Wien. Atempause. Die Urteile im Telekom-III-Verfahren um die versteckte Parteienfinanzierung der FPÖ im Jahr 2004 sind gesprochen, erst am 9. September wird im großen Schwurgerichtssaal weiterverhandelt. Dann geht es um die Finanzierung des BZÖ aus der Telekom. Vielleicht fallen auch hier die Urteile noch vor dem Wahltag am 29. September, vielleicht aber auch nicht.

Klar ist, dass bisher nur ein kleiner Teil der gesamten Telekom-Causa gerichtlich aufgearbeitet ist und dass uns die Verfahren noch über Monate, bis zur letzten Instanz noch über Jahre, beschäftigen werden. Die gerichtliche Aufarbeitung wirft nicht nur ein Schlaglicht auf die Systeme Telekom und Haider - also das systematische Melken staatsnaher Unternehmen durch eine außer Rand und Band geratende politische Elite. Der Ausgang der Verfahren wird auch über die Sinnhaftigkeit der erstmals angewendeten Kronzeugenregelung entscheiden. Zeit also für eine Zwischenbilanz und einen Überblick über die wesentlichsten Fragen.

Sind die Strafen im Telekom-III-Verfahren gerecht?

Daran scheiden sich die Geister. Die meisten der Verurteilten und der Staatsanwalt haben Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt, teilweise aus taktischen Gründen. Wenn einer der Verurteilten in einem anderen Prozess angeklagt ist, kann er schlecht die Strafe auf sich sitzen lassen. Während die meisten Richter Michael Tolstiuk vor allem mit Blick auf den generalpräventiven Ansatz ein gutes Augenmaß attestieren, finden manche das Urteil für Ex-FPÖ-Werber Gernot Rumpold (3 Jahre unbedingt) im Vergleich zu jenem für Ex-Telekom-Manager Rudolf Fischer (3 Jahre, davon aber nur 6 Monate unbedingt) zu scharf. Schließlich sei ja Fischer und nicht Rumpold der Haupttäter gewesen - das Geständnis Fischers sei zwar mildernd zu werten, rechtfertige aber nicht diesen großen Unterschied im Strafmaß. Dies ist aber eine Minderheitsmeinung.

Haben die Urteile Vorbildwirkung für die weiteren Telekom-Verfahren?

Alles andere wäre unlogisch. "Ich habe den Eindruck gewonnen, dass sich die Justiz von Fall zu Fall vorarbeitet", sagt der ehemalige Rechnungshof-Präsident und Transparency-Experte Franz Fiedler. Dementsprechend werden wohl auch die Urteile im Telekom-III-Verfahren richtungsweisend für die weiteren Prozesse sein. Wenn der Hauptangeklagte bei einer Schadenssumme von 600.000 Euro zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, würde das bedeuten, dass bei einer Schadenssumme von zehn Millionen Euro - so viel fordert zumindest die Telekom im Fall der Valora-Zahlungen an diverse Parteien zurück - im Falle von Schuldsprüchen mit entsprechend höheren Strafen gerechnet werden könnte. Der Strafrahmen bei Untreue reicht von einem bis zehn Jahren Haft.

Was bedeutet der Ausgang des Verfahrens für die FPÖ?

Rechtskräftig wird der sogenannte "Verfall" der 600.000 Euro wenn überhaupt, dann erst nach der Nationalratswahl. Vor der Wahl kann sich durch den Ausgang des Prozesses also maximal ein Image-Schaden für die Blauen ergeben. Und den schätzt Fiedler bei maximal ein bis zwei Prozent der Stimmen ein. Auch ist die FPÖ stets bemüht, sich von den Freiheitlichen des Jahres 2004 abzugrenzen - "es gibt keine strafrechtliche Verurteilung freiheitlicher Funktionäre", sagt Walter Rosenkranz (FPÖ), selbst Rechtsanwalt und einst Vorsitzender des Korruptions-U-Ausschusses. Nachsatz: "Den Verfall kenne ich nur, wenn man bei einem Gangster Geld sichergestellt hat." Sollten die Urteile bestätigt werden, wird es für die FPÖ trotzdem unangenehm. Denn selbst bei mittlerweile durch einen langjährigen Siegeszug bei Wahlen gut gefüllten Parteikassen können auch die Blauen nicht einfach 600.000 Euro aus der Portokasse zahlen. Für das BZÖ könnte eine Verurteilung ungeachtet des Wahlausgangs den Untergang bedeuten: 960.000 Euro entsprechen einem Viertel des orangen Wahlkampfbudgets.

Hat sich die Kronzeugenregelung bewährt?

Ja, zumindest in diesem Fall. Der ehemalige Telekom-Manager Gernot Schieszler hat lange um den Status gekämpft und sich bei seinen Zeugenaussagen in den Strafprozessen vorsichtig gezeigt. Schieszler hat mit seinen Stück für Stück preisgegebenen Aussagen und Materialien zur Klärung des Sachverhalts beigetragen, teilweise sah er sich sogar als Teil des Ermittlerteams. Da aber der Kronzeugenstatus, der ihm Straffreiheit gewährt, schnell verlustig gehen kann, ist er vor Gericht stets darauf bedacht, sich selbst nicht zu widersprechen, worunter seine Glaubwürdigkeit als Zeuge leidet. Helmut Fuchs, Vorstand des Instituts für Strafrecht am Wiener Juridicum, betont, dass die Aussagen des Kronzeugen für die Urteilsbegründung weniger wichtig sein sollte als die objektiven Beweise, die auf Basis seiner Aussagen gefunden wurden.

Die vorerst bis 2016 befristete Kronzeugenregelung wird wohl nicht häufig angewendet werden, wird aber als abschreckendes Mittel sehr wohl als sinnvoll eingeschätzt. "Jemand, der eine Straftat begeht, kann sich nicht darauf verlassen, dass die anderen dicht halten", sagt Fuchs. Abseits der Glaubwürdigkeit gibt es aber einige Hindernisse. Etwa ist ein Kronzeuge vor zivilrechtlichen Ansprüchen nicht gefeit. Außerdem ist, wie ein Jurist betont, der Moment der Anklageerhebung normalerweise der, indem ein Täter psychologisch am meisten bereit ist, auszupacken. Zu diesem Zeitpunkt ist die Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung aber nicht mehr möglich.