Man ist geneigt, dem Mann eine stehende Ovation zuteilwerden zu lassen: Joel Coen, der das erste Mal ohne seinen Bruder Ethan einen Film inszeniert hat, erwählte sich dafür ausgerechnet Shakespeares "Macbeth" und schuf daraus einen dunklen, durchtriebenen, ja fast barbarischen Akt der Grausamkeit, der seinesgleichen sucht; dabei mit dutzenden Anderen in Konkurrenz zu treten, die sich ebenfalls schon an "Macbeth" abgearbeitet haben, wirft die Frage auf: Wer braucht noch eine Neuinterpretation dieses Stücks? Ist dazu nicht längst alles gesagt?
Abscheulich treffend vom (Un-)Menschsein erzählen
Es ist wie bei vielen Arbeiten dieses Dramatikers: In Shakespeares Bauchladen finden sich allerlei Dramen, die kein Ablaufdatum haben, die man wieder und wieder zum Zustand der Welt befragen kann und muss; Literatur, die nicht aus der Mode kommt, weil sie so abscheulich treffend vom (Un-)Menschsein erzählt, dass es fast schon wehtut. Vor allem "Macbeth": Keines der Stücke ist so brutal und so blutig wie dieses.
Weil Joel Coen ein Mann des guten Geschmacks ist, erwählte er für seine Adaption einen wahren Bilderkünstler und Meister der Stilisierung: An der Kamera entwickelt für ihn Bruno Delbonnel ("Die fabelhafte Welt der Amélie") einen Reigen der eleganten Düsternis: Im klassischen Academy-Format 1,33:1 gedreht, genau wie die Filmkunstwerke des deutschen Expressionismus, bei deren Vertretern Fritz Lang, Robert Wiene oder Friedrich Wilhelm Murnau Coen auch Anleihen nimmt, schnitzt er in bestechendem Schwarz-Weiß eine Welt der Kontraste, die Schönheit und Schaudern miteinander vereint; eine visuelle Umsetzung, die sich letztlich genau der Genese von Shakespeares Tragödie annähert: Die Geschichte um den schottischen Feldherren Macbeth (Denzel Washington), der von drei Hexen die Weissagung erhält, dass er der nächste König von Schottland werden wird, vereint Abgründe und Aufstreben gleichermaßen. Seine Frau Lady Macbeth (Coens Ehefrau Frances McDormand) stachelt ihren Mann fortwährend dazu an, die Weissagung wahr werden zu lassen, was Macbeth bekanntlich über Leichen gehen lässt, auch über die des Königs selbst, um für sich Platz zu machen auf dem Thron. Das Böse, in blanken Schwarz-Weiß-Bildern, all die Machtgier und Paranoia, das findet in Coens Version einen bisher kaum gesehenen Ausdruck - es ist Kino in einer holzschnittartigen Façon, die zugleich voller inszenatorischer Details und raffinierter Stilisierungen steckt, ohne sich auch nur einen Meter vom originalen Text Shakespeares zu entfernen.
Coens "Macbeth" als cineastisches Meisterstück zu bezeichnen, trifft die Wahrheit aber nur zum Teil: Der Regisseur hat dem Stück seine Bühnenhaftigkeit belassen; gedreht wurde ausschließlich im Studio, so mancher Hintergrund wirkt theatralisch, sorgfältig gemalt wie ein Bühnenbild, eine Kulisse, fotografiert in maximaler Schärfe und Klarheit. Eine schwarz-weiße Elegie des Schreckens, deren Farbentleertheit ihrem brutalen Fortgang zuarbeitet. Das Blut tropft hier in Schwarz, und dunkle Raben spielen eine bedeutende Rolle, im inneren Kampf Macbeths gegen den Wahnsinn, der sich zusehends aufbaut.
Auch in brutalen Momenten eine Ausgeburt an Schönheit
Joel Coen schafft durch diese Machart einen Spagat, der eigentlich unmöglich scheint: Er verbindet das altmodische, das klassische Kino des frühen 20. Jahrhunderts mit heutigen Sehgewohnheiten. So manche Einstellung ist selbst in brutalen Momenten eine Ausgeburt an Schönheit. Mittendrin das brillant zwischen Gutmütigkeit, Abgrund und Wahn changierende Spiel Washingtons und die kaltherzige Grausamkeit von McDormand, die einander zu einem Kanon des Exzesses aufschaukeln. Ihnen zu folgen, ist für den Zuschauer fordernd, auch und weil Coen Shakespeare so nahe kommen will. Aber "The Tragedy of Macbeth" will eben nicht verwöhnen, sondern erregen; ein Film, der sich gänzlich dem Hollywood-Zeitgeist widersetzt und dennoch dem Spektakel frönt. Shakespeare wäre begeistert.