Patricia Musoke arbeitet für die Vereinten Nationen. Sie hat auch eine Vorstellung davon, wie die Vereinten Nationen als Metapher am besten zu erfassen wäre. Ihr Engagement gilt einem Projekt, dass Mädchen für Technologie begeistern möchte.
"Wiener Zeitung": Sie sind Chemieingenieurin von Beruf, arbeiten in Seibersdorf in Niederösterreich als Projektmanagerin? Was machen Sie da genau?
Nuclear Sciences and Applications
Patricia Musoke: Ich komme aus Uganda und bin am Projektmanagement für die "IAEA Laboratories" in Seibersdorf. Wir sind dabei, acht Laboratorien zu renovieren. Ich gehe sicher, dass das alles planmäßig abläuft. Unterstützt werden wir von den Mitgliedsstaaten.
Sie kommen aus einem völlig anderen Kulturkreis. Sie sind in Uganda geboren, haben lange Zeit in Kanada gelebt. Wie geht es Ihnen in Österreich?
Ich bin immer zwischen Uganda und Kanada hin- und hergereist. Und jetzt Wien: Für mich war es immer wichtig, dass ich mir Zeit nehme, mich anzupassen. Zunächst gab ich mir ein Jahr. Ich bin mir auch bewusst, dass ich es sehr wohl eine Herausforderung und Hürde ist, in einem Land zu leben, wo man die Sprache noch nicht so gut spricht. Aber im Laufe des Jahres habe ich viele Freunde gefunden. Ich habe die Menschen verstehen gelernt, und die Kultur hier begriffen.
Ist sie so anders?
Ja. Sowohl die kanadische Gesellschaft als auch die ugandische sind extrovertiert und Wien ist introvertiert. Ich befinde mich noch immer in diesem Stadium, wo alles neu, prickelnd und interessant ist. Neue Menschen kennenzulernen, die Sprache zu lernen. Wien als Ganzes ist anders. Es ist nie gut, wenn man Vergleiche trifft. Es ist immer gut sich das raus zu picken, was man braucht und dann zu entscheiden, was man damit macht.
Sie sind beruflich im Volleinsatz. Wo liegt Ihr Geheimnis zwischen Familienleben und Berufsleben?
Es gibt kein Geheimnis, es ist eine Denkweise. Wenn sie mich fragen, ob ich dieses Gleichgewicht lebe, dann kann ich ihnen sagen, dass ich in einer höchst komfortablen Position bin. Meine Rolle ist jene einer Mutter. Ich genieße sie kompromisslos. Und: Die Zeit ist natürlich eine Ressource. Als eine effektive Mutter habe ich eine Karriere zu haben, und so kann ich mich meinem Kind auch hingeben. Die Arbeit macht einen zu dem, was man ist. Kurz: Ich identifiziere mich mit meinem Job. Mein Sohn profitiert ja auch davon, dass ich in dieser wichtigen Position bin. Als Mutter betrachte ich Zeit aus einer Qualitäts- nicht Quantitätsperspektive,.
Denken Sie denn, dass ausreichend Frauen in der UNO, sprich in Ihrem Fall, in der Internationalen Atomenergiebehörde arbeiten?
Der Generaldirektor und das Management sind große Förderer der Frauenquote. Aber dennoch, müssen wir tatsächlich mehr Frauen für die Agentur gewinnen, die Gender-Quote ist wichtig. In der Vereinigung von Frauen im Nuklearwesen (Women in Nuclear) gibt es noch wenige.
Wie sieht Ihre Arbeitspraxis aus?
Die Meetings finden Anfang der Woche statt, dann heißt es Dokumente durchzuschauen, mit den Fachkräften zu verhandeln, dem Team zusammenarbeiten und berichten, was passiert. Es ist wie jede andere Arbeit auch: Telefonieren, mit Leuten reden, koordinieren.
Aus wie vielen Ländern kommt Ihr Team, wie viele Sprachen sprechen Sie im Team?
Wir sind ein Team von sieben Leuten, zusammen sprechen wir an die zehn Sprachen.
Mag es sein, dass für viele die UNO wie eine fremde Welt ist?
Englisch ist die gängige Sprache. Und ja, hier tummeln sich Leute aus der ganzen Welt. Hier ist es üblich zwischen den Sprachen zu wechseln. Es ist multikulturelle Umgebung. Es ist ein komfortabler Platz. Jeder hier bringt die Berufs- und Lebenserfahrung aus vielen unterschiedlichen Ländern mit.
