Als Erster erkannte George W. Bush das Stimmenpotenzial der Latinos. Er bemühte sich um sie, ging auf die Einwanderer zu, sprach Spanisch und konnte sich so deren Sympathie sichern. "Bush hat nur durch die Stimmen der Latinos gewonnen", erklärte Jorge Ramos, Moderator beim Sender Univisión in Miami, dem fünftgrößten Fernsehunternehmen der USA. "Die Kandidaten brauchen uns, denn wir haben die letzten beiden Wahlen entschieden."

Bush gewann Wahl 2000 mit Kubaner-Stimmen Tatsächlich haben die kubastämmigen Amerikaner im Jahr 2000 George W. Bush zum Präsidentenamt verholfen. Denn in Florida wählten sie mehrheitlich den damaligen Gouverneur von Texas, der in dem Bundesstaat mit rund 18 Millionen Einwohnern schließlich 537 Stimmen mehr als sein Rivale Al Gore erhielt und dadurch zum Wahlsieger wurde.

Frisch im Amt setzte Bush dann sogleich das nächste Zeichen und stattete seinen ersten Staatsbesuch dem mexikanischen Präsidenten Vicente Fox ab, statt traditionsgemäß nach Kanada zu reisen. Eine Geste, die ihm die Hispanoamerikaner bis zu seiner Wiederwahl im Jahr 2004 nicht vergessen haben.

Heute ist die hispanische Bevölkerungsgruppe bereits fixer Bestandteil der Kampagnen der Präsidentschaftskandidaten. Interviews in spanischsprachigen Medien sowie Werbeeinschaltungen auf Spanisch sind gang und gäbe.

"Wir sind kulturell relevant", freut sich Ramos, wenn auch er die weiterhin vorherrschende Benachteiligung der Hispanoamerikaner anprangert. Statistisch gesehen, müssten die Latinos 15 Senatoren und 7 Gouverneure in den USA stellen. Tatsächlich gibt es jedoch nur drei Senatoren und einen Gouverneur lateinamerikanischer Herkunft. Auch im täglichen Leben ist laut Ramos die latente Feindlichkeit gegen Hispanics spürbar. Das soll sich bald ändern, fordern die Latinos - am besten schon mit dem nächsten Präsidenten.

Besonders im Fokus stehen derzeit die demokratischen Kandidaten, besetzen sie doch traditionell die für die Minderheit wichtigen Themen: Immigration, Armutsbekämpfung, Gesundheitsvorsorge, Bildung.

Hillary Clinton hat von Anfang an die Latinos umworben, was ihr schließlich auch den bitter nötigen Sieg bei den Vorwahlen in Nevada eingebracht hat. Ihr Konkurrent Barack Obama hingegen schnitt bei den Latinos elend ab. Dies war die Quittung dafür, dass er sie hartnäckig ignoriert hatte. Anfragen von Univisión für ein Interview hatte er abgewiesen und auch sonst kümmert er sich so gut wie gar nicht um die Latinos. Doch mit der Niederlage in Nevada kam die Wende. "Da hat er uns dann auf einmal selbst um ein Interview gebeten", sagt Sylvia Rosabal, stellvertretende Leiterin des Nachrichtenressorts bei Univisión, mit unverhohlener Freude.

Latinos und Schwarze nicht kompatibel

Der Afroamerikaner hat nun ein Problem, weil er eigentlich bereits auf eine andere Minderheit fixiert ist: die schwarze Bevölkerung der USA. Und die ist mit den Latinos nur schlecht kompatibel. Die zwei Bevölkerungsgruppen mögen einander nämlich nicht besonders. "Das ist unter anderem auf die Kriege unter den Straßenbanden von Los Angeles zurückzuführen", sagt Ramos.

Diese Feindseligkeit ist auch auf den Straßen von Miami zu spüren. "Also, auf keinen Fall würde ich diesen Scheiß-Neger wählen", sagt der gebürtige Kubaner Angel M., der nicht wollte, dass sein Nachname bekannt wird. Der pensionierte Betreiber eines Rennbootstalls ist erklärter Anhänger von John McCain - so wie die meisten Kubaner. Im Unterschied zu den anderen Latinos sind sie mehrheitlich republikanische Wähler. Sie können dem demokratischen Ex-Präsidenten John F. Kennedy nicht heute nicht verzeihen, dass er 1962 in der Kubakrise klein beigegeben und endgültig auf eine Invasion verzichtet hat.

Aber auch demokratisch gesinnte Latinos können mit Barack Obama wenig anfangen. Der aus Nicaragua stammende Miguel ist ein erklärter Fan von Hillary Clinton, doch für ihren Konkurrenten hat er wenig übrig: "Den würde ich sicher nicht wählen. Erstens hat er zu wenig Erfahrung und zweitens mag ich seine Abstammung nicht."

Trotz aller Kritik und obwohl er bei der Vorwahl der Demokraten in Florida klar gegen Clinton verlor, konnte Obama 30 Prozent der Latino-Stimmen des Staates gewinnen. Von dem Erfolg beflügelt, lässt er mittlerweile schon Werbespots auf Spanisch über die Bildschirme flimmern, mit dem Ziel, die hispanoamerikanische Bevölkerung von Kalifornien für sich zu gewinnen, die am Dienstag zu den Urnen schreitet. In dem stimmengewichtigen demokratischen Schlüsselstaat ist fast ein Viertel der Wähler lateinamerikanischer Herkunft. Ob ihm wieder eine gute Mobilisierung gelingt, wird mit Spannung erwartet, denn Konkurrentin Clinton schläft nicht und betreibt dort bereits seit einer Woche einen Intensivwahlkampf. Beiden ist auf jeden Fall klar: Ohne Latinos ist diese Wahl nicht zu gewinnen.