Es kommt nicht auf die Größe an. Hat die Besucherin, der Besucher endlich den Raum Nummer 18 des venezianischen Palazzo Mora gefunden – was gar nicht so einfach ist – , wundert er, sie sich einmal: In diesem relativ kleinen, dunklen Raum sollen 19 Videos heimischer und internationaler Künstlerinnen und Künstler präsentiert werden? Beim Eintreten erkennt man/frau die Idee der Inszenierung. Die letzten Blätter eines in den Raum gebauten, verkohlten Baumgerippes symbolisieren fünf kleine Screens, die auf die Äste montiert sind. Die Screens zeigen Arbeiten von 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Loop. An der Wand beim Eingang kann man individuell die Videos anklicken und betrachten. Eine herausfordernde Aufgabe.

Wahrscheinlich kann das Projekt gar nicht ohne Anstrengung funktionieren. Denn die Thematiken, die die Ausstellung "Intra-Actions: Existence is not an individual matter" behandelt, sind umfassend und aktuell. Es geht in Anlehnung an Karen Barad um nichts weniger als um das Überleben der Menschheit, die technische Beziehung zwischen menschlich und nicht-menschlich, selbstverständlich unser Verhältnis zu Umwelt und Natur und wie die Komponenten heutzutage unter- und miteinander interagieren. Karen Barad ist im Zivilberuf eine anerkannte Professorin für Theoretische Teilchenphysik und Quantenfeldtheorie. Ihre Alma Mater ist die Universität von Kalifornien in Santa Cruz, wo sie feministische Studien, Philosophie und Geistesgeschichte unterrichtet. In Zusammenarbeit mit der Universität für Angewandte Kunst in Wien, in diesem Fall das Zentrum für Kunstdidaktik und Interdisziplinäre Erziehung, ist dieses kuratierte Ausstellungsprojekt des European Cultural Center im Rahmen der Kunstbiennale in Venedig. Neben den "Intra-Actions" werden noch zahlreiche andere Präsentationen im Palazzo Mora gezeigt.

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Wie stark die aktuelle politische Situation mit dem Krieg in der Ukraine diese Installation beeinflusst hat, verdeutlich die Abkehr, den Raum nach verbranntem Holz und Kohle riechen zu lassen.

Fähigkeit zur steten Erneuerung

Mit einem solchen drastischen Eingriff wollte sich das Organisationsteam im Angesicht zerbombter und verbrannter Häuser nicht die Finger verbrennen. Jetzt wird ein frischerer Duft verwendet, der die Fähigkeit der Menschheit zur steten Erneuerung, ihrer ungebrochenen Hoffnung und einen positiven Blick in die Zukunft widerspiegeln soll. Eine Änderung, die die Besucher zu schätzen wissen, denn in diesem Raum mit einem penetranten Geruch nach Verbranntem konfrontiert zu werden, hätte die Verweildauer zum Betrachten der Videoarbeiten zusätzlich stark verkürzt. Ein Betrachten, dass es dem Publikum aufgrund der räumlichen Gegebenheiten bereits schwer macht und auch die Inhalte der Arbeiten meist kein einfacher Tobak sind: wie etwa jene Arbeiten von Pamela Bartar über das Müllproblem, oder über Sophie Böskers Video das iPhone als persönlich-intimes, aber jederzeit von Hackern abrufbares Archiv, bis hin zur Arbeit "Let’s talk about death" von L. Vanessa Gruber.

Um die Themen und angesprochenen Problematiken zu vertiefen und transparenter zu machen, wird es während der Ausstellungsdauer nicht nur Performances im Palazzo, sondern unter dem Titel "Opera Aperta" auch Workshops und – virtuelle – Gespräche geben, die von der "Wiener Zeitung" mitkreiert wurden.