Wien. (kats) "Derzeit muss man Glück haben, dass man in der letzten Lebensphase am richtigen Ort ist." Harald Retschitzegger, Palliativmediziner, ärztlicher Leiter der Caritas der Erzdiözese Wien und seit heuer Präsident der Österreichischen Palliativgesellschaft (ÖPG), bringt die Problematik auf den Punkt. Zwar gibt es in Österreich einen genauen Plan zur abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung, dieser ist jedoch, obwohl seit 2004 in Kraft, in einigen Bereichen noch weit entfernt von einer flächendeckenden Umsetzung (siehe Grafik). Ob ein Sterbender etwa durch ein Mobiles Palliativteam unterstützt werden kann, ist abhängig von seinem Wohnort - während etwa in Vorarlberg eine gute Versorgungsdichte gegeben ist, ist das in anderen Ländern nicht der Fall.

Gemeinsam mit Dachverband Hospiz, der 290 Hospiz- und Palliativeinrichtungen vertritt, Rotem Kreuz, Caritas und Vinzenz-Gruppe hat die ÖPG eine Stellungnahme an die parlamentarische Enquete-Kommission zur Würde am Ende des Lebens verfasst, die am Donnerstag präsentiert wurde. Der Fokus der breiten Allianz ist dabei, dass "die Hospiz- und Palliativversorgung bundesweit flächendeckend umgesetzt wird und für alle Menschen jeden Alters erreichbar, zugänglich und leistbar ist", betonte die Präsidentin des Dachverbands Hospiz, die ehemalige steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic.
Regelfinanzierung gefordert
Um dies zu erreichen, sei vor allem eines notwendig: eine Regelfinanzierung ohne Ablaufdatum. Denn derzeit sind nur die Palliativstationen als Teil der normalen Gesundheitsversorgung ausreichend finanziert. Dort beträgt die Aufenthaltsdauer maximal 28 Tage, Hospize mit unbegrenztem Aufenthalt und mobile Palliativ- oder Hospizbetreuer sind nicht ausreichend finanziert. Insgesamt fließen pro Jahr 100 Millionen Euro in diesen Bereich, laut Klasnic wären geschätzte 70 Millionen Euro im Jahr zusätzlich nötig.
Die Zuständigkeiten sind verwirrend: Auf Bundesebene sind Sozial- und Gesundheitsministerium zuständig, in den Ländern die entsprechenden Landesräte, dazu kommen die Kassen. "Und jeder ortet eine starke Zuständigkeit beim jeweils anderen", sagte Caritas-Präsident Michael Landau. Das Thema sollte daher in die mit der Gesundheitsreform etablierten Bundes- und Landeszielsteuerungskommissionen einfließen. Landau kritisierte auch die hohe Abhängigkeit von Spenden: "Keiner kommt auf die Idee, für die Behandlung eines Beinbruchs Spenden zu sammeln", meinte er.
Daneben fordern die Nichtregierungsorganisationen die Einrichtung eines eigenen Facharztes für Palliativmedizin. Es brauche eine "höhere ärztliche Kompetenz in palliativer Symptomlinderung und Sterben zulassen", sagte Retschitzegger. Generell müsste sich der Palliativ- und Hospizgedanke durch alle Einrichtungen - von den Senioren- über die Pflegeheime bis zu Tageseinrichtungen - ziehen, erläuterte Michael Opriesnig, stellvertretender Generalsekretär des Roten Kreuzes.
Geld für Patientenverfügungen
Anna Parr von der Vinzenz Gruppe forderte ein kostenloses Beratungsangebot über Möglichkeiten, sich vor Übertherapie zu schützen - allen voran die Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht. Diese werden bisher noch kaum genutzt, weil das Angebot wenig bekannt ist und weil die Erstellung etwa einer verbindlichen Patientenverfügung sehr kompliziert und mit hohen Kosten verbunden ist. Parr wünscht sich Fördermöglichkeiten für Menschen mit niedrigem Einkommen. Zudem müsste das Vorhandensein von Patientenverfügungen in einer Datenbank wie der Elga vermerkt werden.
Schließlich stellten die Experten klar, dass sie die vorhandene Gesetzeslage für völlig ausreichend halten, und sprachen sich dezidiert gegen eine Einführung der Tötung auf Verlangen oder des assistierten Suizids aus. Für die Definition von Ausnahmefällen, in denen die Beihilfe zur Selbsttötung ermöglicht werden soll, wie sie zuletzt der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio vorgeschlagen hat, sieht man "derzeit keine Notwendigkeit", sagte Retschitzegger.
Verfassung nicht das Problem
Aber offenbar auch nicht für die verfassungsrechtliche Verankerung des Verbots der Tötung auf Verlangen, wie sie sich die ÖVP wünscht. Klasnic als ehemalige ÖVP-Politikerin meinte zwar auf Nachfrage, diese Entscheidung sei "Sache der Politik". In der Stellungnahme an die Enquete-Kommission heißt es aber: "Die tatsächlichen (. . .) Probleme in Österreich sind nicht im Fehlen einer verfassungsrechtlichen Grundlage zu verorten, sondern in der Tatsache, dass es einen großen Mangel an qualitativ hochwertigen Angeboten" gibt.
Den Mitgliedern der Enquete-Kommission, die am 7. November das erste Mal öffentlich tagt, richtet Landau aus: "Die Kommission ist eine Chance, nutzen Sie diese mutig und entschlossen."