Wieder einmal umgarnt die Albertina ihren kostbarsten Besitz mit der Plastikkopie des deutschen Künstlers Ottmar Hörl, die für eine österliche "Hasenwoche" wirbt: In Pink prangt sie vor dem Eingang, am Graben und in den Ausstellungsräumen. Hörl wandelte den "Feldhasen" seines Kunstvorfahren Albrecht Dürer in einen Nachfahren von Marcel Duchamps Ready-mades, ein Multiple. Signiert oder unsigniert, je nachdem, welchen Preis man für eine farbige Variante bezahlen möchte, ist er (nicht nur) im Albertinashop erhältlich. Kunst- oder Kitschobjekt ist schon seit Hasenkarten-Editionen eines Joseph Beuys nicht mehr die Frage. 2003 baute Hörl zum 500. Geburtstag von Dürers "Großem Rasenstück" eine Installation aus 7000 grünen Hasen auf den Nürnberger Hauptmarkt.
"Der Hase aller Hasen" in Kitsch und Kunst
"Der Hase aller Hasen" (Günther Heinz über Dürers Aquarell von 1502) ist ein Star der Postmoderne. Sigmar Polke arbeitete sich ab an ihm: In Malerei und als Relief aus Bändern hat er ab 1968 den "kapitalistischen Realismus" damit charakterisiert. Klaus
Staeck sperrte den Dürerhasen 1987 in eine Kiste und druckte davon Plakate; Dieter Roth war noch verächtlicher und baute ihn aus Hasenköttel nach. Die Köttel schreiben Kunstgeschichte. Künstlerscheiße hatte es schon 1961 in den Dosen Piero Manzonis gegeben, das arme Material war dem realen Leben und der Kunstströmung "Arte povera" verbunden. Beuys trug in jungen Jahren getrocknete Hasenköttel im Hemd, womit er nicht nur das Herz von Eva Wurmbach, der Tochter eines Zoologen mit gleichen Hasenköttelvorlieben gewann - er identifizierte sich mit dem Steppentier, das schon 50 Millionen Jahre auf der Erde lebt. Sein "Ich bin ein ganz scharfer Hase!" bleibt uns als Maxime im Ohr.
Mathias Waske setzte die Hasenparade am Rande des guten Geschmacks fort und kombinierte Dürers Hasen und die "Betende Hände", wie auch Mauricio Cattelan mit einem großäugigen Tierpräparat den realen Kitsch zur Kunst hob. Wenn es um Bunnys nach berühmten Comics geht, schießt neben den "Inflatables" (nur scheinbar aufblasbaren Werken aus Edelstahl) von Jeff Koons, Partricia Waller mit gehäkelten Exemplaren sprichwörtlich den Hasen ab, denn sie liefert bösartigen Killerinstinkt mit: Die Hasenobjekte werden mit Karotten wie Mistgabeln aufgespießt, Hasenblut fließt reichlich.
Einen rosa Strickhasen monumentalen Ausmaßes legte die Künstlergruppe Gelatin 2005 im Piemont neben eine Almhütte oberhalb von Artesina ab. Dessen völlige Rückbindung an die Natur wurde mit seitlichem Loch und herausquellenden Innereien unterstrichen. Neben dem Land-Art-Beitrag machen manche ihrer unanständigen Stofftiercollagen hasenhafte Sinnlichkeit mit angehängten Schwänzen deutlich, was an den um Ostern stattfindenden Geschlechterkampf der Tiere erinnert.
Dies ordnet Hasen der Fruchtbarkeit mancher Göttinnen (von der altägyptischen Unut über die griechische Aphrodite bis zur germanischen Ostara) und der Gottesmutter Maria zu. Dabei springen die Protagonisten meterhoch wie Barry Flanagans Glockenhase aus dem Hof des Essl-Museums. Von diesem Künstler gibt es auch einen sitzenden Hasen-Denker nach Auguste Rodin auf einem Stein.
Sam Taylor-Johnson hat unter dem Nachnamen Taylor-Wood Kurzfilme veröffentlicht, in denen an Wänden hängende Hasen gleich der Jagdbeute in barocken Jagdstillleben alle Stadien der Verwesung im Zeitraffer durchleiden, ihr "Self Portrait in a Single Breastet Suit with Hare" vor weißer Tür erinnert aber wie Flanagans Denker wieder an den Hasengroßmeister Beuys, der Ha-senpfoten als Amulette an seine Ateliertüre und Anglerweste hängte.
Der Osterhase als Krafttier schob die Fluxusbewegung mit Wolf Vostell, Nam June Paik oder Bazon Brock an: Zwei gebackene Hasen und ein Osterei gesellten sich 1963 neben Fett und Filz (der wiederum aus Kaninchenhaar besteht) in die frühen Happenings. Beuys Entnahme aus dem Spielzeug-Osterkorb ist auch Kunstpolitik: Das Werk "Der Unbesiegbare", ein von einem Miniatursoldaten mit Gewehr bedrohter Plastilinhase auf Holzbrett, wurde 1967 aus dem Darmstädter Beuysblock zum Plakatmotiv der deutschen "Grünen". Weder damit noch mit den von Rudolf Steiner angeregten Reformen, die auf die Intelligenz der Tiere und Pflanzen und ihre Opferung für den Menschen hinweisen sollten, konnte die junge Partei etwas anfangen: 1980 wurde der Künstler von der grünen Liste gestrichen.
Ein Hase als Alter Ego
Sein Alter Ego oder auch tierisches "Außenorgan" im Sinne schamanistischer Auffassung diente Beuys weiter als Parallelbild christlicher Auferstehung. Er wollte mit "Hasenstücken" verschüttete alte Mythen lebendig machen, ein gelungener Versuch, die Urgeschichte des Menschen für die Gegenwart nutzbar zu machen. Zu fruchtbar, wendig, schnell, verband Beuys den auch in Asien und im Orient als Mondtier geltenden Hasen mit der Frau, (Wieder-)Geburt und malte mit seinem Blut. Da er sich zu Mittelmeerpflanzen im Innenhof auch Kaninchen hielt, war es vorhanden, die Tiere wurden vom begabten Koch auch zubereitet und gegessen, im Sinne des Kraft bringenden "Einverleibens".