Mit dreimonatiger coronabedingter Verzögerung wurden am Sonntag in 285 steirischen Gemeinden - außer in Graz - die Gemeinderäte neu gewählt. Landesweit gerechnet war die ÖVP klarer Wahlsieger mit einem deutlichen Plus von 4,5 Prozentpunkten auf nunmehr 47,2 Prozent. Die SPÖ konnte vor allem in den früheren roten Hochburgen in der Mur-Mürz-Furche teils stark zulegen, musste aber mancherorts auch satte Verluste hinnehmen. Die FPÖ wurde in manchen Orten halbiert, für die Grünen gab es insgesamt einen leichten Zuwachs. Die Wahlbeteiligung sank um 10,7 Prozentpunkte auf nur mehr 62,6 Prozent.
Die ÖVP baute ihre Vormachtstellung insgesamt aus. So legte sie in der Bezirksstadt Hartberg kräftig zu und holte mit 54,9 Prozent die absolute Mehrheit. Überraschend triumphierte sie in Mariazell, aber auch in den bisherigen SPÖ-Bastionen Eisenerz und Selzthal in der Obersteiermark. Gleichzeitig wurde deutlich, wie unterschiedlich die Einzelergebnisse bei den steirischen Gemeinderatswahlen waren und wie stark der lokale Faktor mitspielte. So stürzte die ÖVP in Fürstenfeld, das mit Hartberg in einem Bezirk vereint ist, um 18 Prozentpunkte auf 52,3 Prozent ab, hielt aber die absolute Mehrheit.
Langes Warten auf Ergebnis in Leoben
Das Gesamtergebnis der steirischen Gemeinderatswahlen verzögerte sich fast sechs Stunden lang, weil die Auszählung in Leoben, der größten Stadt, in der am Sonntag gewählt wurde, bis nach 20 Uhr dauerte. Erst dann stand fest, dass die SPÖ mit 16 von 31 Mandaten knapp ihre absolute Mehrheit gerettet hatte. Die ÖVP legte in Leoben von drei auf fünf Mandate zu und ist damit gleich stark wie die KPÖ, die statt drei nun ebenfalls fünf Sitze im Gemeinderat hält. Die FPÖ wurde von vier auf zwei Mandate halbiert. Grüne (2 Mandate) und eine Namensliste mit einem Mandat sind auch im neuen Gemeinderat vertreten.
Offiziell wurden der "Wiener Zeitung" im Rathaus die 3000 Wahlkarten als Grund für das mehr als fünf Stunden dauernde Auszählen genannt. Insgesamt waren in Leoben 19.870 Bürger wahlberechtigt, Mit 48,5 Prozent ging aber nicht einmal die Hälfte davon zur Wahl.
In Eisenerz ist die ÖVP jetzt voran
Bei der SPÖ war der Wahlsonntag durchwachsen. Die SPÖ verzeichnete speziell in früheren Hochburgen starke Gewinne. In der Mur-Mürz-Furche konnte sie gegenüber 2015 in Städten wie in Bruck an der Mur, wo sie die absolute Mehrheit eroberte, und in Kapfenberg vor allem auf Kosten der FPÖ deutlich zulegen. Dafür wurde sie aber in Eisenerz von der ÖVP überholt. In der bisher bis zu 80 Prozent erzroten Eisenbahnergemeinde Selzthal im Bezirk Liezen in der Obersteiermark wurde sie 49,4 Prozent von der ÖVP mit 50,6 Prozent und mit acht zu sieben Mandaten völlig überraschend überholt.
Ein bitterer Wahlsonntag war es für die Freiheitlichen, die teilweise in Gemeinden halbiert wurden. Einbußen gab es für die Blauen nicht zuletzt in den Industrieregionen in der Mur-Mürz-Furche.
Die SPÖ konnte sich schon am Sonntagnachmittag über eine Erdrutscherfolg in Zeltweg freuen, wo die Sozialdemokraten von rund 40 auf 68 Prozent zulegten konnten. Dabei gab es in der Murtal-Gemeinde mit dem Fliegerhorst mit insgesamt acht Listen die meiste Konkurrenz in allen Kommunen. Ebenfalls deutliche Zuwächse gab es für die SPÖ mit 58 Prozent in Knittelfeld unweit von Zeltweg.
