Ihre Moral ist super", lobt Swjatoslaw Wakartschuk die ukrainische Armee. Der Sänger der Rockband Okean Elsy ist zu Besuch an der Front bei Barwinkowe im Osten des Landes. Während die erste russische Granate fällt, macht ein Soldat ein Selfie mit dem Star in Jeans und schusssicherer Weste. Sein Auftritt soll die Soldaten motivieren, denn nach zwei Monaten Krieg und vielen Verlusten macht sich ein Gefühl der Zermürbung breit.
"Was die Moral angeht, ist die Situation kompliziert. Es sieht überhaupt nicht rosig aus", sagt Iryna Rybakowa, die Presseoffizierin der 93. Brigade. Seit zwei Wochen konzentriert Moskau seine Angriffe auf die Region Donbass im Osten des Landes, die russische Armee nahm mehrere Ortschaften ein.
"Wir haben eine sehr zerstückelte Frontlinie. Ein Dorf für sie, eines für uns, so geht das jetzt", beschreibt Rybakowa den Kampf mit der russischen Armee. "Natürlich waren wir auf diesen Krieg vorbereitet, vor allem die Berufsarmee. Aber für die Eingezogenen ist es schwieriger."
Rockstar Wakartschuk hat seine Gitarre mitgebracht, inmitten des Gefechtslärms will er singen. Und die Männer aufbauen. "Die Soldaten sind nicht glücklich, hier zu sein, aber sie sind sehr entschlossen und haben sich für den Sieg entschieden", sagt der 46-jährige Musiker anerkennend.
Schlimmer als der Tag
Am Eingang von Barwinkowe bewachen sechs Männer - keiner von ihnen Berufssoldat - einen Kontrollpunkt, rund fünf Kilometer von der Frontlinie entfernt. Sie haben sich Schützengräben ausgehoben und sind darauf gefasst, jeden Moment dort in Deckung zu gehen. "Sonst sind wir tot", sagt der 51 Jahre alte Wassyl, der zusammen mit seinem 22-jährigen Sohn Denys für den Kriegsdienst angeworben wurde.
Auf einem Holzfeuer dampft es aus einem zerbeulten Kessel, ein paar ungeschälte Karotten, Kartoffeln und Zwiebeln schwimmen darin. Die Versorgung, auch durch die Bevölkerung, funktioniere gut, sagen die Männer. "Bis auf die Zigaretten."
Die Nächte verbringen die sechs Bewacher des Kontrollpunkts dicht gedrängt auf Paletten in einem unterirdischen Schutzraum. An der Front im Donbass ist die Nacht noch schlimmer als der Tag. Nachts schieße die russische Armee mit ihren größten Kalibern, sagt die Presseoffizierin. "Für die psychologische Kriegsführung."
In einem Feld in der Nähe hat ein Angriff in der Nacht auf Samstag einen 15 Meter breiten Krater gerissen. Der drei Meter hohe Gefechtskopf einer Totschka, einer sowjetischen Kurzstreckenrakete, steckt noch darin. Ziel war offenbar eine verlassene Schule, die den Soldaten als Stützpunkt diente.
Moskau hatte am Freitag angekündigt, die vollständige Kontrolle über den Donbass und den Süden der Ukraine erreichen zu wollen, um sich einen Landkorridor zur 2014 annektierten Krim zu sichern. Um das Vorrücken der russischen Truppen zu bremsen, wurden bereits Brücken gesprengt. Auf den Straßen liegen Schienen und Baumstämme, kilometerlange Schützengräben sind gezogen.
Schon jetzt seien viele Soldaten bei den Gefechten in der Region getötet worden, berichten einzelne von der Nachrichtenagentur AFP befragte Soldaten. Die Militärverwaltung vor Ort weigert sich hingegen, Zahlen zu nennen.
Auf die Frage nach Verlusten beginnt ein Soldat, wüst die Russen zu beschimpfen, bevor er in Tränen ausbricht. Seine Brigade, die 25., sei in den vergangenen drei Wochen "sehr hart getroffen" worden, sagt er. "Ich habe einen sehr guten Kameraden verloren. Seine Frau bekommt in einigen Tagen ihr Kind. Wir haben ihr lieber nichts gesagt." (afp)