Wien. "Sebastian von Schwanenfeld, Basilio Calafati und Anton Kratky-Baschik: Das sind drei legendäre Zaubererkünstler, die es - nicht nur im Prater - zu großer Berühmtheit gebracht haben", so Robert Kaldy-Karo, der Direktor des Wiener Circus- und Clownmuseums. "Aber man sollte auch den vielen kleinen ein Denkmal setzen, die im Prater etwas geleistet haben, auch wenn sie nicht unbedingt die erste Garnitur waren."

Denn Praterbuden gab es unzählige, und die wurden betrieben, bespielt und bezaubert: etwa von der Familie Folkmann, so Kaldy-Karo: "Ludwig Folkmann sen. hatte zehn Kinder, von denen acht auf der Bühne Karriere machten - allen voran der älteste, Ludwig Folkmann jun. Er trat ab etwa 1900 unter dem Namen Bellachini als Artist, Zauberkünstler und Impressario auf." Bellachini eröffnete sein Zaubertheater gegenüber dem Restaurant "Zum Eisvogel" und war 1923 Mitbegründer und Direktor der Olympia-Arena im Prater, in der es Wild-West-Shows, Raubtierschauen und Zirkusdarbietungen zu sehen gab.
Die Arena hatte 15.000 Sitzplätze, warb mit "populären Eintrittspreisen" und war gut besucht. Fred Folkmann war einer von Bellachinis Brüdern und trat bereits mit 16 als Tierstimmenimitator in den Wiener Varietés auf, so Kaldy-Karo: "Sein Schwager hatte einen Hund und einen Papagei, und wenn er den Hund ermahnte, hörte das der Papagei und wiederholte alles. Dadurch kam Fred auf die Idee, Tierstimmen zu imitieren. Er besuchte Zoos und Tierschauen, um verschiedene Laute einzustudieren."
Sven Orro war ein Schausteller und Hellseher, der sich in den 1920ern und 1930ern als "Meister der Gedankenleser" verkaufte. "Dazwischen ist er mehrmals pleite gegangen und immer wieder verschwunden", sagt Kaldy-Karo, während er ein kleines Büchlein mit dem Titel "Telepathie. Ihre Wesen und ihre Erlernung" aus einer Archivkiste zaubert: "Das hat Orro 1920 geschrieben und damit womöglich mehr verdient als mit seinen Zaubertricks." In der Einleitung steht wohlwollend: "Dem Ersuchen vieler meiner Anhänger Folge leistend, meine jahrelangen praktischen Erfahrungen auf dem Gebiete des Okkultismus zu veröffentlichen, lasse ich nun das erste Bändchen über Telepathie in die Welt fliegen. (...) All die vielen Werke über Telepathie stopften bisher das Hirn nur mit unnötigem Ballast voll. (...) Zum ersten Male soll darum hier mit dem Geheimnis gebrochen werden. Nicht wie das Problem der Telepathie steht, sondern worin der tatsächliche Inhalt dieser Kunst besteht, wie sie jeder Befähigte erlernen (...) kann, das soll Gegenstand und Zweck meines vorliegenden Werkchens sein." Zwar klingt das alles sehr hochtrabend, doch musste der Aufschneider und Bankrottier bald für immer untertauchen und hoffen, nicht von seinen Gläubigern gefunden zu werden.
Die Nazi-Puppe
Kaldy-Karo packt die nächste exotische Randfigur des Praters aus: den radfahrenden Bauchredner Franz Steidler (1871-1951). "Am Fahrrad setzte er seine Bauchrednerpuppe immer in einen Korb, der am Lenkrad befestigt war. Die populäre Puppe hörte auf den Namen Nazi, eine Koseform von Ignaz, und während er durch die Straßen des 2. Bezirks gondelte, unterhielt er sich laut mit Nazi. Ja, er trat nebenbei viel in Pratergaststätten auf und sprach ganz gern dem Alkohol zu - so wie damals viele Zauberer und Artisten." Steidler gastierte in Praterinstitutionen wie dem Zirkus Busch und dem Zirkus Zentral. "Er hatte auch eine Bauchrednerpuppe in Form eines Hundes, die sich heute in unserer Sammlung befindet. Der Hund konnte das Maul bewegen und Wasser auf die Leute spritzen. Als David Copperfield zu Besuch in unserem Museum war, wollte er uns zeigen, dass er noch immer bauchreden kann. Als er die Hundepuppe vom Podest nahm, ist sie ihm allerdings auf den Kopf gefallen - er nahms gelassen", zuckt Kaldy-Karo schmunzelnd mit den
Schultern.
Otto Letitzky (1887-1952) trat unter dem Künstlernamen Scadelli auf, anfangs noch als Aushilfe in Kratky-Baschiks Zaubertheater, doch dann kam der Erste Weltkrieg. Der Krieg hatte schwere Strapazen auf ihm hinterlassen, ebenso auf Frau und Kind, und er war bereit, nach Kriegsende jede verfügbare Arbeit anzunehmen. Durch Zufall landete er im "Kleinen Theater für Kunst und Humor Max und Moritz" im 1. Rondo im Prater. "Er trat zwar auch als Zauberkünstler auf, war aber als Bauchredner viel bekannter. Seine Bauchrednerpuppe war der berühmte Prater-Maxi, den damals jedes Kind kannte. Mit dem Prater-Maxi ist er vor dem kleinen Theater gestanden und hat die Leute in die nächste Vorstellung hineingelockt. "Oft haben Eltern Scadelli Geld gegeben, damit er ihre Kinder bei den Vorstellungen mahnt."
Die aktuellen Erben
Friedrich Hahnel wurde 1889 im tschechischen Hammer am See geboren und arbeitete schon als junger Mann an seinem eigenen Zauberprogramm. Bei einer Zugfahrt lernte er Fräulein Lisa kennen, die seine Frau werden sollte, und von der sich sein Künstlername ableitet: Fritz Lisetti. "Seine Frau wurde seine Assistentin", so Kaldy-Karo. "Seine beiden Standardkunststücke, die ich heute immer noch vorführe, waren Der verschwindende Schilling und sein Trinkglas durch den Tisch. Gelehrt hat er dich meistens was, wenn du ihn eingeladen hast auf ein kleines Gulasch und ein Seidel Bier", erinnert sich Kaldy-Karo, der ihn bis zu seinem Tod 1985 begleitete.
Es gibt aber auch noch lebendige Fortführungen historischer Praterzauberer: Otto Wessely etwa, nunmehr mehr als 40 Jahren in Paris als Zauberkünstler reüssiert. Monika Hemis, Michael Swatosch-Doré und Robert Kaldy-Karo - also die drei tragenden Säulen des Circus- und Clownmuseums - führen die Zaubertradition bis heute im Prater weiter: von 2008 bis 2012 hatten sie ein Kinderzaubertheater im Miraculum am Riesenradplatz. Seit 2012 betreiben Hemis und Kaldy-Karo mit einigen anderen Artisten ein Varieté, das sich originalgetreu vergangenen Zauber- und Kunstformen annähert: "Wir orientieren uns an den Praterhütten um 1890 und zeigen, was man damals zu sehen bekommen hat: Zaubertricks, Mental- und Strom-Experimente, russische Messer- und Schwertspiele, chinesische Papierkunststücke, . . ."