Zum Hauptinhalt springen

Warum sich Österreich besonders stark erwärmt

Von Petra Tempfer

Klimawandel

Die bis 2030 prognostizierte globale Erwärmung ist in Österreich schon jetzt überschritten: Der alpine Raum reagiert sensibel.


Der Mensch breitet sich aus. Dabei verdrängt er auch das Grün, das ihn umgibt, um es in Beton zu gießen. Österreich ist Europameister beim Versiegeln des Bodens. Fast 13 Hektar Land verschwinden täglich unter Straßen, Häusern, Industriehallen, Parkplätzen und Freizeitanlagen. Pro Jahr sind das rund 47 Quadratkilometer, was zum Beispiel der Fläche der Vorarlberger Landeshauptstadt Bregenz mitsamt der angrenzenden Gemeinde Hard entspricht. In den Straßenschluchten der Städte bleibt die heiße Luft stehen. Das hat mehr Hitzetage (Tageshöchsttemperatur erreicht 30 Grad Celsius) und Tropennächte (niedrigste Temperatur fällt nicht unter 20 Grad Celsius) zur Folge.

Vielleicht mit ein Grund für die Wucht, mit der die Erwärmung, der sich auch der sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates IPCC widmet, besonders Österreich trifft. Deren Intensität lässt sich an den Statistiken der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Zamg) ablesen. Demnach ist es hier bereits um rund 2 Grad wärmer als zu Beginn der Industrialisierung 1880. Weltweit wird die Erwärmung dem IPCC-Bericht zufolge bei der derzeitigen Entwicklung 2030 bei 1,5 Grad liegen.

Um diesen externen Inhalt zu verwenden, musst du Tracking Cookies erlauben.

Bis 2100 um 5 Grad wärmer

In Wien sei die Lufttemperatur schon jetzt von einem Jahresmittel von 8,8 Grad Mitte des 20. Jahrhunderts auf heute 11,7 Grad gestiegen, sagt Alexander Orlik, Klimaexperte der Zamg, zur "Wiener Zeitung". Auch die Anzahl der Hitzetage habe sich erhöht. Gab es von 1961 bis 1990 in den meisten Landeshauptstädten pro Jahr zwischen fünf und elf und maximal 20 Hitzetage, so waren es von 1991 bis 2020 bereits zwischen 16 und 22. Die Rekorde lagen bei mehr als 40.

Folgt keine Trendumkehr, werde die Temperatur in Österreich bis 2100 um mindestens 5 Grad höher als 1880 sein, heißt es dazu von der Zamg. Das würde nahezu jenen zwei, vom IPCC entworfenen Szenarien entsprechen, die von einer mindestens Verdoppelung der CO2-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts ausgehen und die düsterste, globale Zukunft zeichnen: Denn dann wäre ein weltweiter Anstieg der Temperatur um bis zu 5,7 Grad bis 2100 möglich, heißt es in dem Bericht. Die Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen haben 2015 in Paris deutlich niedrigere Klimaziele definiert. Diesen zufolge muss die globale Erwärmung bis 2100 auf möglichst 1,5 Grad, mindestens aber deutlich unter 2 Grad gehalten werden.

In Österreich ist die Erwärmung schon jetzt weiter fortgeschritten. Das habe auch auf den Schneefall enorme Auswirkungen, so die Zamg. Den Prognosen zufolge bleibt es in den kommenden Jahrzehnten nur noch über 1.500 bis 2.000 Meter kalt genug für Schnee. Darunter wird es regnen. Der Niederschlag ist dabei übers Jahr zunehmend ungleich verteilt. Noch häufigere Dürreperioden und Hochwasser werden die Folge sein.

Doch nicht nur Österreich, auch die Schweiz und Südtirol verzeichnen ähnlich hohe Temperaturanstiege. "Der alpine Raum reagiert besonders sensibel", sagt dazu Helga Kromp-Kolb, Professorin an der Boku und Vorsitzende des Climate Change Centre Austria. Der Grund dafür: Die Flächen, die sich durch die Sonnenbestrahlung erwärmen können, sind aufgrund der hohen Berge größer. Das sei ein Teufelskreis, so Kromp-Kolb zur "Wiener Zeitung", werden doch die Alpen durch die schrumpfenden Gletscher zunehmend dunkler und dadurch leichter aufheizbar. In den Tälern bleibe indes die kalte Luft hängen - und Kaltluftbecken entstehen.

