektor und in der verarbeitenden Industrie sowie die Emissionen durch den innereuropäischen Luftverkehr erweitert wird. Die EU-Kommission schlägt vor, Teile des Seeverkehrs mit einzubeziehen. Zudem soll ein eigenes Emissionshandelssystem für die im Straßenverkehr und zum Heizen von Gebäuden genutzten Brennstoffe geschaffen werden. Zur Diskussion stehen dabei die Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Wie können diese konkurrieren mit Staaten wie dem größten Treibhausgas-Emittenten China?

Befürchtet wird mancherorts auch, dass eine Verschärfung der Regeln bei Verkehr und Gebäuden Verbraucher in EU-Ländern mit niedrigerem Einkommen überdurchschnittlich belasten könnte. Die Kommission hat daher einen Sozialfonds in Höhe von 144,4 Milliarden Euro vorgeschlagen, der und Bürgern Geld für Investitionen in Energieeffizienz, neue Heiz- und Kühlsysteme und sauberere Mobilität ermöglicht.

Nachzügler Österreich

Für Österreich sieht die Kommission eine CO2-Reduktion um 48 Prozent gegenüber 2005 vor, somit mehr als im Unions-Länderschnitt von 40 Prozent. Denn von 1990 bis 2018 haben sich die Treibhausgas-Emissionen laut Europäischer Umweltagentur hierzulande kaum verändert. Die eigentlichen zentralen Verhandlungen zwischen Mitgliedsstaaten und EU-Parlament starten erst, der Kommissionsvorschlag ist wie so vieles auf Papier geduldig.

Viele Experten warnen, dass die Zeit drängt, wie auch Hochwasser, Hitzewellen, Wirbelstürme und steigende Meeresspiegel zeigen. Daher werden auch neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und Extrem-Wetter-Ereignissen im Bericht des UN-Weltklimarats erwartet. Bisher gilt zwar als gesichert, dass es mehr von diesen Katastrophen geben wird. Die Wissenschaft versucht aber, die Verbindungen genauer darzustellen. Der Bericht werde "auch klarmachen, dass wir mit Blick auf den Anstieg des Meeresspiegels und das Abschmelzen der Eisschilde noch zu wenig wissen", sagt Kelly Levin vom Bezos Earth Fund. Erwartet werden von der vierteiligen Berichtsserie im Vergleich zu den bisher letzten Bänden 2013/14 eindringlichere Formulierungen zu den bereits spürbaren Folgen der Erderwärmung. (reu/dpa/red)