Fixe Idee Globe-Neubau

Es war der Amerikaner Sam Wanamaker, der mit seiner beharrlichen Suche nach einem festen Fokus an der Themse die eigentliche Geschichte Shakespeares in London aufzurollen begonnen hat. Wanamaker verdanken die Metropole und ihre Besucher die heutige zentrale Shakespeare-Anlaufstelle in London - das Globe Theatre am Südufer der Milleniumsbrücke, gleich neben der Tate Modern, mit Blick über den Fluss hinüber nach St.Paul’s.

Der US-Schauspieler und Regisseur hatte schon kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs die fixe Idee, Shakespeares altes Theater wieder neu zu beleben. 1970 begann er seine Kampagne für einen Neubau, ungefähr am Standort des ursprünglichen Globe.

Als Wanamaker 1993 starb, waren gerade die Grundmauern für das neue Openair-Theater mit dem charakteristischen Strohdach über Bühne und Rängen gelegt worden. 1997 wurde das Globe als Spiel- und Bildungsstätte eröffnet und hat seither viele Millionen Besucher angezogen.

Im heurigen Jänner hat das Globe eine zweite Bühne, ein kleines "jakobinisches" Indoor-Theater, eröffnet. Das Sam Wanamaker Playhouse, in dem zur Panik der Londoner Feuerwehr ganz authentisch bei Kerzenlicht in feiner Holztäfelung gespielt wird, soll einen ganzjährigen Bühnenbetrieb beim Globe erlauben.

Kurioserweise sind aber seit Wanamakers Kampf um die Neugeburt des Globe auch gleich mehrere der anderen elisabethanischen Bühnen Londons, mit denen sich Shakespeares Name verbindet, aus der Versenkung jahrhundertelangen Vergessens wieder aufgetaucht. 1989 wurden, einen Steinwurf vom Globe entfernt, Bruchstücke des legendären Rose Theatre entdeckt. 2008 folgten in Shoreditch, etwas weiter im Norden der Stadt, Überreste der ersten berühmten Shakespeare-Bühne, die schlicht The Theatre hieß. Und 2012 fand man, ganz in deren Nähe, das Curtain Theater wieder, in dem "Henry V." und "Romeo und Julia" uraufgeführt worden sein sollen.

Theater im Pub

Ein denkmalgeschütztes viktorianisches Kneiplein, das "Horse and Groom", markiert die Stelle des früheren Eingangs zu diesem Glanzstück einer verblichenen Ära. Hinter dem Pub stößt man heutzutage auf ein Gerümpellager mit Containern. Dort soll der Zuschauerraum des Theaters gewesen sein. Am "Horse and Groom" hat, in Ermangelung einer Plakette, jemand eine Notiz an die Mauer gekritzelt, um aufs Curtain Theater hinzuweisen.

Tatsächlich tut sich aber einiges, buchstäblich hinter den Kulissen. Weitere Rekonstruktionen alter Bühnen sind geplant, sobald rechtliche Fragen geklärt sind und das nötige Geld aufgetrieben ist. Die Fundamente des Curtain Theatre etwa sollen in einen neuen Baukomplex integriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Und The Theatre, hinter einem Maklerbüro versteckt, soll in dreistöckiger Schönheit als elisabethanisches Schauspielhaus neu erstehen. Die Baugenehmigung ist voriges Jahr erteilt worden.

Nach weiteren verschollenen Bühnen wird gefahndet. Zwölf waren es einmal. Nach über vier Jahrhunderten ist plötzlich die Neugier an Shakespeares Ära in London neu erwacht. Aufsehen hat vor wenigen Tagen die Nachricht erregt, dass eine unter der St.Leonard’s Curch in Shoreditch gelegene Vorgänger-Kirche die finstere Grabstätte enthalten haben soll, die Shakespeare zur Todesszene in "Romeo und Julia" inspirierte.

Die ursprüngliche, mittelalterliche Kirche, die 1730 zerstört wurde, war zu Shakespeares Zeit bereits fast 500 Jahre alt. Sie enthielt modrige Grabkammern und verfallene Gedenktafeln, die noch aus der Zeit der Kreuzzüge stammten. Shakespeare soll sie gut gekannt und häufig frequentiert haben. Ihr Geheimnis will man vorerst einmal nur behutsam mit Radaranlagen und Glasfaserkameras erkunden.

Globe-Direktor Dominic Dromgoole freut dieser neue Trend: "Ich finde es toll, dass wir London ausgraben. Und nach und nach abtragen, was sich an viktorianischem und Empire-Ballast angehäuft hat."

Peter Nonnenmacher, geb. 1950 in Karlsruhe, Studium von Literatur und Philosophie, arbeitet derzeit als Korrespondent für deutschsprachige Zeitungen in London.