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Wenn Bäume wieder wachsen lernen

Von Matthias Greuling

Wald
Volker Schlöndorff (l.) mit Agrarforscher Tony Rinaudo. Filmladen
© Filmladen

Doku "Der Waldmacher": Regisseur Volker Schlöndorff über neue Wälder, alte Techniken und die Zukunft der Filmkunst.


Mit 83 legt Volker Schlöndorff mit "Der Waldmacher" seinen ersten Kinodokumentarfilm vor, der ab sofort zu sehen ist. Nach einer Weltkarriere, die mit "Der junge Törless" oder "Die Blechtrommel" begann, ist Schlöndorff diesmal an einem Thema interessiert, das in Zeiten der Klimakrise wichtige Auswirkungen haben könnte: Schlöndorff folgt dem australischen Agrarwissenschaftler Tony Rinaudo bei seiner Aufforstungsarbeit in Afrika: Mit einer alten, einfachen Methode reaktiviert Rinaudo totgeglaubte Baumwurzeln unter dem versteppten Boden zu neuem Leben: Dann wachsen wieder Bäume, wo schon längst die Wüste regiert, und ganze fruchtbare Landstriche entstehen neu, ohne dass ein einziger neuer Baum gepflanzt werden muss. Schlöndorff nennt seinen Film "Der Waldmacher" und folgt dem Wissenschaftler in seine Arbeit, die er inzwischen in 24 Ländern erfolgreich umsetzt.

"Wiener Zeitung": Wie sind Sie auf das Thema von "Der Waldmacher" gekommen?Volker Schlöndorff: Ich bin irgendwo in einer Zeitschrift auf diese alte Methode gestoßen, mit der die Aufzucht von Bäumen aus alten Wurzeln gelingt. Da las ich auch über den Mann, der diese uralte Methode der Aufforstung in Afrika praktiziert: Dieser Tony Rinaudo, ein australischer Agrarwissenschaftler, interessierte mich. Ich dachte mir, dass das ein tolles Thema für einen Dokumentarfilm wäre, und wollte ihn treffen. Er hat mir diese Methode genau erklärt. Ich war danach so beeindruckt von ihm und von der Einfachheit der Methode, dass ich überzeugt war, dass man diese Methode weltweit verbreiten sollte und dass mein Film vielleicht dazu beitragen könnte.

Das Thema ist jedenfalls im Zeitalter der Klimakrise hochbrisant.

Es ist wirklich faszinierend, wie man scheinbar tote Landstriche wieder in einen Wald zurückverwandeln kann, der dort vor 100 Jahren noch bestanden hat. Wir haben beispielsweise im Norden von Ghana gedreht, wo die Bäume, die wieder aufgeforstet werden, eine Basis für die örtliche Landwirtschaft bieten. Ich bin dort besonders einer Bäuerin gefolgt mit meiner Kamera, weil ich diesen Film sehr stark über die Menschen erzählen wollte, um zu zeigen, wie sie von dieser Technik profitieren können. Es war in Afrika stark zu sehen, dass das fast immer Frauen sind. Sie sind die treibende Kraft in Afrika. Die Dynamik kommt von den Frauen und deshalb ist der Film eigentlich eine Ansammlung von Frauen-Porträts. Aber ich habe auch die Statistiken gesehen, was sich da in den 20 Jahren, in denen Tony Rinaudo dort tätig ist, verändert hat: Die grünen Wälder, die man auch auf Satelliten-Bildern: der Nasa sah. Man konnte deutlich sehen, wie sich das ganze Land verändert hat über diese zwei Jahrzehnte. Alles ist grüner geworden. Da konnte ich dann nicht mehr ungläubig sein.

Im Film fällt von Rinaudo irgendwann der Satz, dass Afrika mit dieser Technik die ganze Welt ernähren könnte. Sie können das in dem Moment nicht so recht glauben.

Aber es ist so. Wenn man die möglichen Anbauflächen berechnet und dann auch Getreidesorten anbaut, die dort wachsen können, dann wäre das möglich. Das ist wissenschaftlich nachgewiesen. Was ich nicht verstehen kann, ist, weshalb sich solche Erkenntnisse nicht in die Tat umsetzen lassen, beziehungsweise weshalb es so lange dauert, sie umzusetzen. Tony sagt, man muss Geduld haben. Er ist schon in 24 Ländern aktiv, und das ist dennoch erst ein Tropfen auf dem heißen Stein, angesichts der Not, die überall herrscht.

