Wien. Seit Anfang des Jahres begleitet diese Artikelserie den runden Pratergeburtstag. Ihr zugrunde liegt die Recherche im Wiener Circus- und Clownmuseum mit dem wandelnden Lexikon Robert Kaldy-Karo, der zugleich Direktor des Hauses ist. Noch bis Ende des Jahres ist dort die Sonderausstellung "250 Jahre Wiener Prater" zu sehen - Zeit also, diesen Ort genauer vorzustellen.

Sofort ist man umgeben von Gerätschaften aus dem alten Prater, Schaukästen aus historischen Grottenbahnen und Teilen eines antiken Kettenkarussells. Dazwischen: unzählige Postkarten und Original-Stiche, Plakate und Programmhefte zu Venedig in Wien, längst vergangenen Schaustellern sowie den Zirkussen Bach, Busch, und Zentral. Auch Andenken an den letzten Schützenverein des Praters, der bis 1938 existiert hat, sind zu sehen.
"Der Zweite Weltkrieg war - neben der Weltausstellung 1873 - die Hauptzäsur für den Prater", erzählt Kaldy-Karo. "In dieser Schau zeigen wir viele bisher noch nie ausgestellte Gegenstände erstmals öffentlich. Wir haben ein großes Archiv mit Sammlerstücken aus dem historischen Prater und ich gehe noch immer regelmäßig auf Flohmärkte und in Antiquariate: Die Neugier hört nie auf." Die Schau ist folgerichtig das Ergebnis jahrzehntelanger Sammelleidenschaft.
"Mantel für die Unterhaltung"
Bei der Ausstellungseröffnung waren neben fast 200 Gästen auch Karlheinz Hora, Bezirksvorsteher des 2. Bezirks, und Heinz Spitznagl, Präsident der Arge Wiener Bezirks- und Sondermuseen. Ebenso Teil der Eröffnungsfeierlichkeiten war eine Lesung der Schauspielerin Gabriele Schuchter. "Der Prater ist für unser Museum ein Mantel für die Unterhaltungskunst in all ihren Facetten: Varietée, Zirkus, Zauber, Schießbuden, Fahrgeschäfte...", erklärt Kaldy-Karo, als er weiter nach hinten ins Museum geht. Dort zeigt er auf ein Plakat vom "Festival der Clowns" und sagt: "Das Festival hat 1982 auf der Jesuitenwiese stattgefunden, das Plakat hat damals Gottfried Helnwein gemalt. Unser Museum war maßgeblich an diesem Festival beteiligt, genauso wie Jango Edwards."
Jango Edwards kennt man hierzulande hauptsächlich als Anarcho-Clown aus der Serie "Tohuwabohu", wo er für das Zerdeppern von Bierdosen bekannt wurde, doch international hat er sich vor allem als Hauptkraft einer modernen Clown-Ära einen Namen gemacht. Zudem hat der aus Detroit stammende Unterhaltungskünstler dem Circus- und Clownmuseum den Großteil seines Archivs gespendet, was hier nicht ohne Stolz präsentiert wird. Nicht nur dafür wurde Jango Edwards von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny 2012 mit dem "Goldenen Verdienstzeichen des Landes Wien" ausgezeichnet.
Von Tokio zu Okito
Die Führung geht weiter in den dritten Ausstellungsraum, wo Artefakte von historischen Draufgängern zu sehen sind, etwa die Peitsche der legendären Raubtierbändigerin Senide sowie Bilder, auf denen sie kühn mit ihren Tieren posiert. Daneben hängen Originalkostüme von verschiedenen Zirkuskünstlern, die im Prater gastierten. Eine Wand weiter wird es schaurig: Hier ist eine kleine, stille Armee von Bauchrednerpuppen aus dem Prater eng aneinander aufgestellt, darunter auch jene des niederländischen Zauberkünstlers Mabesta: Er schmuggelte während des Zweiten Weltkrieges im Inneren seiner Puppe Alkohol zwischen den Niederlanden und Belgien. An der Grenze wurde die Puppe für ein echtes Kind gehalten und das Auto durchgewunken.
"Okito", ein anderer Künstler aus den Niederlanden, wird ebenso vorgestellt: Von ihm steht ein Zaubertisch in einer Vitrine. Er hatte 1891 durch einen Unfall sein Gehör verloren und sich ab dann als Japaner ausgegeben: sein Name ist ein Anagramm von "Tokio". Außerdem stellte er die Behauptung auf, deswegen nicht mit dem Publikum zu kommunizieren, weil er dessen Sprache nicht beherrschte: ein für die damalige Zeit typischer Showman-Act. Okito war einige Jahre in Wien - und hier natürlich im Prater - als Zauberer tätig.
Geht man weiter in den Zauberraum der Ausstellung, sieht man jene Gegenstände, mit denen der legendäre Praterzauberer Anton Kratky-Baschik seine "Geisterprojektionen" durchgeführt hat. Daneben: ein Korb, in dem zahlreiche Degen stecken. Damit aufgetreten ist Kaldy-Karo selbst, mit seinem stellvertretenden Museumsleiter und langjährigen Zauberpartner Michael Swatosch-Doré, wie sich Kaldy-Karo schmunzelnd erinnert: "Das war im Rahmen der Bezirkswochen in den 1980ern. Wir nannten uns ‚Masters of Sensation‘. Den Korb haben wir nach dem Vorbild indischer Fakire bei einem österreichischen Korbmacher nachbauen lassen. Der Korb hat keine Tricks, man muss nur aufpassen. Er ist sehr länglich und deswegen als Wäschekorb unbrauchbar, hat mir der Korbmacher damals gesagt. Trotzdem hab ich ihn zweimal in Auftrag gegeben, und böse Zungen behaupten heute, dass der Korbmacher danach in Pension gegangen ist, weil wir ihn mit unseren Maßen so gequält haben."