Nassau. Nun geraten die Bahamas als Steueroase in den Fokus der Aufmerksamkeit. ICIJ, das Konsortium investigativer Journalisten, das im Frühjahr auf Briefkastenfirmen in Panama aufmerksam gemacht hatte, hat am Mittwoch Informationen über finanzielle Aktivitäten Prominenter auf den Bahamas veröffentlicht. Insbesondere wird dabei die frühere EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes angeprangert.
Die Niederländerin, die 2004 bis 2010 EU-Kommissarin war, sei von 2000 bis 2009 Direktorin der Firma Mint Holdings (Mint Limited) auf den Bahamas gewesen und habe dies weder der Öffentlichkeit noch der EU-Kommission mitgeteilt, heißt es auf der Homepage des ICIJ.
1,3 Millionen Dokumente veröffentlicht
Kroes bestätigte, ihre Verbindung zu dieser Firma nie veröffentlicht zu haben. Sie ließ aber das ICIJ über einen Anwalt wissen, die Firma sei nie operativ gewesen, es sei ein Verwaltungsfehler gewesen, sie nicht aus dem Register zu streichen. Das Unternehmen sei von einem mit Kroes befreundeten jordanischen Geschäftsmann gegründet worden, um zu prüfen, ob man Anteile des US-Energieriesen Enron, der später pleiteging, übernehmen könne. Da der Deal nicht zustande kam, sei sie davon ausgegangen, dass ihre Beteiligung hinfällig gewesen sei. Als sie 2009 draufgekommen sei, dass ihr Namen noch in den Registern steht, habe sie diesen "Fehler korrigiert".
Auch Verbindungen nach ÖsterreichLaut "ZiB2" gibt es unter den Dokumenten auch 70 mit österreichischen Adressen, gehäuft in Vorarlberg. Namentlich genannt wird der frühere Touristiker Cem Kinay.
Kinay war ursprünglich Gründer von Gulet Reisen und der Magic-Life-Klubs. Er verkaufte diese Geschäfte 2004 und kaufte 2005 die Insel Dellis Cay, die zum Karibikstaat Turks und Caicos Islands gehört. Er wollte dort ein Luxusressort entwickeln. Unstrittig ist, dass er in drei Tranchen zwischen 2005 und 2008 850.000 Euro gespendet hat und deshalb wegen des Verdachts der Bestechung des Regierungschefs von Interpol gesucht wird. Die Türkei liefert den Österreicher aber nicht aus. Kinay selber hat immer betont, er habe das Geld der Partei gespendet bzw. nach einem Hurrikan zur Verfügung gestellt, alles sei offen und transparent abgelaufen. Auch jetzt versicherte Kinay der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" wieder, dass er unschuldig Opfer eines politischen Komplotts geworden sei.
Die britischen Behörden, unter deren Aufsicht die Turks and Caicos Islands stehen, gehen hingegen davon aus, dass zumindest ein Teil des Geldes in die Taschen des Regierungschefs persönlich geflossen ist und dass es einen Zusammenhang mit den Projekten Kinays gebe. Michael Misick, Chef der lokalen Regierung, wurde 2008 von Großbritannien unter Korruptionsvorwürfen des Amts enthoben, das Parlament wurde aufgelöst, die Verfassung außer Kraft gesetzt. Und über Dellis Cay wurde ein Baustopp verhängt, beide Inseln wurden unter Zwangsverwaltung gestellt. Kinays Projekt kam zum Stillstand.
Korruptionsverdacht
Neu zeigen nun die Unterlagen des ICIJ, die dieses via "Süddeutsche Zeitung" erhalten hat, dass Kinay auf den Bahamas die Firma Turks General Partners Limited gegründet hat. Außerdem habe er sich 2009 - in dem Jahr stand er schon unter Korruptionsverdacht - in einem Schreiben an die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama erkundigt, wie er eine Stiftung gründen könne, mit der er sein Privatvermögen dem Zugriff der Behörden entziehen könne. Mossack Fonseca stand im Zentrum der "Panama-Leaks" vor einem halben Jahr.
Wirtschaftsgrößen, Adelige, Politiker
Die nun veröffentlichten Daten "zeigen, dass neben etlichen internationalen Wirtschaftsgrößen, Adeligen und Hunderten Deutschen auch der mongolische Ex-Premier Batbold Sukhbaatar, der ehemalige kolumbianische Minenminister Carlos Caballero Argáez, der kanadische Finanzminister William Francis Morneau, der katarische Ex-Premier Hamad bin Dschassim bin Dschaber al-Thani und der angolanische Vize-Präsident Manuel Domingos Vicente im bahamaischen Firmenregister als Direktoren, Sekretäre oder Präsidenten von Bahamas-Firmen geführt wurden oder noch immer werden", schreiben die "Salzburger Nachrichten".
Die Bahamas stehen bis heute auf der EU-Liste der unkooperativen Steueroasen. Laut der Organisation Tax Justice Network (Netzwerk Steuergerechtigkeit) gibt es weltweit nur wenige Steueroasen, in denen sich Geld noch besser verstecken lässt. "Die Bahamas haben immer nach ihrer Nische im Offshore-Geschäft gesucht", sagt der Experte und Buchautor Nicholas Shaxson, "und dabei haben sie immer auch schmutziges Geld angelockt - Geld, von dem andere ihre Finger gelassen haben", zitieren die "SN".