Der Trainingshelm des Kosmonauten Alexei Leonow aus dem Jahr 1965. - © Pinter
Der Trainingshelm des Kosmonauten Alexei Leonow aus dem Jahr 1965. - © Pinter

Moskau, im März 1969: Nur ein tragisches Scheitern des Apollo-Programms könnte die Sowjetunion jetzt vielleicht noch aufholen lassen. Die US-Astronauten wollen den Mond bereits in wenigen Monaten betreten. Die sowjetischen Kosmonauten gelangen derweil nicht über den Erdorbit hinaus. Man hechelt den Amerikanern geschätzte zwei bis drei Jahre hinterher.

Dabei war der UdSSR zunächst eine aufsehenerregende Premiere nach der anderen gelungen: 1957 hatte sie den ersten künstlichen Erdsatelliten, den Sputnik, und das erste Lebewesen - die Hündin Laika - ins All geschossen. 1961 folgte der erste Mensch, Juri Gagarin. Vier Jahre später verließ der Russe Alexei Leonow erstmals sein Raumschiff für einen "Weltraumspaziergang".

Der anfängliche Vorsprung fußte auf Josefs Stalins Bestreben, im Kriegsfall schwere Atombomben über Feindesland abwerfen zu können. US-Bomber erreichten das Territorium der UdSSR leicht; sie konnten von verbündeten Staaten aus operieren. Sowjetische Flieger schafften es aber kaum in die USA. Daher ließ Stalin schubstarke Raketen entwickeln.

Schon zuvor war der 1938 verurteilte Raketenspezialist Sergei Koroljow aus dem ostsibirischen Gulag entlassen worden. Er hatte dort die härtesten Arbeiten verrichten müssen - als eines von Millionen Opfern der stalinistischen Terrorherrschaft. 1957 baute er die erste atomwaffentragende Interkontinentalrakete der Welt. Auf Basis dieser R-7 entstanden jene Raketen, mit denen Koroljow auch die eingangs erwähnten Weltraum-Premieren gelangen.

Strohfeuer im All

Der geniale Techniker leitete das führende Experimental-Konstruktionsbüro OKB-1. Er begeisterte den zunächst desinteressierten Nikita Chruschtschow für den Raumflug, indem er ihm dessen propagandistische Wirkung vor Augen führte. Im All konnte das Sowjetsystem Überlegenheit demonstrieren.

Die US-amerikanische Raumfahrt lief vergleichsweise träge an, setzte ihre Schritte aber in logischer Reihenfolge. Die UdSSR zog aus propagandistischen Gründen so manche spektakuläre Aktion vor oder entzündete Strohfeuer - wie die einmalige Entsendung Walentina Tereschkowas: Sie blieb 19 Jahre lang die einzige Frau im All. Vier weitere Russinnen durften zwar noch bis 1969 trainieren; doch kaum jemand befürwortete ihren Einsatz.

Nachdem die USA den Mond als Ziel auserkoren hatten, entschied sich 1964 auch die sowjetische Regierung für ein bemanntes Mondflugprogramm. 1967 unterstrich das Zentralkomitee der KPdSU noch einmal dessen Bedeutung für das Prestige der UdSSR. Auf eine wirkliche Selbstverpflichtung, wie sie US-Präsident John F. Kennedy ausgesprochen hatte, verzichtete Moskau aber: So kann man jetzt bestreiten, je an einem solchen Wettrennen teilgenommen zu haben. Doch das sind "hemmungslose Lügen", wie der Generaloberst Nikolai Kamanin im Mai 1969 seinem Tagebuch anvertraut. Er ist Leiter des Kosmonautentrainings.