Sind Sie ein Skeptiker?

Als Skeptiker kommt man nicht weit in der Welt. Die Technik hat mich überzeugt, sie wird sich irgendwann durchsetzen. Es ist auch die Geschichte eines Mannes, der immer wieder scheitert und immer wieder aufsteht, beim Kampf um die Akzeptanz für diese Technik. Das hat etwas Rührendes, aber das macht auch die Kraft aus, mit der Rinaudo immer weiter arbeitet.

Ein Film ist auch so ein Hinfallen und Aufstehen. Bis man ein Projekt auf Schiene hat, braucht es auch viel Geduld. Ist es heute eigentlich leichter, einen Film zu machen, als in Ihren Anfangstagen?

Ja, es ist einfach geworden, vor allem in Hinblick auf die digitale Technik. Sie hat das Filmemachen demokratisiert. Was geblieben ist, ist der Widerstand, den man überwinden muss, einen Film in Angriff zu nehmen. Das bedeutet, lange Zeit viel Arbeit zu haben. Was schwieriger geworden ist: einen Film zu finanzieren. "Der Waldmacher" wurde zu einem großen Teil von privaten Investoren finanziert, das ist das erste Mal, dass das so gelaufen ist bei einem meiner Filme.

Durch die Corona-Krise muss man heute die Frage stellen: Hat das Kino als primäre Stätte für Filmgenuss ausgedient?

Sagen wir so: Das Angebot ist so breit, dass es heute nicht mehr einfach ist, ein Publikum zu finden. Ich glaube, das alteingesessene Programmkino-Publikum ist weg. Das kommt auch nicht mehr zurück. Da hat die Pandemie sicher eine bereits begonnene Entwicklung beschleunigt. Die Kinos geraten in Bedrängnis, weil die Leute ausbleiben. Die Filme laufen derweil im Internet über die Streaming-Portale. Dort hast du als Regisseur aber keinerlei Möglichkeit, dein Publikum kennenzulernen. Was ich bei Filmvorführungen und Festivals sehr wohl kann. Die Folge sind beliebigere Filme, die möglichst einen breiten Geschmack treffen sollen. Die Kinotour mit "Der Waldmacher" hat mir jetzt wieder ein bisschen Mut gemacht, dass das Kino doch noch nicht tot ist. Dass man immer noch Filme mit einem Publikum erleben kann, das über den Film, diskutiert. Das findet in der Anonymität eines Streaming-Services eben nicht statt.

Glauben Sie, dass Streaming-Riesen wie Netflix und Amazon dafür gesorgt haben, dass es heute mehr Filme gibt, die von der Qualität nicht mehr das sind, was sie sein könnten? Und so ein Überangebot produziert wird, das immer beliebiger aussieht?

Es hat zwei Seiten: Denn "Der Waldmacher" wird auch im Streaming landen und dort sicher Menschen ansprechen, die ich anders nicht erreicht hätte.

Aber für die Filmkunst sind die Streamer doch verheerend, wenn hier Programme nur mehr nach Algorithmen konstruiert werden.

Sagen wir es so: Ein neuer Steven Spielberg wird sich unter den Filmemachern, die solche austauschbaren Geschichten drehen, eher nicht finden lassen. Es wird sehr viel produziert, das nach dem immer gleichen Schema gemacht wird und wenig neue Zugänge erlaubt. Zugleich kommen etablierte Filmemacher dazu, Werke zu realisieren, die sie sonst gar nicht realisieren hätten können. Man muss jetzt eine ganz neue Generation heranziehen, die sich für das Kino begeistert. In wenigen Jahren wird sich abzeichnen, welches Schicksal die Kinos erleben werden, ob das Kino überhaupt überlebt. Filme wird es immer geben, aber eben dann On-Demand als Streaming oder im Fernsehen. Aber Kino ist ebenso wichtig als kulturelle Errungenschaft und als soziales Ereignis.