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Big Brother auf dem Mars

Von Frederik Hartig

Raumfahrt
So stellen sich Designer die Kolonie "Mars One" vor - mit Kameras an allen Orten.
© mars one

"Mars One" will in einer TV-Show Menschen auf den Mars schicken.


Amsterdam. Es klingt nach Science Fiction und für viele einfach nur nach Spinnerei. Im Internet wird diskutiert, ob es sich bei diesem Projekt um einen Hoax, also um eine erfundene Geschichte, einen Witz, handelt: Aber das Unternehmen "Mars One" scheint tatsächlich Menschen auf den Mars schicken zu wollen, die dort eine Kolonie errichten. Haken dabei: Ein Rückflug ist nicht vorgesehen, die Siedler müssten den Rest ihres Lebens auf dem Planeten zubringen. Finanziert werden soll dieses Projekt, indem Auswahl und Ausbildung der Astronauten, der Flug und ihr Leben auf dem Mars rund um die Uhr im Netz und im TV gezeigt werden.

Bas Lansdorp und Arno Wielders lassen sich von Kritikern nicht demotivieren. Vor etwa zwei Jahren haben die beiden Niederländer das Projekt gestartet und ihre Pläne sind ambitiös: Bereits 2023 sollen die ersten Menschen auf dem Mars landen. Wielders erzählt, dass er sich schon als Kind brennend für Raumfahrt interessierte, später arbeitete er unter anderem bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA). Für den studierten Physiker würde ein Traum in Erfüllung gehen, könnte er erleben, dass Menschen ihren Fuß auf den roten Planeten setzen. In "Mars One" sieht er die Chance, eine bemannte Mars-Mission zu verwirklichen.

Technisch sei die Idee umsetzbar, erklärt Gerard ’t Hooft, Gewinner des Nobelpreises für Physik (1999), gegenüber der niederländischen Tageszeitung "De Volkskrant". Der Wissenschafter wirbt als Botschafter mit seinem Namen für "Mars One". Probleme sieht ’t Hooft eher in der Finanzierung der Mission. Nach Berechnung des Unternehmens würden insgesamt sechs Milliarden US-Dollar (4,6 Milliarden Euro) benötigt, um die ersten Menschen auf den Mars zu bringen. Der überwiegende Teil dieser Summe soll durch Werbung, Verträge mit Sponsoren und Fernsehsendern eingenommen werden. Das Medienkonzept spielt daher eine fundamentale Rolle. Fernsehproduzent Paul Römer, einer der geistigen Väter der "Big-Brother-Show", hat sich ebenso als Botschafter mit diesem Projekt verbunden.

2023 als magisches Jahr

Derzeit arbeitet ein festes Team von sechs Leuten, darunter zwei US-Amerikaner und ein Kanadier, an der Umsetzung der Pläne. Die Niederländerin Suzanne Flinkenflögel hat sich im April dieses Jahres dem Projekt angeschlossen und kümmert sich um Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Zwischen 2016 und 2022 soll in insgesamt vier unbemannten Flügen die Kolonisierung vorbereitet werden. Ein Satellit soll in die Mars-Umlaufbahn gebracht werden und ein Rover muss den idealen Standort für die Kolonie ausfindig machen. Anschließend können die Wohnmodule und die für Energiegewinnung und Lebenserhaltung notwendigen Geräte auf dem Planeten abgeladen werden. Sollte alles nach Plan verlaufen, dürfte das Jahr 2023 in die Geschichtsbücher eingehen. Nach einer Reise von sieben Monaten landen zwei Frauen und zwei Männer, auf dem Mars.

Der Clou dieses Plans ist gleichzeitig der Stein des Anstoßes. Die Siedler werden den Rest ihres Lebens auf dem Mars verbringen müssen, denn eine Rückkehr zur Erde ist technisch nicht vorgesehen. "Gerade weil wir den Rückflug nicht einplanen, ist unser Projekt viel realistischer als andere", erklärt Flinkenflögel. Für einen Rückflug müsste man erst auf dem Mars eine Raketenbasis errichten, um die Schwerkraft des Planeten zu überwinden. Zurzeit sei es aber unmöglich, so schwere Bauteile durch das Weltall zu transportieren, und auch die für einen Raketenstart benötigte Energie wäre problematisch.

Nächstes Jahr schon will "Mars One" mit der Auswahl der Kandidaten beginnen. Die Mars-Aspiranten sollen sich vor einer Jury präsentieren und werden dann einer großen Anzahl Tests und einem langjährigen Training unterzogen. Auch das Publikum darf abstimmen, wen es für diese Mission geeignet findet. Im Gegensatz zu den populären Talentshows geht es laut Flinkenflögel allerdings nicht darum, exzentrische Typen zu casten, die dann für Unterhaltung sorgen. "Wir denken, dass wir keine Showelemente einbauen müssen. Denn was diese Menschen tun, ist schon spektakulär genug."

Auch wenn sich die Kandidaten möglicherweise für immer von der Erde verabschieden müssen, rechnet Suzanne Flinkenflögel mit genügend Freiwilligen. Obwohl eine Anmeldung im Augenblick noch gar nicht möglich ist, hätten schon jetzt mehr als 1000 Interessenten angefragt.