Was treibt Sie an?
Ich war immer angetrieben von Jobs mit einer höheren Verantwortung, deshalb passt die IAEO gut zu mir. Es ist eine große Mission, die wir betreiben. Das Niveau an Professionalität liegt sehr hoch. Wenn du vorankommst, weißt du, dass du es richtig machst. Es gibt Herausforderungen. Das gibt mir den Antrieb. Teil von jener Organisation zu sein, die zum Weltfrieden beiträgt. Die andere Sache ist, dass ich als "Person of Color" mehr andere "Persons of Color" sehen sollte. Das heißt auch, dass ich Mütter, Frauen, Töchter inspirieren möchte. Ihnen helfen möchte, in Positionen mit höherer Verantwortung zu kommen.
Wie können Sie diese in der Realität "pushen"?
Es gibt ein Projekt, das sich "Shine" nennt. Es soll vor allem junge Mädchen begeistern. Es wurde letztes Jahr in meiner Heimat Uganda gelauncht. Etwa 44 Mädchen sind mit dabei. Das Funkeln in den Augen dieser Mädchen fasziniert mich. Zu sehen, dass sie die Wissenschaft verstehen lernen. In dieses Gebiet eintauchen, dort Chancen vorfinden und sie ergreifen.
Wie oft sind Sie in Uganda?
Letztes Jahr war ich vier Mal dort. Ich habe dort immer viel zu tun. Ich muss dieses Projekt am Laufen halten. "Shine" wird weitergeführt, da ich noch mehr Mädchen dafür begeistern werden. Ich bin der Überzeugung, dass man als Mädchen/Frau in der Wissenschaft und Technologie stets gut aufgehoben ist. Natürlich muss ich diese Aktivitäten neben meinem normalen Dienstplan abhalten.
Aber Wissenschaftler sind im Normalfall nicht so emotional und empathisch wie Sie, oder doch?
Ja, ich bin sehr emotional. Ich tanze, bin der Kunst sehr vertraut. Im Gegensatz dazu ist die Wissenschaft immer sehr logisch. Ich bin beides.
Das UNO-Logo zeigt die Welt, umrandet von einem Olivenzweig, der Frieden symbolisiert. Wie wurden Sie die UNO künstlerisch darstellen?
Ich würde die Elemente des Universums wählen. Der Grund: Es ist ein Ort, der Dinge, die zunächst unmöglich erscheinen, zusammenbringt und sie ermöglicht. Als Eisenhower seine Rede "Atoms for Peace" gehalten hat, konnte man sich noch gar nicht vorstellen, was alles zustande gebracht wurde. Da wo wir heute sind.
Welche Metapher hätten Sie denn für die UNO?
Das Universum verschränkt die Hände in einander. Hände von unterschiedlichen Hautfarben, nur um zu verdeutlichen, dass – wenn wir zusammenarbeiten – auch einiges erreichen können. Dann kommt die höhere Kraft dazu und setzt den Rest um.
Welche Herausforderungen kommen auf die IAEO zu?
Ein Bewusstsein für den Einsatz von nützlichen und friedlichen Nukleartechnologieapplikationen zu schaffen ist eine Herausforderung. Die Herausforderung hier liegt darin, so viele Menschen wie möglich zu erreichen, die Eliminierung des Zika-Virus beispielsweise gehört dazu. Wir versuchen hier mit Technologie die Fortpflanzung von Moskitos zu unterbinden. Diese Methode wird ja auch schon erfolgreich bei Tsetsefliegen angewendet.
Warum ist Nukleartechnologie durchwegs negativ besetzt? Weil sie gefährlich ist?
Die IAEO hilft Mitgliedsstaaten die Sicherheit dauerhaft zu stärken und Risiken zu minimieren. Außerdem: An die positiven Seiten der Nukleartechnologie denkt kaum jemand. Man muss sich nur vorstellen, was mit dieser Technologie im täglichen Leben angewandt wird. Aldo Malavasi, der stellvertretende Generaldirektor für Nuklearwissenschaften und -applikationen der IAEO, versucht dies zu vermitteln. Weil ja auch gleichzeitig klar ist, so verheerende Ausmaße und Wirkung sie haben kann, andererseits auch extrem nützlich sein kann.