"Man kann es riechen. Im allgemeinen gilt Wasser als geruchslos. Aber man kann es riechen. Ich kann mich an den Geruch verschiedener Flüsse und Meere erinnern. Und auch wenn es nicht das Wasser selbst ist, das so riecht, sondern die Verbindung von Wasser mit etwas anderem, so ist doch das Schöne an diesen Gerüchen, an die ich mich erinnere, dass es Gerüche des Wassers sind."
John von Düffel, passionierter Schwimmer und Poet des nassen Elements, brachte es in seinem 1998 erschienenen Buch "Vom Wasser" auf den Punkt: Wir riechen Wasser - sofern es sich mit etwas verbindet.
Das Meer riecht nach Salz. Das sagen, spontan befragt, die meisten Menschen - und selbst Meeresbiologen wie die junge Österreicherin Nikola Pichler. Sie erforscht die Umwelt- und Klimaauswirkungen auf das Plankton, das den Löwenanteil an der maritimen Biomasse bildet. Der durchschnittliche Salzgehalt des Meerwassers liegt hingegen nur bei 3,5 Prozent. Ihre Zunft, so Pichler, assoziiere mit dem Meergeruch natürlich auch Algen, Fisch oder Schlamm - und noch eines: Arbeit. Dass auch Ölteppiche und Plastikmüll die Meere "anreichern", wollen wir nicht ausklammern.
Plastik zum Beispiel führt Meerestiere sowohl durch sein Aussehen in die Irre - als auch durch den Geruch. Denn auf dem Plastik siedeln Algen. Die senden einen Duftstoff aus, der, sobald er in die Luft aufsteigt, Seevögel magisch anzieht. Der verführerische Duft hat einen Namen: Dimethylsulfid (DMS). Winzige Algen produzieren diese Schwefelverbindung in hochkonzentrierter Dosis als Abwehr gegen ihre Fressfeinde.
Ach der Schwefel! Steckt er nicht schon immer mit dem Teufel im Bunde? "Algenblüte" ist ein schönes Wort. Es bezeichnet die massenhafte Vermehrung von Algen in warmen Perioden. Dabei gibt etwa die Grünalge Ulva lactuca - im Grunde eine vitamin- und mineralstoffreiche Delikatesse - ihre dunkle Seite preis: Sobald sie in der Sonne verdorrt, entwickelt sie giftige Faulgase. Dieses leidige Phänomen kennt man auch in der Bretagne. Dort beförderten diese von den Algen verströmten Schwefelgase vor Jahren Dutzende Wildschweine ins Jenseits, desgleichen ein Pferd (der Reiter kippte bewusstlos aus dem Sattel), und selbst ein Arbeiter soll den Abtransport der Algenberge nicht überlebt haben.
Miasmen
An der Stelle sei an den alten Aberglauben erinnert, wonach die Ausdünstungen des Meeres ansteckende Krankheiten, etwa die Pest, auslösen. Der französische Historiker Alain Corbin hat diesen Miasmen in seiner aufschlussreichen Kulturgeschichte "Meereslust. Das Abendland und die Entdeckung der Küste 1750-1840" nachgespürt.
