Überfüllte Strände, überteuertes Essen, überfordertes Personal: Warum begibt sich ein Großteil der Bevölkerungen der Industrienationen freiwillig und regelmäßig zu den gleichen Zeiten an die gleichen Orte?

Gereist wurde immer schon, die ältesten Schriftquellen befassen sich mit Mobilitäten, die Tontafelarchive aus Mesopotamien erzählen von Kriegszügen, von diplomatischen Beziehungen und von Handelsmissionen in entfernte Regionen. Gereist wird im Gilgamesch-Epos, im Alten Testament, bei Homer, die Geschichte des Menschseins ist auch eine der Bewegung im Raum.

Vormoderne Ortswechsel hatten allerdings eine Zweckmotivation, sie dienten der Eroberung (Krieg), dem Handel, der Bildung, der Gesundheit (Kur), der Religion (Pilgern) oder Familien- und Verwandtenbesuchen. Dabei wollten die Reisenden etwas für sich gewinnen, sich etwas aneignen: Terrain, Waren, Wissen, Heilung, Spiritualität, Beziehungen. Seit jeher wird die Erfüllung elementarer menschlicher Bedürfnisse auch in die Ferne verlagert.

Die Reisebranche feiertRekord um Rekord

Für 2018 hat die Welttourismus-Organisation (UNWTO) 1,4 Milliarden Touristenankünfte international errechnet, eingeschlossen Privatreisen, Geschäftsreisen und Mehrfachreisen Einzelner. Trotz Krisen und Kriegen in aller Welt war dies eine Steigerung von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Branche feiert Rekord um Rekord, das neunte Jahr in Folge wurde über ein ununterbrochenes Wachstum jubiliert. Das hat es seit den 60er Jahren nicht mehr gegeben. Auch für 2019 wird ein Anstieg erwartet.

Noch immer sind es überwiegend Angehörige von Ländern mit hohem Bruttoinlandsprodukt, die sich an der internationalen Freizeit-Mobilität beteiligen. Historisch ist die touristische Reise ein junges Phänomen, sie ist etwa so alt wie jene Epoche, die gemeinhin die Moderne genannt wird, also die Zeit seit der Aufklärung. Erst als die wirtschaftliche Basis Europas sich wandelte, von einer agrarischen in eine industrielle, wurde aus Reisen Tourismus.

Die touristische Reise als Freizeitreise ist unmittelbar verbunden mit Lohnarbeit und Urlaubsregelungen. Sie ist in ihrer heutigen massenhaften Erscheinungsform nur möglich auf der sozio-ökonomischen Basis einer technologisch hoch entwickelten Gesellschaft in einem liberalen Wohlfahrtsstaat, der über die infrastrukturellen und logistischen Kapazitäten verfügt, um die Beförderung und den Aufenthalt einer großen Zahl von entspannungs- und unterhaltungsbedürftigen Menschen zu bewältigen.

Mit dem regelmäßigen Ortswechsel in der Freizeit wurde aus der Zweckmobilität eine Erlebnismobilität, und die Reise wurde zur zwecklosen Reise in dem Sinne, dass die Reise an sich der Zweck ist. Solche Mobilitäten folgen nicht der Absicht, sich etwas anzueignen, das in der Ferne zu finden ist, sondern dienen allein dem Vergnügen, der Erholung, der Abwechslung. So ist der berühmte Tapetenwechsel eine der wichtigsten Reisemotivationen in Urlaub und Freizeit.