Es wäre nicht das erste Mal, dass die Umfrageinstitute danebenliegen. Ihren berühmtesten Fehltritt leisteten sich die Forscher 1948, als sie einen Sieg des Republikaners Thomas Dewey vorhersagten, aber am Ende der Demokrat Harry Truman gewann. Noch bei den Vorwahlen der Demokraten im Jänner dieses Jahres lag Obama in Umfragen in New Hampshire mit acht Prozentpunkten vor Hillary Clinton. Die New Yorker Senatorin gewann.
Die Wahlforscher selbst weisen darauf hin, dass sie nur Momentaufnahmen anbieten können und dass es sich bei ihrer Arbeit nicht um eine exakte Wissenschaft handelt. "Zu einem gewissen Grad haben wir es mit einer Kunst und mit Annahmen zu tun", sagt John Zogby, der zusammen mit der Nachrichtenagentur Reuters und dem Fernsehsender C-Span eine tägliche Umfrage zur Präsidentenwahl veröffentlicht.
Die Statistiker haben in den USA mit einer ganzen Reihe von Herausforderungen zu kämpfen. Immer mehr Amerikaner lehnen eine Teilnahme an Umfragen ab. "Wenn die Antwortquote 15 Prozent beträgt, dann sind die Leute, die man hat, nicht unbedingt repräsentativ für die Gesamtbevölkerung", sagt Nate Silver von der auf die Analyse von Umfragen spezialisierten Internetseite FiveThirtyEight.com . Die zunehmende Zahl von US-Bürgern, die keinen Festnetz-Telefonanschluss haben, sondern nur noch per Mobiltelefon zu erreichen sind, stellt ein weiteres Problem dar: Traditionell werden die Umfragen über das Festnetz geführt.
Ganz entscheidend ist die Frage, wie viele der Befragten auch wirklich zur Wahl gehen werden. Dazu haben die Forscher verschiedene Modelle entwickelt. Gallup gibt gleich zwei Umfragen heraus. Nach dem "traditionellen" Wählermodell liegt Obama zwei Prozentpunkte in Führung. Dagegen sieht ihn das "erweiterte" Modell, das von einer höheren Beteiligung von jungen und schwarzen Wählern ausgeht, sieben Punkte vorn.
Zu den größten Streitpunkten gehört der sogenannte Bradley-Effekt. Er besagt, weiße Wähler gäben bei Umfragen nicht zu, dass sie nicht für einen Schwarzen wie Obama stimmen würden, weil sie nicht als Rassisten gelten wollten.
Diese 1982 aufgestellte Theorie ist zwar für viele Experten widerlegt. Möglicherweise werde die Zahl der rassistisch motivierten Wähler trotzdem unterschätzt, sagt Andrew Kohut vom Pew Institute. Sie könnten eher dazu neigen, bei Befragungen einfach den Hörer aufzulegen. Allerdings sei Obamas Vorsprung vermutlich so groß, dass ihr Anteil ohnehin nicht von Bedeutung sein dürfte.
Am Ende stehen die Wahlforscher trotz aller Vorbehalte zu ihrer Arbeit: Seit mehr als 25 Jahren, so ihr Argument, lagen bei Präsidentschaftswahlen die großen Umfragen immer sehr nah am tatsächlichen Ergebnis.
Siehe auch
Hat Obama den Sieg in der Tasche?