Das Leben starker Frauen interessierte Margret Greiner schon immer. Darüber zu schreiben begann sie, als von ihr selbst Stärke und Durchsetzungsvermögen verlangt wurden. 2000 wurde ihr Mann Bernhard Greiner, Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Tübingen mit Spezialgebiet für jüdische Literatur, eingeladen, an der hebräischen Universität in Jerusalem für zwei Jahre zu lehren. Sie ließ sich von ihrer Schule, wo sie Literatur und Geschichte unterrichtete, beurlauben und ging mit, überzeugt, dass auch sie Arbeit finden werde.

Doch in Westjerusalem, wo das Ehepaar auch wohnte, fand sie keine Anstellung. So entschloss sie sich, an der Schmidt-Schule in Ostjerusalem christlichen und muslimischen Mädchen deutschsprachige Literatur nahezubringen. "Es war eine tägliche Gratwanderung. Sowohl geografisch als auch geistig. Gerade war die zweite Intifada losgegangen. Auf beiden Seiten erlebte ich Hass und Vorurteile. In Westjerusalem gab es oft neun Selbstmordattentate pro Tag. Meine Freunde in Westjerusalem verstanden nicht, dass ich in einer Palästinenserschule in Ostjerusalem unterrichte. Die Schülerinnen wiederum waren anfangs voller Misstrauen mir gegenüber. Diese Extremsituation brachte mich zum Schreiben", erzählt Margret Greiner.
Jede Woche verfasste sie eine Kolumne für die "Süddeutsche" und die "Stuttgarter" unter dem Titel "Emails aus Jerusalem", woraus später ihr erstes Buch entstand: "Miss, wie buchstabiert man Zukunft?". Jahre vorher hatte sie immer wieder einmal Jerusalem besucht und sich für die jüdische Seite eingesetzt. Nun lernte sie auch die Probleme der Palästinenser kennen und verstehen. "Seither hat sich meine Einstellung zu Israel sehr verändert", gesteht sie.
Zurück in Deutschland fiel Margret Greiner in ein Arbeitsvakuum. Was nun? "Ich kann ja nicht ein Kochbuch schreiben", meinte sie damals etwas mutlos. Doch der zündende Funke kam - in Wien im Leopold Museum, wo sie in der Ausstellung "Klimt - persönlich" auf Emilie Flöge (1874-1952) stieß. Wer war diese Frau, die stark genug war, Klimts Eitelkeiten, Seitensprünge und Jammerbriefe auszuhalten? Sie begann zu recherchieren und stieß auf eine interessante Persönlichkeit, die sich neben dem Künstlerkoloss ein eigenes, unabhängiges Leben aufbaute und gerade dadurch zu einer Stütze für Klimt wurde. Durch gründliche Recherchen konnte Margret Greiner Emilie Flöge, die bis dahin immer nur durch und mit Klimt in der Literatur bestehen konnte, ein eigenes Profil geben, sie zu der Persönlichkeit hinschreiben, die sie wirklich war.
Kein schüchternes
Mädchen
Margret Greiner entwickelt in dieser Romanfigur schon deutlich ihre Stärke: Mit Fleiß und Spürsinn recherchiert sie, liest Briefe, sucht geeignete Interviewpartner. Sie steigt in die Person hinein und vermeidet gekonnt eine rein dokumentarische Aufzählung, die so viele Biografien trocken und langweilig werden lassen.
Für ihr neues Buch zog es Margret Greiner wieder in die Wiener Moderne. Auf der Suche nach starken Frauen stößt sie auf Margaret Wittgenstein. "Ich glaube, Frauen verstehe ich besser als Männer", erklärt sie ihre Affinität. Margaret Wittgenstein (1882 -1958) wächst in einer der reichsten Familie Wiens auf. Vater Karl Wittgenstein regiert mit harter Hand über seine siebenköpfige Kinderschar. Da er ein großer Bewunderer und Förderer von Gustav Klimt ist, lässt er seine Tochter 1904 von ihm malen. Das Bild zeigt eine junge Frau, die ihren ernsten, entschlossenen Blick in die Ferne richtet. Kein schüchternes Mädchen, das sich von Klimt oder ihrem übermächtigen Vater einschüchtern ließe. 1905 heiratet sie den Amerikaner Jerome Stonborough, der nichts anderes tut als - nichts, unruhevoll von einem Ort zum anderen zieht und vom Geld seiner Ehefrau lebt. Diese ist zwar von ihrem Ehemann nicht wirklich angetan, finanziert aber dennoch die diversen Umzüge, richtet in Berlin, Paris, Zürich, New York mit der ihr gewohnten Perfektion elegante Wohnungen ein. Dass sich Unruhe und Depressionen ihres Mannes vielleicht in der Berglandschaft am Traunsee in der Villa Toscana, die sie kauft und um viel Geld renovieren lässt, bessern, hofft sie vergebens. Schließlich trennt sie sich von ihrem Mann, lässt sich aber nie scheiden. Denn die Ehe ist für sie unauflöslich.
Dass sie unverschämt reich ist, geniert Margaret nicht so arg wie etwa ihren Bruder Ludwig. Der lebt ja in freiwilliger Askese und findet Reichtum unmoralisch. Um auch ihm aus seinen Depressionen herauszuhelfen, übergibt sie ihm die Bauleitung der Villa in der Kundmanngasse. Geld ist für Margaret nicht wichtig, sie nützt es, um anderen zu helfen. Nach dem Ersten Weltkrieg organisiert sie beispielsweise eine Hilfssendung von mehr als 100.000 Dosen Kondensmilch für die österreichischen Kinder und sammelt in Amerika Gelder für das kriegsgeschädigte Österreich. Mit dem ihr angeborenem Charme erreicht sie bei Behörden auch Unmögliches, wie etwa einen arischen Großvater, der in der Nazizeit notwendig war. Dieser Großvater kostet zwar fast das ganze noch vorhandene Vermögen der Familie, aber um Leben zu retten, setzt sie alles ein. "Sie lebte im Luxus, hat aber dem Geld etwas Starkes entgegengesetzt: Empathie und aktive Hilfsbereitschaft."