Regionale Unterschiede groß

Die regionalen Unterschiede seien in Österreich besonders stark ausgeprägt, und zwar ebenfalls aufgrund der Alpen, die das Land durchziehen. "Im Osten müssen wir mit einer stärkeren Erwärmung rechnen", sagt Kromp-Kolb. Konkret verzeichnen die Großstadt Wien, das Weinviertel, die Südoststeiermark sowie das Burgenland schon jetzt einen überdurchschnittlich starken Temperaturanstieg.

Die eigentliche Dramatik liege dabei in der enormen Geschwindigkeit, mit der die Erwärmung voranschreite, so Kromp-Kolb. Mit der die Kinder des Anthropozäns, des Zeitalters des Menschen, dieses verändern. "Alles steht und fällt mit den Emissionsmaßnahmen der Politik", sagt sie. "Gibt es keine Verbote, ist davon auszugehen, dass die Prognosen von 5 Grad Erwärmung in Österreich bis 2100 eintreten." Die letzte Konsequenz wäre dann nur noch, sich an Hitze und Dürreperioden anzupassen.

"Wir müssen jetzt handeln - es braucht engagierte Klimaschutzpolitik", meinte auch Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) angesichts des IPCC-Berichts. Der Bericht bestätige, dass bei Vorantreiben ambitionierter Klimaschutzmaßnahmen eine Eindämmung der Klimakrise möglich sei.

Einige zentrale Meilensteine in Österreich seien bereits umgesetzt, so Gewessler weiter. Etwa das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, weiters ein Bahnausbaupaket und dass Österreich den europäischen Corona-Wiederaufbaufonds primär für Klimaschutzzwecke nutze. Mit dem "Fit-for-55"-Legislativpaket arbeite man ebenfalls auf europäischer Ebene zusammen. Die Europäische Kommission schlägt mit diesem Paket eine Überarbeitung einschlägiger Politikinstrumente vor, um bis 2030 mindestens 55 Prozent Netto-Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 einzusparen.

A3 wird nicht verlängert

Zudem werde die umstrittene Verlängerung der Südostautobahn (A3) im Burgenland bis zur Grenze bei Klingenbach (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) nicht durchgeführt, verlautete Gewessler am Montag. Das Projekt werde aufgrund der Auswirkungen auf Boden und Klima nicht umgesetzt. Zu diesem Schluss sei man im Zuge der Evaluierung des Asfinag-Bauprogramms gekommen. Der S10-Lückenschluss in Oberösterreich soll hingegen gebaut werden. Denn dabei handle es sich um ein "notwendiges Projekt insbesondere auch zur Entlastung der Anrainergemeinden", so das Klimaschutzministerium.

Bei der A3-Verlängerung würden rund 60 Hektar Boden versiegelt, die Folgen für Boden und Klima wären "dramatisch", betonte Gewessler. Außerdem würde eine Realisierung des Vorhabens einen Anstieg beim Verkehr, vor allem beim Transitverkehr, bedeuten.

Gewessler hatte Anfang Juli angekündigt, dass alle Asfinag-Bauprojekte evaluiert und somit bis zum Herbst gestoppt werden. "Ich will die letzten unberührten Naturräume erhalten, unsere fruchtbarsten Böden schützen und auf das Klima aufpassen", sagte sie.

Umweltschutzorganisationen geht das alles nicht weit genug. Greenpeace etwa forderte von der Regierung, "schleunigst ein umfassendes und ambitioniertes Klimaschutzgesetz sowie eine sozial abgefederte ökosoziale Steuerreform umzusetzen". Global 2000 sprach sich für einen stufenweisen, rechtlich verbindlichen Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle bis 2040 aus.

<info-p>

Der Bericht des Weltklimarates:

https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/downloads/report/IPCC_AR6_WGI_Full_Report.pdf

</info-p>