In Graz wurde nicht gewählt. Insgesamt waren 804.000 Steirerinnen und Steirer zur Wahl aufgerufen. Die Wahlbeteiligung war stark rückläufig. Als Hauptgrund dafür galten die strengeren Schutzmaßnahmen wegen des Coronavirus. Wegen der Corona-Krise waren die Gemeinderatswahlen auch von 22. März auf 28. Jun verlegt worden.
Blaue Dämpfer im Grazer Umfeld
Bezeichnend für den Absturz der FPÖ gegenüber 2015 waren zwei Gemeinden südlich von Graz (Bezirk Graz-Umgebung). In Feldkirchen bei Graz schaffte die ÖVP mit einem Plus von knapp 15 Prozentpunkten die absolute Mehrheit, während die FPÖ knapp 3,7 Prozentpunkte verlor und auf 25,4 Prozent zurückfiel. Dabei hatte man sich Hoffnungen auf das Bürgermeisteramt gemacht.
Schlimmer erging es der FPÖ in Gössendorf, dem früheren Wohnort von FPÖ-Landeschef Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek. Die Freiheitlichen wurden mit 13,2 Prozent halbiert. Die SPÖ eroberte mit plus 17 Prozentpunkten und nunmehr 64,6 Prozent die absoute Mehrheit in Gössendorf.
Insgesamt kam die SPÖ auf 31,9 Prozent (+0,3 Prozentpunkte). Die FPÖ erreichte insgesamt 8,2 Prozent (-5,7 Prozentpunkte). Die Grünen schafften 4,8 Prozent (+1,4 Prozentpunkte), die Neos 0,6 Prozent (+0,2%), die KPÖ 1,6 Prozent (+0,1%), sonstige Listen 5,8 Prozent (-0,8 %)
Überschattet von Corona-Schutzmaßnahmen
Die steirischen Gemeinderatswahlen standen ganz im Zeichen der Corona-Schutzmaßnahmen: In Pöllau im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld wurde die Gemeinderatswahl ins Refektorium bei der Vitus Stifts- und Pfarrkirche verlegt. Ein barrierefreier Zugang zum Wahllokal in der Marktgemeinde war am Sonntag dort auch vorhanden. Die coronabedingte Verschiebung der steirischen Gemeinderatswahlen von 22. März auf diesen heißen Juni-Sonntag hatte zur Verlegung des Wahllokals in der mehr als 6000 Einwohner zählenden Gemeinde, die mit der Hirschbirn wirbt, geführt. Am Nachmittag stand dann fest: Politisch konnte die ÖVP ihre Vormachtstellung in Pöllau auf 61 Prozent sogar noch ausbauen.
Unter besonderen Schutzmaßnahmen wurde hier wie in den anderen 284 steirischen Kommunen gewählt. Desinfektionsmittel, eigener Kugelschreiber und freiwillige Mundnasenschutzmaske gehörten an diesem landesweit ersten Wahlsonntag seit den Coronabeschränkungen im März dazu. Kurios war, dass auf den Stimmzetteln für die 804.000 Steirerinnen und Steirer an diesem 28. Juni immer noch der 22. März stand - rechtlich völlig in Ordnung.
In Lassing gab es nur eine Liste
In einem einzigen der 285 Orte, in denen die Gemeinderäte neu gewählt werden, haben die Bürger keine wirkliche Wahl. In Lassing im obersteirischen Bezirk Liezen tritt nur die ÖVP-Liste zur Wahl an.
Der Ort ist seit 1998 weit über die Steiermark hinaus bekannt - aus einem äußerst traurigen Anlass. Die Bilder vom Grubenunglück, das zehn Bergleuten bei einem Rettungsversuch das Leben gekostet hatte und die wundersame Rettung eines Bergmanns, als man schon jede Hoffnung aufgegeben hatte, hielten damals nicht nur Österreich in Atem. Einer, der damals schon in der Gemeinde dabei war, der hemdsärmelig-mitfühlende Fritz Stangl, nimmt mit dieser Gemeinderatswahl als Bürgermeister Abschied. Er war seit 2000 in diesem Amt.
Schützenhöfer ist positiv überrascht
Steiermarks Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) zeigte sich in einer ersten Reaktion überrascht über die Höhe der ÖVP-Gewinne. SPÖ-Landeschef Anton Lang sah den Abwärtstrend seiner Partei gestoppt. FPÖ-Landeschef Mario Kunasek nannte fehlenden Rückenwind vom Bund und die Corona-Krise als Grund für das schlechte Abschneiden. Grünen-Klubobfrau Sandra Krautwaschel war "unglaublich glücklich" über die Zuwächse für ihre Partei.