Die Begutachtungsfrist werde viel zu kurz sein, hatte es schon geheißen, als der Gesetzesentwurf zum Sterbeverfügungsgesetz noch gar nicht vorlag. Als die türkis-grüne Bundesregierung diesen am 23. Oktober schließlich präsentierte, blieben tatsächlich nur noch drei Wochen Zeit, und die Kritik an der kurzen Frist gewann noch einmal an Vehemenz. Am 7. Dezember passierte die Regierungsvorlage den Justizausschuss mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos, die FPÖ stimmte dagegen. Heute, Donnerstag, soll das Sterbeverfügungsgesetz nun vom Nationalrat beschlossen werden - und zwar trotz der 139 Stellungnahmen wohl nahezu unverändert. Die Kernaussagen des Entwurfes und der Regierungsvorlage blieben im Wesentlichen gleich. Heute im Plenum sei lediglich ein einziger Abänderungsantrag der Apothekerkammer geplant, heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" aus dem Justizministerium. Dieser sei am Mittwoch noch politisch fertig koordiniert worden.

Wäre mehr Zeit gewesen, hätte man diese vielleicht auch mehr genutzt. Diese Zeit gab es aber nicht. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat zwar bereits im Dezember des Vorjahres das Verbot der Mitwirkung am Suizid ("Mitwirkung am Selbstmord" § 78 StGB) für verfassungswidrig erklärt und die Strafbarkeit mit Wirksamkeit 1. Jänner 2022 aufgehoben. Die passive Sterbehilfe war schon davor erlaubt, und die "Tötung auf Verlangen" (§ 77 StGB) bleibt strafbar. Um die Mitwirkung am Suizid in Gesetzesform zu gießen, habe man aber aufgrund der Brisanz des Themas bereits im Vorfeld darauf gesetzt, die Öffentlichkeit miteinzubeziehen, sagt dazu die Justizsprecherin der Grünen, Agnes Sirkka Prammer, und das kostete viel Zeit. Denn über den Sommer habe ein ausführlicher Austausch mit Interessengruppen aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Pflege, Hospiz sowie den Religionsgemeinschaften im Dialogforum Sterbehilfe des Ministeriums stattgefunden.

Das Ergebnis ist ein Sterbeverfügungsgesetz, das schwer oder unheilbar Kranken, die volljährig und entscheidungsfähig sind, die Mitwirkung am Suizid ermöglicht. Es geht mit der Änderung des Suchtmittelgesetzes und des Strafgesetzbuches (StGB) einher und soll mit 1. Jänner 2022 in Kraft treten.

Arzt-Bestätigung gilt ein Jahr

Konkret heißt es dazu in der Regierungsvorlage: "Eine Sterbeverfügung kann nur eine Person errichten, die an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit" leidet oder "an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen [. . .], deren Folgen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigen". Dass die Person entscheidungsfähig ist, müssen zwei Ärzte, einer von diesen mit palliativmedizinischer Qualifikation, unabhängig voneinander bestätigen. Gibt es Zweifel daran, muss ein Psychiater oder ein Psychologe darüber befinden. Die Bestätigung gilt grundsätzlich ein Jahr lang nach der Aufklärung durch den zweiten Arzt.

Die Sterbeverfügung selbst darf nur ein Notar oder ein "rechtskundiger Mitarbeiter" der Patientenvertretung errichten - und zwar frühestens zwölf Wochen nach der ersten ärztlichen Aufklärung. Ist der Suizidwillige allerdings "in die terminale Phase eingetreten", so soll es schon nach zwei Wochen zulässig sein. Der Gesundheitsminister hat künftig ein elektronisches Sterbeverfügungsregister zu führen.

Der Suizidwillige oder ein Vertreter erhält mit der Sterbeverfügung und nach Überprüfung der Identität ein tödliches Präparat aus der Apotheke. Welches dieses genau ist, legt der Gesundheitsminister in einer eigenen Verordnung fest, derzeit ist Natrium-Pentobarbital vorgesehen. Wichtig ist, dass der Betroffene das Präparat selbst im "privaten Rahmen" - in der Wohnung oder im Spital - zu sich nimmt. Entscheidet er sich anders, muss er der Apotheke das Präparat zurückgeben, und diese hat es zu entsorgen.

Weder die Apotheker noch die Ärzte müssen am Suizid mitwirken. Ein eigener Paragraf ist auch dem Werbeverbot und dem Verbot wirtschaftlicher Vorteile gewidmet. Andere Formen der Hilfeleistung, etwa die Reisebegleitung in die Schweiz, sind laut den Erläuterungen grundsätzlich ebenfalls zulässig, "wobei sich sterbewillige und Hilfe leistende Person mit einer entsprechenden Sterbeverfügung absichern können", wie es heißt. In den Erläuterungen ist zudem zu lesen, dass die Palliativ- und Hospizversorgung österreichweit, bedarfsgerecht, wohnortnah und flächendeckend aus- und aufgebaut werden soll. Dafür soll auch der laufende Betrieb finanziell unterstützt werden.

Apotheker für professionelle Hilfe

Diese Form des Sterbeverfügungsgesetzes fand grundsätzlich eine breite Zustimmung von unterschiedlichen Seiten. Vor allem die Ärztekammer zeigte sich zufrieden. Aus den zahlreichen Stellungnahmen kristallisierte sich jedoch heraus, dass die Möglichkeit des Missbrauchs befürchtet wird, wenn der Suizidwillige nicht professionell begleitet wird. Allen voran stößt sich die Apothekerkammer in ihrer Stellungnahme daran. Vor allem für die korrekte und sichere Anwendung des tödlichen Präparats sei das unerlässlich, heißt es. Denn was zum Beispiel passiert, wenn ein Sterbewilliger dieses nicht zurückgibt, wenn er seinen Sterbewunsch doch noch ändert, ist nicht geregelt.

Berufsverbänden, Fachgesellschaften und Interessenvertretungen aus dem psychosozialen Bereich war wiederum die vorgesehene Bedenkfrist von zwölf Wochen zu kurz. Sie verlangten eine Verlängerung der Frist auf mindestens sechs Monate.

Die katholische Bischofskonferenz würdigte zwar die Bemühungen der Regierung, das durch den VfGH aufgehobene Verbot der Mitwirkung am Suizid gesetzlich abzufedern, kritisierte aber zum Beispiel, dass das Gesetz nur bestimmte Formen der physischen Beihilfe zum Suizid unter Strafe stellt, nicht aber der psychischen.

Der geplante Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung wird von der Bischofskonferenz begrüßt - das Gesetz soll allerdings zu einer Zeit in Kraft treten, in der das flächendeckende Angebot erst zur Hälfte umgesetzt sei, sagte dazu der Dachverband Hospiz Österreich. Also zu früh.