Obama wirft seinem Gegner vor, seit 20 Jahren gegen eine Regulierung des Finanzsystems gekämpft zu haben. McCain kontert, Obama stelle nicht das Land, sondern persönlichen Ziele an die erste Stelle.
"Obama ist schuld"
Nachdem der Dow-Jones-Index am Montag um nahezu 780 Punkte abstürzte - es war der größten Verlust nach Punkten aller Zeiten - ließ McCain zunächst mitteilen, das sei die Schuld von Obama und die der Demokraten. Im Repräsentantenhaus stimmten allerdings zwei Drittel der Republikaner gegen das 700-Milliarden-Dollar-Paket - von den Demokraten waren nur 40 Prozent dagegen. So sah sich McCain zu einer modifizierten Stellungnahme genötigt. Jetzt sei nicht die Zeit "für Schuldzuweisungen", es müsse darum gehen, "das Problem zu lösen", so McCain. Später warf er Obama und den Demokraten vor, einen unnötigen Parteienstreit in die Diskussion hineingebracht zu haben.
Obama dagegen präsentierte McCain auf Wahlkundgebungen als einen Politiker, der seit Jahren für die Deregulierung im Finanzwesen gewesen sei und deshalb seine Hände nicht in Unschuld waschen könne. John McCain habe, so Obama, allein in diesem Jahr "20 Mal weniger Regulierung gefordert". Kürzlich hätte sein republikanischer Konkurrent in einem Interview gesagt, Deregulierung habe dem Wirtschaftswachstum geholfen. "Senator, von welcher Wirtschaft sprechen Sie?", rief Obama der Menge zu. Die USA könnten es sich nicht leisten, dass McCain diese Politik als Präsident fortsetze.
Den Umfragen und Analysen zufolge kommt die Finanzkrise Obama und seiner Partei entgegen. "Die Demokraten befinden sich im Aufwind", weiß auch der Politikwissenschafter Larry Sabato, der an der Universität von Virginia lehrt. "Im Normalfall ist es so, dass eine schlechte Wirtschaftslage die Partei des Präsidenten beschädigt."
Niederlage für Bush
Die Pleite im Kongress ist eine ganz persönliche Niederlage für George W. Bush. Während ihm Kritiker zunächst Untätigkeit in der Krise vorgeworfen hatten, ist er am gestrigen Dienstag zum vierten Mal mit ernster Miene vor die TV-Kameras getreten, um an den Kongress zu appellieren, im Interesse des Staates für das Notpaket zu stimmen. Doch selbst seine eigenen Parteileute folgten ihm nicht. Selten hatte sich Bush für ein Gesetz derartig stark gemacht, die Autorität des Präsidenten der mächtigsten Nation der Welt scheint auf den Nullpunkt gesunken.
Die täglichen Horror-Meldungen von der Wall Street verunsichern die US-Amerikaner, die wirtschaftliche Situation ist derzeit eindeutig Hauptsorge der US-Wähler. Allerdings lehnen die meisten Bürger den Rettungsplan der Regierung Bush ab. In einer Umfrage der Nachrichtenagentur Bloomberg und der Los Angeles Times erklärten 55 Prozent der Befragten, es sei nicht die Aufgabe des Staates, Privatunternehmen mit Steuergeldern aus er Patsche zu helfen. Das gelte auch dann, wenn Insolvenzen die Gesamtkonjunktur schädigen könnten. Nur 31 Prozent der US-Amerikaner sind der gegenteiligen Ansicht.
Der "kleine Mann von der Straße", so zeigen Interviews und Befragungen, ist in den Vereinigten Staaten der Ansicht, dass ihm selbst auch nicht geholfen würde, wenn er in finanzielle Schwierigkeiten käme. Die Maßnahmen, so die weit verbreitete Annahme, würden nur ein "paar reichen Säcken" zugute kommen. Viele fürchten zudem, dass es im Gefolge des Pakets zu Steuererhöhungen kommen könnte.
Unterdessen wird mit Spannung das TV-Duell der Vizepräsidentschaftskandidaten erwartet, das am Donnerstag über die Bühne geht. McCains Kandidatin Sarah Palin wird gegen Joe Biden antreten. Wobei die Eignung Palins immer öfter in Zweifel gezogen wird. "Sie hat keine Sekunde damit zugebracht, über wichtige nationale oder internationale Themen nachzudenken", so "Newsweek"-Redakteur Fareed Zakaria. Angesichts der Lage auf den Finanzmärkten könnte der Ruf nach einem erfahrenen Politiker lauter werden, was Biden entgegen käme.