
Wo aber beginnt das Bauen und wo die Stadt? "Nicht in den Köpfen der Politik, sondern im Leben, in der Kulturentwicklung und mit Wittgenstein und seiner Bauherrin", sagte Kapfinger. Den Entwurf unternahm "die gescheite, versierte, architektonisch gebildete" Margarethe Stonborough 1925 zusammen mit dem Wiener Architekten Paul Engelmann. Danach kam Ludwig hinzu, der den Plan zu dem machte, was das Palais ist.
Das gesamte Erdgeschoss besteht aus künstlichen Materialien: Kunststeinboden, Betonwände, geschliffener Zementputz, Stahlfensterrahmen, Glas, Stucco lustro. "Es ist alles unter Kontrolle. Indem ich mit Materialien umgehe, habe ich alles in der Hand, ähnlich wie mich die Sprache die Zivilisation erleben lässt", verdeutlichte Kapfinger. "Wie in der Philosophie führt Wittgenstein auch die Sprache der Architektur und ihre Bestandteile auf ihr elementares Sein zurück. Wenn wir in 500 Jahren zurückschauen, ist es immer noch korrekt."
Im Haus seiner Schwester übersah Wittgenstein kein materielles Detail. Für sich selbst aber brauchte er wenig, er lebte im Geist. Wittgensteins Wohnhaus in Norwegen besteht aus Naturstein mit Holzfenstern und Holzböden. Wie passt das zusammen? "Er sah eine Korrelation von Philosophie und Architektur. Beide hielt er für Arbeit an sich selbst und der eigenen Auffassung", erläuterte Stadler.
Architektur ist eine Geste. Nicht jede Bewegung des Körpers ist eine Geste, so wenig wie jedes zweckmäßige Gebäude Architektur ist, schrieb Wittgenstein. Manchen Bauherren von heute ist das egal. Mit dem Begriff "Betongold" beschreibt Fitz die durch die Niedrigzinspolitik zahlreich gewordenen frei finanzierten Wohnhäuser, mit denen Geld verdient wird. Wohnen macht manche reicher, andere nicht. "Stadt ist ein kapitalistisches Phänomen und hat mit einer Art des Wirtschaftens zu tun, also nicht mit Menschen an sich, sondern mit menschlichem Handeln", sagte sie. "Das heißt, wir können es ändern. Es geht um gebaute Gerechtigkeit. Und Partizipation."
Architektur war nur ein Ausdruck von Wittgensteins Auseinandersetzung mit Leben und Welt. Stadtplaner könnten von ihm lernen. Denn Städte entstehen nicht am Reißbrett, sondern vor Ort.