Valencia. (ce) Antonio Guterres hat sich geirrt. "20 Prozent" sagte er, als er vor Monaten nach seinen Chancen befragt wurde, im Herbst zum Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN) gewählt zu werden. Denn seit Ende Juli hat es drei vertrauliche und noch nicht bindende Probeabstimmungen im UN-Sicherheitsrat in New York gegeben. Und in allen drei Runden lag Guterres eindeutig vorn.
Guterres ist für den Posten des UN-Generalsekretärs bestens geeignet. Daran besteht eigentlich kein Zweifel bei den Diplomaten am East River in New York. Denn der ehemalige portugiesische Premier stand von Mitte 2005 bis Jahresende 2015 an der Spitze des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Eigentlich wäre seine Amtszeit schon im Juni vergangenen Jahres zu Ende gewesen, aber wegen der Flüchtlingskrise in Europa und dem Nahen Osten wurde sie verlängert.
Ein Freund klarer Worte
Guterres nimmt sich kein Blatt vor den Mund. Das hat er als Hoher Kommissar für die Flüchtlinge bewiesen. Vor dem Menschenrechtsausschuss der UN kritisierte er im November 2015 noch energisch, dass die reichen Mitgliedsländer der Weltorganisation ihre finanziellen Verpflichtungen nicht erfüllten. Die ihm und anderen Hilfsorganisationen zur Verfügung stehenden Mittel reichten nicht aus, um 60 Millionen Vertriebene weltweit zu betreuen oder zu versorgen. Auch dadurch sei die Flüchtlingskrise in Europa mit ausgelöst worden.
Der 67-jährige Politiker hat in seiner Karriere in Portugal auf Gradlinigkeit gesetzt. Er stammt aus einer Lissabonner Beamtenfamilie, sein Vater war bei den Gas- und Elektrizitätswerken beschäftigt. Guterres studierte ab 1966 Ingenieurwissenschaften in Lissabon, hängte 1972 noch einige Semester Wirtschaftswissenschaften an. In seiner Hochschulzeit war er in einer christlichen Studentengruppe. Sofort nach der sogenannten Nelkenrevolution gegen das Salazar-Regime vom April 1974 trat Guterres in die Sozialistische Partei (PS) ein, die von Mario Soares gegründet worden war. 1980 überwarf sich der als Mann mit eigenem Kopf geltende Guterres mit Mario Soares, weil der mit Konservativen zusammenarbeiten wollte.
Guterres machte dennoch seinen Weg, wurde im Februar 1992 zum Generalsekretär seiner Partei (PS) gewählt und schaffte drei Jahre später den Sieg bei der Parlamentswahl. Am 28. Oktober 1995 legte Guterres den Amtseid als Regierungschef ab. Was ihm gut erschien, das übernahm er von den Programmen seines konservativen Vorgängers, vor allem in der Wirtschaftspolitik. Deshalb konnte Portugal auch zusammen mit zehn anderen EU-Staaten am 1. Januar 1999 den Euro einführen. 1999 gewann Guterres mit seiner PS erneut die Wahl. Nach den Ende 2001 deutlich verlorenen Kommunalwahlen trat er im Frühjahr 2002 zurück.
Außenpolitisch erfolgreich
In seiner Amtszeit als Premier hatte Guterres reichlich internationale Erfahrungen gesammelt. So brachte er die sechs früheren portugiesischen Kolonien im Juli 1996 auf einem Gipfel in Lissabon dazu, die Gemeinschaft der portugiesischsprachigen Länder (CPLP) zu gründen. Er holte den OSZE-Gipfel nach Portugal und 1998 die iberoamerikanische Gipfelkonferenz. Und er ist den Österreichern gut im Gedächtnis. 2000 war er einer der Wortführer bei den EU-Sanktionen um Wien zu isolieren, falls der Rechtsextreme Jörg Haider in die Regierung kommen sollte.
In der Krise um die ehemalige portugiesischen Kolonie Osttimor zeigte die Regierung Guterres Härte gegenüber Indonesien, das einmarschiert war. Heute ist Osttimor unabhängig. Guterres führte Ende 1999 auch Macao unter die Souveränität Chinas und beendete damit 442 Jahre portugiesischer Kolonialgeschichte. Auch das kann ihm bei der Abstimmung der 193 UN-Mitgliedstaaten im Oktober helfen.
Die Amtszeit von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon läuft am 31. Dezember ab.