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Fast schon konsensfähig

Von Katharina Schmidt

Sterbehilfe
ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg fordert einen Grundrechtekatalog für Österreich.

Neuer ÖVP-Vorschlag mit abgeschwächter Forderung nach Sterbehilfe-Verbot in Verfassung.


Wien. "Tötung auf Verlangen ist gesetzlich zu verbieten." An diesem Satz, der sich ganz ähnlich auch schon im Strafgesetzbuch findet, könnte eine rasche Einigung der Parlamentsparteien in Sachen Sterbehilfe scheitern.

Auf Wunsch der Volkspartei wurde im Regierungsprogramm vereinbart, dass eine Verankerung des Sterbehilfeverbots in der Verfassung geprüft wird. Bis auf die FPÖ hat die ÖVP da aber keine Sympathisanten. Denn die besagte "Tötung auf Verlangen" steht schon derzeit unter Strafe. Zuletzt warnte die Vorsitzende der Bioethikkommission, Christiane Druml, davor, dass ein Verfassungsverbot als Pflicht zu leben ausgelegt werden könnte.

Doch die ÖVP hat schon eine andere Idee. Am Freitag präsentierten Klubchef Reinhold Lopatka, Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl und Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg ihre Pläne. Die Achtung des Lebens sei etwa in der EU-Grundrechtecharta verankert, so Gerstl. Nur in der österreichischen Verfassung fehle ein Grundrechtekatalog. "Das Recht jedes Menschen auf Leben wird gesetzlich geschützt", soll daher in die Verfassung geschrieben werden, sagte Lopatka, der die geltende Gesetzeslage sonst als "durchaus ausreichend" bezeichnete. Im Rahmen des Österreich-Konvents hätten sich 2006 alle vier damaligen Parlamentsparteien auf eine solche Sprachregelung geeinigt.

Wo ist dann das Problem? In dem von der ÖVP geforderten Zusatz "Tötung auf Verlangen ist gesetzlich zu verbieten". Denn obwohl sich diese Formulierung in den Vorschlägen der anderen Parteien aus 2006 findet, wollen diese nun nichts mehr davon wissen. "Ich wüsste nicht, warum man das in die Verfassung schreiben sollte. Damit werden der Einzelne und der Staat bevormundet", sagt SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Zwar werde man nicht am Verbot rütteln, es sei aber "völlig inakzeptabel", dem Staat über die Verfassung ein Diskussionsverbot aufzuerlegen. "Einer schwammigen Formulierung werden wir nicht zustimmen", sagte die Grüne Eva Mückstein. Ähnlich Gerald Loacker von den Neos: "Warum sollen wir etwas in die Verfassung aufnehmen, wenn sich dadurch nichts ändert?"

Einfacher wird es beim Ausbau der Palliativ- und Hospizbetreuung. "Der Wunsch nach Suizid ist oft nur ein Durchgangsstadium der Perspektivlosigkeit", sagte Huainigg. Eine gut ausgebaute Betreuung helfe, diese Phase zu überstehen. Huainigg wünscht sich Vereinfachungen bei Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung sowie eine Palliativmedizin- Ausbildung. Schwierig wird auch die Umsetzung einer besseren Finanzierung, daran ist schon die Umsetzung des bestehenden Stufenplans zur Betreuung am Lebensende gescheitert.

Enquete im Oktober

Die Hoffnungen liegen nun auf der parlamentarischen Enquetekommission. Unter dem Vorsitz Gertrude Aubauers (ÖVP) tagt sie im Oktober das erste Mal, noch bis 15. September kann jeder Stellungnahmen abgeben. Bisher sind rund 300 eingelangt. In zwei öffentlichen Sitzungen sollen Experten befragt werden. Während sich Lopatka eine Allparteien-Einigung wünscht, will Aubauer zügig zu einem Ende kommen und bis Jahresbeginn Gesetzesvorschläge präsentieren.

"Sterbehilfe": Was möglich ist und was nicht

(kats) Zum Thema "Sterbehilfe" kursieren mitunter zahlreiche Begriffe wie "aktiv" und "passiv". Zur besseren Unterscheidbarkeit hat die Bioethikkommission im Kanzleramt schon 2011 Empfehlungen zur Terminologie herausgegeben. Demnach wird unterschieden zwischen:

Sterbebegleitung: Maßnahmen zur Pflege, Betreuung und Behandlung von Symptomen (zum Beispiel Atemnot). Dazu braucht es die Einwilligung des Patienten. Therapie am Lebensende: (Palliativ-)Medizinische Maßnahmen, die das Leben verlängern, die Lebensqualität verbessern oder Leiden vermindern sollen.

Sterben zulassen: Wenn eine kurative Therapie aussichtslos erscheint oder der Patient diese nicht mehr wünscht, kann durch Einstellung der Therapie, aber mit begleitenden Maßnahmen, das Sterben zugelassen werden.

Tötung auf Verlangen: Jemand tötet einen anderen auf dessen ernstes und eindringliches Verlangen hin. Dies ist nur in den Niederlanden, Belgien und dem US-Bundesstaat Oregon erlaubt. In Österreich gibt es einen eigenen Straftatbestand (§77 StGB): "Wer einen anderen auf dessen ernstliches und eindringliches Verlangen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."

Assistierter Suizid: Die Beihilfe zur Selbsttötung ist in der Schweiz erlaubt, in Deutschland ist die Rechtslage unklar. In Österreich ist auch dies verboten (§78 StGB): "Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen."

Eine weitere strafrechtliche Bestimmung schützt den freien Willen des Patienten auch im Sterben: §110 StGB verbietet die "eigenmächtige Heilbehandlung". Ein Arzt darf eine Therapie nur dann anwenden, wenn der Patient damit einverstanden ist, sonst macht er sich selbst der Körperverletzung strafbar. Auch am Lebensende kann man also jederzeit eine Therapie verweigern und zum Beispiel eine palliative Sedierung verlangen, die einen in einen Dämmerzustand versetzt und zur "Erholung" während schwieriger Phasen des Sterbeprozesses dienen kann.

Daneben kann man schon vorher Vorsorge für den Fall treffen, dass man nicht selbst in der Lage ist, seinen Willen zu äußern: In einer Patientenverfügung kann man seine Wünsche für bestimmte Fälle festlegen. Diese kann - je nach Grad der Ausformulierung und Förmlichkeit durch Beiziehung eines Notars - "beachtlich" oder "verbindlich" sein. Eine weitere Möglichkeit ist die Vorsorgevollmacht, mit der man - ebenfalls beim Notar - jemanden bestimmen kann, der im Zweifelsfall für einen entscheidet.