"Jetzt muss er liefern", sagte der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und erklärte gleichzeitig, dass das gar nicht so einfach sei. Schließlich "glaubt jeder, Obama ist sein Mann". Egal ob man gegen überbordenden Freihandel, für die Gewährleistung von Israels Sicherheit durch die USA oder Gespräche mit der Hamas sei. Durch seinen allgemein gehaltenen Wahlkampf ist Obama zu einer Projektionsfläche für Wünsche quer durch den politischen Gemüsegarten geworden.

"Ich halte nichts von diesen messianischen Erwartungshaltungen, die sogar in Österreich bis hin zur Provinzebene Nachahmer finden", sagte Schüssel. Das Wichtigste sei für Obama, gleich zu Anfang seiner Präsidentschaft einerseits delegieren zu können - denn allein könnte er unmöglich alle anstehenden Aufgaben bewältigen. Andererseits müsse er die wichtigsten Punkte fokussieren, nämlich die Wirtschaftskrise und die Kriege der USA.

Ein Blick in die Vergangenheit zeige, was Obama erwarte: Die Krise werde wohl zwei Jahre dauern, Aktien um mehr als 50 Prozent fallen, Immobilienpreise absacken und dafür die Staatsverschuldung drastisch steigen. Diese Komponenten seien unvermeidbar.

"Das ist jetzt drehbuchfreier Bereich", sagte Schüssel. Die USA müssten sich auf die Suche nach Partnern machen, mit denen sie sich neu positionieren können - was auch für Österreich und Europa wichtig ist. Man müsse der neuen US-Regierung genau zuhören und verstehen, was diese will und gleichzeitig auch Signale der eigenen Bedürfnisse aussenden. Genau in diesem Punkt unterscheide sich Obama maßgeblich von seinem Vorgänger George W. Bush: "Man wird Obama zuhören."

Viel Zeit zu liefern bleibt Obama nicht. Erfahrungsgemäß ist der hundertste Tag der Präsidentschaft der Stichtag für US-Medien, über die neue Regierung Bilanz zu ziehen. "Die Medien versuchen ja, jeden Präsidenten umzubringen. Wenn sie das nicht schaffen, wird er ein großer Präsident", erklärte Manfred Prisching, Soziologe von der Universität Graz. Irgendetwas brauche Obama, um es den Medien am hundertsten Tag zum Fraß vorzuwerfen. So einen symbolischen Akt werde er auch sicher setzen, waren sich Prisching und Schüssel einig.