Ausgerechnet zur gleichen Zeit trifft der Hurrikan "Gustav" auf die Teile der Südostküste, die sich noch nicht vollständig von den Schäden erholt hat, die vor drei Jahren der Wirbelsturm "Katrina" New Orleans und anderen Städten zufügte. Das zögerliche Krisenmanagement der Regierung Bush damals ist bis heute eine ihrer am nachhaltigsten im öffentlichen Bewusstsein gebliebenen Fehlleistungen.
Bush reiste statt nach St. Paul im nördlichen Minnesota ins 1600 Kilometer südlich gelegene Texas, um eventuellen Katastrophenschutzeinsätzen nahe zu sein. "Ich erwarte unbedingt, dass die Fehler von ,Katrina nicht noch einmal gemacht werden", gab McCain seinem Parteifreund mit auf den Weg.
"Gustav" machte mit seinem gewaltigen Zerstörungspotenzial eine Parteitagsregie zur Makulatur, die nach der glanzvollen Inthronisation seines demokratischen Rivalen Barack Obama die in Umfragen verlorenen Punkte wieder zurückholen sollte. Auch McCains Überraschungscoup mit der Benennung der jungen Gouverneurin Sarah Palin zu seiner Vizepräsidentschaftskandidatin wurde erst einmal aus den Schlagzeilen gedrängt.
Chance für McCain
Politische Analysten sahen aber in dem schnellen Umschalten auf einen sachlich-geschäftsmäßigen Parteitag eine Chance für McCain: Er könne so Führungsqualitäten beweisen, die er in seinem Wahlkampf dem jungen Obama wegen Unerfahrenheit abspricht - und sich zudem ganz anders als Bush vor drei Jahren präsentieren. Während die Demokraten ihn mit Bushs Politik gleichsetzen, versucht McCain zunehmend, sich von der unpopulären Regierung zu distanzieren. Der Verzicht auf Bushs und Cheneys Parteitagsreden dürfte ihm daher nicht allzu schwer fallen.
Statt Bush und Cheney sollten nun First Lady Laura Bush und McCains Frau Cindy auf einer Podiumsdiskussion über mögliche Hilfe für Hurrikan-Opfer sprechen. McCain kündigte an, auf parteipolitischen Streit verzichten zu wollen, solange "Gustav" das Leben von Menschen bedroht. "Dies ist die Zeit, in der wir unsere Parteipolitik hintanstellen und als Amerikaner agieren", betonte er.
Auch die Demokraten fuhren wegen des Hurrikans ihre Angriffe auf die Republikaner zurück. Ein
in St. Paul eingerichteter "Kriegsraum" ("war room") für eine aggressive Begleitung des republikanischen Parteitags bleibt bis auf weiteres geschlossen, eine Kundgebung unter dem Motto "More of the same" - gemeint ist eine Fortsetzung der unbeliebten Bush-Politik unter McCain - wurde abgesagt.
Programm gekürzt
Es war aber nicht ausgeschlossen, dass der Parteitag doch noch zu Glanz und Gloria wie die umjubelte Obama-Nominierung vor einer Woche zurückkehrt: Darüber werde täglich je nach Verlauf des Hurrikans entschieden, sagte McCains Wahlkampfmanager Rick Davis. Der Höhepunkt, McCains Rede zur Annahme seiner Nominierung, steht am Donnerstagabend zur besten Fernsehsendezeit auf der Tagesordnung. Für Montag wurde das Programm aber von sieben auf zweieinhalb Stunden zusammengestrichen.
Schlechte Nachrichten auch für das demokratische Lager: Obama hat nach einer neuen Umfrage vom Parteitag der Demokraten und seiner allgemein gelobten Rede dort wenig profitiert. In einer Umfrage für den Nachrichtensender CNN liegen Obama und McCain praktisch gleichauf. Demnach sprachen sich 49 Prozent der Befragten für Obama und 48 für McCain aus. Dies hänge unter anderem damit zusammen, dass McCain bereits kurz nach Ende des Parteitags der Demokraten seine Überraschungskandidatin Palin präsentierte und damit punkten konnte.