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Das Risiko auf der Reise zum Mars

Von Roland Knauer

Raumfahrt
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An Bord des MSL-Satelliten , der gerade den Mars erkundet, ist auch ein Strahlenmessgerät der Universität Kiel. Grafik: Southwest Research

Die Gefahr, Krebs zu bekommen, ist für Astronauten um einige Prozent größer.


Berlin. Auch wenn die Finanzen knapp sind, planen Raumfahrtagenturen in den USA, Russland und Europa nach wie vor, in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts Astronauten auf eine Forschungstour zum Mars zu schicken. Ob Menschen ein solches vermutlich rund 18-monatiges Unternehmen überhaupt durchstehen oder ob ihnen zum Beispiel die starke Strahlung im Weltraum große Probleme bereitet, wusste bisher aber niemand so genau. Ein RAD (Radiation Assessment Detector) genanntes Instrument, dessen Herzstück ein Team um den Schweizer Forscher Robert Wimmer-Schweingruber von der Kieler Universität entwickelt hat, liefert jetzt eine Antwort: "Die Strahlung sollte nicht vernachlässigt werden", fasst Wimmer-Schweingruber eine Studie zusammen, die gerade im Fachmedium "Science" erscheint.

Auf der Erde spielt diese starke Strahlung, die ziemlich gleichmäßig aus den Tiefen des Weltraums oder in einzelnen Ausbrüchen von der Sonne kommt, kaum eine Rolle: Das Magnetfeld unseres Planeten lenkt die für das Leben gefährlichen Strahlen so ab, dass sie in höheren Breiten vielleicht Nordlichter am Himmel aufflammen lassen, sonst aber kaum Auswirkungen haben. Auch die Raumstation ISS fliegt so niedrig über der Erdoberfläche, dass die Astronauten dort nur einen Teil der Weltraum-Strahlung abbekommen. "Ein Jahr auf der ISS entspricht daher einer Strahlendosis von ungefähr 200 Millisievert", zitiert Wimmer-Schweingruber aus dem Science-Bericht. Das ist etwa das Hundertfache der Dosis, die ein Mitteleuropäer aus natürlichen Quellen abbekommt.

Freilich schwanken diese Werte regional sehr stark. So liegt die natürliche Strahlungsdosis aus dem Boden in Schleswig-Holstein bei 0,15 Millisievert, während sie in Teilen des Iran bei 18 Millisievert liegen kann. Dazu kommt noch die natürliche Strahlung, die völlig ohne Atomwaffentests, Kernenergie und andere technische Radioaktivität aus der eingeatmeten Luft und dem Essen kommt. Bereits in der Steinzeit hätte ein Mensch im heutigen Deutschland pro Jahr im Durchschnitt 2,4 Milli-Sievert aus natürlichen Quellen abbekommen. Heute kommt dazu künstliche Strahlung aus dem Röntgenapparat in der Arztpraxis und dem Computertomografen im Spital.

Wie aber reagiert der Körper eines Astronauten, wenn er nach einem Jahr auf der ISS knapp hundertmal mehr Strahlung als im gleichen Zeitraum in Deutschland abbekommt? Der Studien-Erstautor Cary Zeitlin vom Southwest Research Institute im US-amerikanischen Boulder nennt ein um fünf Prozent höheres Risiko für einen tödlichen Tumor für eine Strahlenbelastung von 1000 Millisievert im gesamten Leben. Die 200 Millisievert nach einem Jahr auf der ISS bedeuten also etwa ein Prozent höheres Krebsrisiko.

Um die Situation bei einer längeren Weltraummission weit außerhalb des schützenden Magnetfeldes der Erde abzuschätzen, hat das Team um Robert Wimmer-Schweingruber einen Sensor konstruiert, der als Experiment RAD auf dem Mars-Rover Curiosity montiert wurde. Genau wie nach der Landung des fahrenden Roboters am 6. August 2012 auf dem Mars hat dieses Instrument auch auf dem Flug dorthin die Strahlung gemessen. Daraus rechneten die Forscher für einen auf sechs Monate kalkulierten Hinflug und den ebenso langen Rückflug eines bemannten Unternehmens eine Strahlenbelastung von 660 Millisievert für jeden Astronauten aus. Dazu kommt noch ein gutes halbes Jahr Forschungsaufenthalt auf dem Mars selbst, für das RAD zurzeit auf dem Roten Planeten die Strahlung ermittelt.

Regelmäßige Raucher leben deutlich gefährlicher

Abschirmen lässt sich diese Strahlung aus den Tiefen des Weltraums kaum, weil dafür eine Schutzhülle von etlichen Tonnen Gewicht mitgeschleppt werden müsste, was den Antrieb schlicht überfordern würde. Allerdings könnte ein kleiner Schutzraum eingebaut werden, den eine 10 oder 20 Zentimeter dicke Hülle aus Wasser zuverlässig gegen die seltenen Sonnensturm-Strahlungen abschirmt. Insgesamt bleibt mutmaßlich ein um fünf Prozent erhöhtes Krebsrisiko durch die nicht abschirmbare Weltraumstrahlung bei einer 18-monatigen Marsmission. Im Vergleich mit einem erwachsenen Raucher, der sein Lungenkrebsrisiko ungefähr verzwanzigfacht, erscheint diese Belastung durchaus akzeptabel.